Brandstiftung, Schmierereien, eingeschmissene Scheiben: Die Zahl der Angriffe auf Asylunterkünfte ist im laufenden Jahr enorm gestiegen. Mehr als 800 sind es im laufenden Jahr. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs, wie eine neue Polizeistatistik zeigt.
Die Zahl der rechtsmotivierten Straftaten im Zusammenhang mit der "Unterbringung von Asylbewerbern" ist im vergangenen Jahr um fast das Dreifache gestiegen. Waren 2014 noch 482 Delikte dieser Art gezählt worden, lag die Zahl bis Ende November 2015 bei 1305. In der aktuellen Polizeistatistik erfasst worden sind dabei alle politisch motivierten Straftaten rund um die Flüchtlingsunterbringung - also auch Hetze im Netz, Sachbeschädigungen oder Körperverletzungen bei Demos oder anderen Aktionen außerhalb von Asylunterkünften.
Die Aggression muss sich dabei nicht unbedingt gegen die Asylbewerber direkt richten. Auch Attacken auf Politiker oder andere Menschen, die sich für eine Flüchtlingsunterkunft engagieren, können darunter fallen. Jüngstes Beispiel: Grünen-Politiker Volker Beck, der nach einer öffentlichen Äußerung über Religionsfreiheit per E-Mail Morddrohungen erhielt. Via Twitter teilte er eine Hass-Mail von einem anonymen "Reichsbürger", in der er aufs Übelste beschimpft wird. "Vielleicht sollte ich dich mal zu Hause besuchen kommen", heißt es dann, "und dir genussvoll die Kehle durchschneiden." Beck reagierte gelassen. "Leider auch Alltag", schrieb er im Kurznachrichtendienst.
Zuletzt spielte in der öffentlichen Debatte lediglich die Zahl der direkten Übergriffe auf Asylunterkünfte eine Rolle. Bis zum 7. Dezember hatten die Ermittler hier 817 ganz unterschiedlich geartete Fälle verzeichnet - etwa vier Mal so viele wie 2014. Dabei handelt es sich überwiegend um Schmierereien, Sachbeschädigungen und Propagandadelikte, aber auch um eine wachsende Zahl an Brandstiftungen und Körperverletzungen.
"Rechte Gewalt hat neue Dimension erreicht"
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter beklagte, die Zahlen zu Attacken gegen Unterkünfte gäben "nicht im Ansatz das wirkliche Ausmaß" wieder. "Die neusten Zahlen zeigen eine besorgniserregende Entwicklung auf. Rechte Gewalt hat in Deutschland eine neue tragische Dimension erreicht." Auch Bundesjustizminister Heiko Maas beklagte: "Der dramatische Anstieg von rechter Gewalt ist beschämend für unser Land." Jede Attacke auf Flüchtlinge oder Helfer sei ein Angriff auf die offene und tolerante Gesellschaft. "Die Täter müssen konsequent ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden."
Derweil beklagten die Grünen,
dass die Behörden erst Anfang 2014 damit begonnen haben, Übergriffe
gegen Asylunterkünfte gesondert zu erfassen. Die Bundesregierung möchte
nun - möglichst schon ab 1. Januar 2016 - weitere Bereiche extra
herausgreifen: etwa Angriffe auf Asylbewerber, politisch motivierte
Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Übergriffe gegen
Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer.