Radebeul - Geradeheraus und kumpelig, schlau und durchsetzungsstark, gemütlich und unerbittlich – Heinz Buschkowsky (67) ist ein Mann mit vielen Zuschreibungen. Ein Grund, warum der frühere Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln gern vereinnahmt wird. Gerade beim Thema Asyl, vor allem von PEGIDA in Dresden.
MOPO24 traf den bekennenden Sozialdemokraten am Rande einer sächsischen FDP-Konferenz in Radebeul.
MOPO: Herr Buschkowsky, was tut der Pensionär Buschkowsky den ganzen Tag?
Buschkowsky:
Er wartet, dass die FDP Sachsen anruft und ihn zu einer Veranstaltung
einlädt. So als tagesstrukturierende Maßnahme … (guckt spitzbübisch).
MOPO: Das
glauben wir auf der Stelle. Im Ernst: Sie waren so lange aktiv, Rente
ist doch gar nicht Ihr Ding. Schreiben Sie ein neues Buch?
Buschkowsky:
Das mit dem neuen Buch ist noch nicht entschieden. Aber ich bin
natürlich noch politisch tätig: Ich halte Vorträge, bin Podiumsgast und
kommentiere das politische Tagesgeschehen in Zeitungen und Rundfunk.
MOPO: Jeden Montag berufen sich in Dresden Tausende auf Sie. Aus Ihren Büchern wird zitiert. Stichwort PEGIDA.
Buschkowsky:
Wenn ich dort korrekt zitiert werde, dann ist es so. Ein Buch schreibt
man ja, um zu publizieren und seine Meinung zu verbreiten. Wenn sie dann
andere aufnehmen, darf man sich nicht beschweren. Thilo Sarrazin hat
einmal auf die Frage geantwortet, ob er nicht Angst hat, den falschen
Leuten die Munition zu liefern: Wenn die Nazis behaupten, die Erde ist
eine Kugel, dann will ich nicht sagen, dass sie eine Scheibe ist. Er
wollte damit sagen, dass man niemanden daran hindern kann, Richtiges
aufzugreifen.
MOPO: Aber PEGIDA verbreitet auch ganz andere Dinge.
Buschkowsky:
PEGIDA hat das Problem, dass sie es nicht schafft, eine klare
Trennlinie zum rechtsextremen Lager zu ziehen. Jeder, der in dem Wissen
an Demos teilnimmt, dass in der ersten Reihe der Landesvorstand der NPD
marschiert, muss für sich entscheiden, ob er sich da einreiht und in
diesen Dunstkreis begibt. Ich würde das nicht tun.
So lange diese organisatorische und inhaltliche Nähe nicht aufgelöst ist, so lange wird PEGIDA auch ein gewisser Geruch anhaften. Das ist halt so, auch wenn sicher Tausende Demonstranten mit den Nazis nichts am Hut haben. Eine andere Flüchtlingspolitik zu wollen, heißt noch lange nicht, Nazi zu sein.
MOPO: Aber man ist gemeinsam unterwegs.
Buschkowsky:
PEGIDA und NPD bestreiten einen gewissen Verbund gar nicht. Ich
erinnere an Führungsfiguren, die im Hitler-Kostüm durch die Gegend
gesprungen sind. Das ist alles eine recht unsäglich Verbindung mit
Schmuddelcharakter.
MOPO: Wurden Sie schon eingeladen?
Buschkowsky: Ja, es gab Einladungen.
MOPO: Manchmal
wird ja montags in Dresden gleich ganz Neukölln vereinnahmt – als
Synonym für so ziemlich alles. Auch mit Moschee-Bildern usw. Schmerzt
Sie das?
Buschkowsky: Ich ertrage das mit
Gelassenheit. Wir haben ja in Neukölln durchaus soziale Verhältnisse,
die kein Ruhmesblatt für unsere Gesellschaft sind. Ich kann es einer
anderen Stadt nicht verdenken, wenn man dort sagt, wir wollen diese
Verhältnisse nicht kopieren. Oder finden Sie es erstrebenswert, wenn 75
Prozent aller Kinder unter 14 Jahren im Hartz-IV-Bezug sind oder 90 %
aller Eltern in einer Schule nicht im Erwerbsleben stehen? Das ist keine
gesunde Sozialstruktur.
MOPO: Es gibt
sicher keine Generallösung, nicht das alleinige Rezept. Aber was sollte –
aus Ihrer Erfahrung – ein neu mit diesen Problemen wie Integration und
Einwanderung konfrontiertes Bundesland wie Sachsen beachten?
Buschkowsky:
Sie sollten alles daran setzen, die Bildung von ethnischen Clustern zu
verhindern. Diese sind der Ursprung von Parallelgesellschaften. Und
Parallelgesellschaften wiederum entwickeln normative Kraft und
verbindliche Verhaltensweisen für ihre Mitglieder. Allerdings stehen
letztere meist konträr zu den Lebensregeln, die für uns alle in diesem
Land gelten.
