Über die neue Familienministerin Kristina Köhler: Am Kampf um die Deutungshoheit von Begrifflichkeiten, wie Rechtsextremismus und Antisemitismus, beteiligen sich Konservative sowie Vertreter der »Neuen Rechten«. Ein Bericht aus dem kleinen Grenzverkehr am Beispiel der neuen CDU-Bundesfamilienministerin Kristina Köhler.
Im Februar 2009 hatte auch die israelische
Öffentlichkeit die Gelegenheit, Einblick in das Weltbild der Kristina
Köhler zu nehmen. Zumindest die Leserschaft der »Jerusalem Post« konnte
von der Wiesbadener CDU-Bundestagsabgeordneten und jetzigen Ministerin
erfahren, wie es in Deutschland um den Antisemitismus bestellt ist.1 Die israelischen Leser erfuhren dort nichts von der erneut steigenden Anzahl deutscher Rechtsextremisten2; nichts von den 138 von Neonazis Ermordeten seit der deutschen Wiedervereinigung3;
nichts davon, dass in Deutschland im Schnitt wöchentlich ein jüdischer
Friedhof mit rechtsextremen Parolen geschändet oder zerstört wird.4
Nein, Kristina Köhler hat andere Botschaften und verlässt sich dabei
nicht auf Statistiken, sondern auf ihr rechtes Bauchgefühl. Und das
sagt ihr vor allem eins: Die Hauptgefahr antisemitischer Bedrohung
liegt bei extremen Moslems und antisemitischen Linken.
Das Ziel ihres publizistischen Angriffs ist das »Berliner
Zentrum für Antisemitismusforschung« unter der Leitung von Wolfgang
Benz. Diese Einrichtung nämlich, so Köhler weiter, nimmt den
Antisemitismus von Linken und Moslems nicht ernst genug und kümmere
sich nur um die Rechten, die aber gar nicht mehr entscheidend wären.
Szenenwechsel: Im deutschen Bundestag findet 2007 eine aktuelle Stunde
zum »Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus« statt. Am Rednerpult steht
Monika Lazar, Sprecherin der Grünen in Sachen Rechtsextremismus. Sie
referiert über die Rechtsextremismusstudien der
Friedrich-Ebert-Stiftung »Vom Rand zur Mitte« und die Studienreihe
»Deutsche Zustände« des Bielefelder Instituts für Konflikt-und
Gewaltforschung. Beide empirischen Untersuchungen kommen zu dem
Ergebnis, dass rechtsextremistische Wertvorstellungen fest in der
»Mitte der Gesellschaft« verankert sind – dort, wo auch der historische
Faschismus einst herkam. Diese Rede wird von Kristina Köhler mehrfach
unterbrochen. Zuerst pickt sie sich ein Item5
aus dem Fragebogen der Ebert- Studie »Was unser Land heute braucht, ist
ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber
dem Ausland« heraus und fragt theatralisch: »Ist man ein
Rechtsextremist, wenn man diese Frage mit ja beantwortet?« Frau Köhler
– selbst Soziologin – wird wissen, dass eine sozialempirische
Untersuchung selten aus nur einer Frage bzw. einem Item besteht.
Wichtig ist es ihr auch anzumerken, dass es ja noch andere
wissenschaftliche Meinungen zu dieser Thematik gäbe.6
Wen sie damit meint, ist nicht so schwer zu erraten: Es sind die
Meinungen der beiden Extremismusforscher Eckehard Jesse (Chemnitz) und
Uwe Backes (Dresden), geistige und praktische Nachfolger des inzwischen
auch bei Neonazis auftretenden Professors Dr. Hans-Hellmuth Knütter, in
dessen Schriften die bürgerliche Mitte beschützt werden muss – und zwar
vor allem vor Linken, »die den Antifaschismus zum eigenen Überleben
nutzen, wie auch die jüdischen Gemeinden in Deutschland«.7
Artikel wie Bundestagssituation verweisen auf Ähnliches: Kristina
Köhlers Ablehnung aller Linken und vor allem dann, wenn diese sich mit
Rechten beschäftigen. Sie gefällt sich in der Rolle der rechten
Wadenbeißerin – wobei sie oft daneben schnappt, da sie in ihren
Argumentationen der ideologischen Geschwätzigkeit meist den Vorlass vor
objektiven Zahlen oder sozialwissenschaftlichen Beweisketten gibt. Da
kann es auch mal Ärger mit den eigenen Quellen geben. Begeistert und
agitiert vom rassistischen Wahlkampf Roland Kochs 2007/2008 zitierte
sie aus einer Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer, in der
angeblich belegt würde, dass ausländische Jugendliche Deutsche
angreifen, weil diese deutsch seien. Man hätte es also mit einem
deutschenfeindlichen Rassismus zu tun. Daraufhin musste selbst der
Wissenschaftler die Kollegin Köhler darauf hinweisen, noch einmal
nachzulesen, weil solche Schlussfolgerungen aus seiner Studie nicht
abzuleiten wären.8
Vor einigen Jahren entdeckte sie den Antisemitismus. Nicht in der CDU,
in den christlichen Kirchen, in den Vertriebenenverbänden oder den
Schützenvereinen. Nein, sie hat ihn bei Moslems und Linken entdeckt.
