NSU-Prozess: Auch Ralf Wohlleben will jetzt aussagen

Erstveröffentlicht: 
30.11.2015

Erst Beate Zschäpe, nun auch Ralf Wohlleben: Im NSU-Prozess um die Morde des terroristischen "Nationalsozialistischen Untergrunds" wollen jetzt die beiden wichtigsten Angeklagten ihr Schweigen brechen. Damit könnte das Verfahren hochspannend werden.

 

München. Im Münchner NSU-Prozess will neben Beate Zschäpe nun auch der wegen Beihilfe zum Mord angeklagte Ralf Wohlleben sein Schweigen brechen. Das kündigten seine Anwälte in einer Erklärung an, die am Sonntag auf einer Facebook-Seite der NPD zu finden war.

 

 Einer seiner Verteidiger, Olaf Klemke, bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur die Echtheit des Dokuments.

 

 Darin heißt es, Wohlleben müsse "einige Dinge klarstellen, um den dreisten Lügen einiger Zeugen und zweier Mitangeklagter" entgegenzutreten. Damit sind Carsten S. und Holger G. gemeint, die bisher als einzige der fünf Angeklagten im Prozess um die Morde des "Nationalsozialistischen Untergrunds" ausgesagt haben. 

 

 Überschrieben ist die Erklärung der Wohlleben-Verteidiger mit den Worten "Der Wahrheit eine Gasse: Ralf Wohlleben wird sein Schweigen brechen". Wohlleben werde "selbst aussagen", heißt es darin. Im Briefkopf stehen die Namen seiner drei Verteidiger: Nicole Schneiders, Olaf Klemke und Wolfram Nahrath.

 

 Nach Darstellung der Verteidiger ist "Herr Wohlleben seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben". Daran ändere auch seine Aussage nichts. Sie sei "ein Akt der Notwehr gegen Lügen und Unterstellungen". Wohlleben soll in den 1990er Jahren der rechtsextremen "Kameradschaft Jena" angehört haben und war später Funktionär der NDP.

 

 Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin sagte, "sollte die Aussage Wohllebens tatsächlich der Wahrheit dienen, wäre sie zu begrüßen". Er äußerte sich aber skeptisch, dass Wohlleben "alles sagen wird, was er weiß". Narin vertritt im NSU-Prozess die Frau und die Tochter des in München ermordeten Theodoros Boulgarides.

 Vor allem der mitangeklagte Carsten S. hatte Wohlleben belastet. Er hatte im Prozess gesagt, Wohlleben habe ihn beauftragt, in einem Szeneladen in Jena die Pistole vom Typ "Ceska" zu kaufen, mit der die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun ihrer zehn Mordopfer erschossen haben sollen. Wohlleben habe S. auch das Geld für den Kauf der Waffe gegeben.

 

 Die Bundesanwaltschaft hält Wohlleben für eine "steuernde Zentralfigur" im Hintergrund des NSU.

 

 Seit Beginn des Prozesses hatte Wohlleben ebenso wie Beate Zschäpe die Aussage verweigert. Zschäpe hatte erstmals vor einem halben Jahr in einem Brief an das Gericht durchblicken lassen, sie könne sich inzwischen vorstellen, doch "etwas" auszusagen. Das Gericht stellte ihr daraufhin den Münchner Anwalt Mathias Grasel als vierten Pflichtverteidiger zur Seite. Grasel erklärte inzwischen, Zschäpe werde "frühestens am 8. Dezember" eine Aussage verlesen lassen. Sie werde auch "Fragen des Gerichts" beantworten.

 

 Zschäpe ist die Hauptangeklagte im NSU-Prozess. Sie muss sich als mutmaßliche Mittäterin an der Serie von zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen verantworten. 

 

 Nach Wohllebens Ankündigung hält jetzt nur noch einer der fünf Angeklagten an seiner Schweigestrategie fest, der ebenfalls wegen Beihilfe angeklagte André E. Es sei auch "eher nicht" damit zu rechnen, dass er jetzt ebenfalls reden werde, sagte einer seiner Anwälte am Rande eines der letzten Verhandlungstermine.