MOPO: Nochmal zu Neukölln als Ganzes. Tut es Ihnen nicht weh, wenn mit ihrem Heimatbezirk immer nur diese Themen verbunden werden? Sie haben mit einer der dortigen Wohnsiedlungen ja sogar einen UNESCO-Welterbe-Standort.
Buschkowsky: Neukölln ist sehr vielfältig. Wir haben auch eine lange Integrationstradition. Ein echtes Böhmisches Dorf als Zeuge der Einwanderung der Böhmen vor über 300 Jahren. Wir haben eine eigene Oper, das größte Kongresshotel Europas (das Estrel. Anm. d. Red.) und Weltfirmen wie Biotronic und Philip Morris sind unsere größten Arbeitgeber.
In unserem Schloss wohnten die Minister des preußischen Hofes und bis zu unserer Okkupation durch Berlin waren wir eine eigenständige, stolze Stadt. Heute haben wir 320.000 Einwohner und sie brauchen etwa eine Woche, um sich Neukölln komplett zu erschließen. Neukölln ist mehr als die Summe von Problemen.
Seine aktuellen Thesen:
- Die Einrichtung eines deutschen Integrationsministeriums. „Wir brauchen ein Integrationsministerium. Integration muss Staatsziel sein. Ein Einwanderungsland braucht ein Einwanderungsgesetz, aber vor allen Dingen eine Instanz, die sich um alle diese Belange verantwortlich kümmert. Sonntagsreden ohne Folgen in die Fernsehkamera sind eine schlechte Tradition der letzten 50 Jahre“, sagte er am Samstag in Radebeul auf einer Konferenz der sächsischen FDP zum Thema Asyl.
- Zugleich spricht sich Buschkowsky für die Anwendung von Sanktionen bei integrationsunwilligen Ankömmlingen aus. „Viele Menschen verhalten sich wie das Wasser. Sie suchen stets den leichtesten Weg. Sie muss man an eine führende und nachdrückliche Hand nehmen. Sozialleistungen sollten stets an eine Gegenleistung der Einwanderer geknüpft sein.
Integrationsbemühungen sind kein Spaßfaktor für die, die Lust darauf haben, sondern Pflicht für alle, die zu uns kommen, Wohlstand suchen und an dieser Gesellschaft partizipieren wollen. Der empfindlichste Körperteil des Menschen ist der Geldbeutel. Die Verknüpfung von Sozialleistungen mit der eigenen Leistungsbereitschaft kann durchaus beflügeln. Das gilt besonders für das Erlernen der Sprache und das Erziehungsverhalten. “
- „Wir dürfen die Fehler der Bundesrepublik beim Thema Integration nicht wiederholen. Erstens: Integration regelt sich von allein. Es regelt sich gar nichts von alleine. Zweitens: Ohne die Integration der Einwandererkinder werden wir unseren Wohlstand in der Zukunft nicht erhalten können. Drittens: Ohne Bildung ist Integration nicht möglich. Unser Bildungssystem muss endlich begreifen, dass Eltern, die nicht lesen und schreiben können, ihren Kindern beim Pythagoras nicht helfen können. Viertens: Wir brauchen eine verbindliche Vorschulerziehung und einen Umbau aller Schulen zu Ganztagsschulen.“
- „Deutschland ist ein Einwanderungsland, ob es allen nun passt oder nicht. Wir sind sogar gezwungen, eines zu sein und um die klugen Köpfe dieser Welt zu konkurrieren. Wir haben die niedrigste Geburtenrate der ganzen Welt. Wir bräuchten etwa eine Millionen Geburten pro Jahr, um uns ständig zu regenerieren. Wir haben aber nur 650.000. Das Ziel kann aber nicht eine Einwanderung des Zufalls und der Bildungsferne sein. Wir brauchen eine Einwanderung mit Konzept, Einwanderer mit Kompetenzen und ein Einwanderungsgesetz. Die Gesellschaft erwartet, dass Einwanderer die Gesellschaft voranbringen, sie inspirieren und stärken, also ein Benefit mit ihnen verbunden ist. Einwanderung ist nicht der Stresstest für das Sozialsystem."
Buschkowsky ist waschechter Berliner. Er wurde 1948 „als Kind einfacher, aber ehrlicher Leute“, wie er sagt, in Neukölln geboren (31. Juli). Er hat einen Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt. Vom Anfang bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn arbeitete Buschkowsky ununterbrochen in der (West-)Berliner Verwaltung.
Seit 1979 war er zudem gewählter Politiker: zunächst in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung als einfacher Abgeordneter, später als Fraktion-Chef der SPD. Seine hauptamtliche Tätigkeit für das Bezirksamt nahm er 1989 als Stadtrat für Finanzen und Wirtschaft auf.
Es folgten Stadtratsfunktionen in den Bereichen Jugend, Sport, Umwelt und Gesundheit. Als Bezirksbürgermeister von Neukölln war er 1991, 1992 und von 2001 bis 2015 am Ball. 1995 bis 1999 fungierte er als Vizebürgermeister. SPD-Mitglied ist Buschkowsky seit 1973.