Der AStA-Vorstand sollte abgesetzt werden - mit einer überraschenden Mehrheit von Verbindungsstudenten in der Vollversammlung. Hätte das funktionieren können? fudder hat mit dem Vorstand gesprochen - und mit der Verfasserin des konspirativen Schreibens:
Die Rundmail einer Studentin der Damen-Verbindung AV
Merzhausia, die am Dienstag öffentlich geworden war, beschäftigt die
Studierendenschaft weiter. Das Ziel des Schreibens: die Vollversammlung am Mittwoch nächster Woche mit einer verbindungsstudentischen Mehrheit zu übernehmen.
Noch am Dienstag traf sich der Studierendenrat (StuRa) zu seiner regulären Sitzung. Dabei herrschte weitgehende Einigkeit darüber, die Vollversammlung nun stärker bewerben zu wollen. Das habe man ohnehin tun wollen, sagt AStA-Vorstand Viktor Chwolka.
"Beim
letzten Mal hat sich ja mit 91 Teilnehmern gezeigt, dass sie das nicht
wurde. Es ist schön, wenn die VV endlich mal wieder beschlussfähig ist.
Mangelndes Interesse will ich den Studierenden nicht unterstellen."
Über mangelndes Interesse kann
sich auch die Verfasserin des Schreibens nicht beklagen: "Die
Reaktionen waren überwiegend positiv, meine Verbindung steht komplett
hinter mir. Ich habe über 200 Anrufe und Nachrichten bekommen, auch aus
Verbindungen aus anderen Städten. Die haben das richtig gefeiert. Im
Nachhinein betrachtet war es vielleicht ein Fehler, das schriftlich zu
machen, aber ich bereue es nicht."
Hätte der Plan funktioniert?
Dabei war das Unterfangen aus mehreren Gründen von vornherein zum Scheitern verurteilt:
Tagesordnungspunkte, die nicht vorab, sondern erst bei Beginn der
Vollversammlung auf die Tagesordnung gesetzt werden, sind nicht bindend
und haben nur Initiativcharakter. Will heißen: Sie gehen zur Abstimmung
in den StuRa - und da stehen die Mehrheiten fest, denn er ist ein gewähltes Gremium. So wäre das auch beim geplanten Antrag gewesen, den Vorstand abzusetzen.
Aber damit nicht genug: Die Vollversammlung kann den Vorstand überhaupt nicht absetzen. Das kann nur der StuRa, das Legislativorgan der Studierendenvertretung. So will es das Landeshochschulgesetz.
“Es
ist schade, dass die Menschen sich so wenig mit den Strukturen
auskennen und dann denken, dass sie so großartig viel verändern können”,
sagt AStA-Vorstand Chwolka.
Was plante der Vorstand?
Die Verbindungsstudentin hatte ihr Vorhaben mit einer angeblich geplanten Satzungsänderung zu einer "Linkspositionierung" begründet. Aber auch über eine solche hätte die VV nicht entscheiden dürfen.
"Diesen
Plan gab es definitiv nicht. Das würde ja bedeuten, dass wir unsere
eigenen Strukturen nicht kennen. Als Verfasste Studierendenschaft haben
wir sowieso Parteineutralität. Persönliche Einstellungen spielen hier
keine Rolle - zumindest versuche ich das als Vorstand."
Vermeintlicher Beweis war ein Ausschnitt aus einem StuRa-Protokoll, der in dem Schreiben zitiert wird:
"Da wir uns selbst im Linken Spektrum einordnen [...]" - diese Worte ordnet die Verbindungsstudentin dem Vorstand zu. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine Antwort auf die Frage des Vorstands in der Zeile darüber.
Eindeutig formatiert ist das nicht, aber wer die Protokolle regelmäßig liest und bei Sitzungen dabei ist, kann das wissen.
Wie wird die Vollversammlung?
In dem Schreiben der Verbindungsstudentin steht auch, dass Leute, die zur Vollversammlung mit Couleur erscheinen, ausgeschlossen würden.
Dabei ist auch das rechtlich nicht möglich. "Die Öffentlichkeit kann
per Antrag ausgeschlossen werden, Studierende gar nicht", so Chwolka.
Die Leute sollten zur Vollversammlung anziehen,
was sie wollen. Sein Vorstandskollege Christian Kröper sagt: "Wer von
Haarschnitten oder Klamotten Rückschlüsse auf politische Ausrichtungen
zieht, hat nicht so viel von Individualismus verstanden. Auch von
Verbindungs-Couleur kann man nicht grundsätzlich auf eine bestimmte
politische Ausrichtung schließen."
Miteinander reden - statt über einander
Der Verfasserin des Schreibens raten sie, mit dem
Vorstand "einfach mal in den Dialog zu treten. Wenn es da tatsächlich
Ängste gibt, dass irgendwelche Intrigen geschmiedet werden, ist es der
richtige Weg, uns direkt anzusprechen - und nicht zu versuchen, etwas
Konspiratives aufzubauen. Wir sind immer noch Menschen, die hier ihre
Freizeit opfern, und das garantiert nicht für irgendwelche geheimen
Intrigen. Dafür bleibt neben dem Studium keine Zeit."
Die Verfasserin sagt, sie nehme das Angebot zum
Dialog "sehr gerne an. Das wäre ja auch schon länger fällig gewesen.
Wenn der StuRa von Anfang an bereit gewesen wäre, mit uns einen Dialog
zu führen, dann wäre das ja alles gar nicht passiert. Nicht nur mit uns -
die meisten Studierenden sind ja gar keine Verbindungsstudenten. Ich
spreche nicht nur für die Korporierten, sondern für alle."
Und wie wird die Vollversammlung?
"Im StuRa haben wir ja gesehen, wie anwesende Verbindungsstudenten
grölen, auf die Tische klopfen und ihr männliches Verhalten zeigen. Für
das Sitzungsklima der VV wäre das sehr schlecht.", so Chwolka.
"Vielleicht muss das Präsidium der VV dann mehr erklären, wie alles
funktioniert, was geht - und was nicht."
Die Werbung läuft jedenfalls an. Inzwischen gibt es sogar ein Facebook-Event - mit bislang 121 Zusagen.