Unstrittig, dass es Antisemitismus bei einer Vielzahl
moslemischer Gruppen gibt und dass es auch in der politischen Linken
Formen des Antisemitismus gab und gibt. Dem Vorwurf, dass einige Linke
Regime wie das des Irans oder Organisationen wie die Hamas zu wenig
oder gar nicht kritisieren, ist absolut zuzustimmen. Gleichzeitig gibt
es aber innerhalb der linken Bewegungen seit Jahren eine teils
schmerzhafte und erbitterte Auseinandersetzung um die Verortung von
Begriffen wie Antizionismus oder die Kritik an der Politik des Staates
Israel. Dieses soll hier aber nicht das Thema sein. Sondern die
Tatsache, dass sich jetzt Vertreter der »Neuen Rechten«9
– in deren Dunstkreis man auch eine Kristina Köhler finden kann – daran
machen, den Kampf gegen Antisemitismus zu missbrauchen. Dieser
Missbrauch besteht primär darin, Antisemitismus zu ideologisieren und
ihn damit zu entpolitisieren. Antisemitismus ist in Köhlers Denkart
immer ein Problem eines Extremismus, also einer zugespitzten Meinung,
den man nur an den Rändern der Gesellschaft findet. Antisemitismus wird
nicht mehr in einem Kontext europäischer nationalkonservativer
Machtpolitik gesucht. Die Geschichte des modernen Antisemitismus ist
aber eine europäische und eine politisch rechte Geschichte, egal ob
christlich, konservativ, esoterisch, völkisch oder nationalistisch
legitimiert. Auch der widerwärtige Antisemitismus in Teilen der
moslemischen Welt ist in der Regel genau dieser recycelte europäische
Wahn. »Die Protokolle der Weisen von Zion«, die auf den Zimmern
saudischer Hotels liegen, und die Mythen von Kinderblut trinkenden
Rabbis im arabischen TV sind in den Köpfen deutscher, russischer und
französischer Monarchisten, Nationalisten, Pfarrer und gutbürgerlicher
Gelehrter des 19. Jahrhunderts entstanden.
Natürlich ist Kristina Köhler kein Neonazi. Regelmäßig
spricht sie sich gegen die NPD und andere Stiefelnazis aus. Wenn man
sich aber in die Grauzonen am rechten Rand begibt, dort wo die
Burschenschaften, CDU- und NPD-Politiker gleichzeitig ausspucken10,
wo die »Junge Freiheit« gelesen und gefördert wird, wo die
Salonfaschisten des »Instituts für Staatspolitik« Vorträge halten, dort
wird Frau Köhler eher schweigsam. Letztendlich genügen die
kontinuierliche Beobachtung des Online-Auftritts von Kristina Köhler11
und ihr sonstiger politischer Umgang, um die ideologische
Konjunkturdeutung von Antisemitismus ihrerseits zu erfassen. Kristina
Köhler nennt sich »Expertin« für Islam, Extremismus und Integration der
CDU-Bundestagsfraktion. Dass das Wort »Experte« in Politikerkreisen
aller Parteien ein völlig entwertetes Zertifikat ist, ist ihr nicht
persönlich anzulasten, sondern ist ein in den Medien oft zu
beobachtendes Schauspiel, wenn beispielsweise »Finanzexperten«
innerhalb weniger Monate zu »Umweltexperten« und wieder zurück
mutieren. Köhler macht hier keine Ausnahme, es gibt von ihr auch nach
acht Jahren Bundestagszugehörigkeit und Expertendasein keinerlei
Veröffentlichungen zum Thema Islam, Extremismus oder Integration, die
über eine Pressemitteilung oder Bundestagsrede hinausgeht. Einzige
Ausnahme ist eine kurze Buchrezension im Jahrbuch Extremismus der
beiden rechtskonservativen »Extremismusforscher« Eckehard Jesse und Uwe
Backes aus Sachsen.12
Deren Thesen sind allerdings das Credo und oft einziger inhaltlicher
Hintergrund einer Kristina Köhler. Sie hat nur wenige Themen, schafft
es aber trotzdem immer wieder damit in bestimmten Medien zu erscheinen.
Zusammengefasst sind ihre Thesen einfach –, und beliebt:
- Linksextremisten unterscheiden sich gar nicht so sehr von Rechtsextremisten.
- Linksextremismus findet sich schon am linken Rand der SPD.
- Rechtsextremismus findet sich aber nie am rechten Rand der CDU.
- Ausländer und vor allem Moslems müssen sich einer »Deutschen Leitkultur« unterordnen.
- Es gibt eine Zunahme von Rassismus gegen Deutsche in Deutschland.
»Willkommen am Stammtisch der Fünfziger Jahre« möchte man
meinen – und in der Tat entpuppt sich Köhler als begeisterte Anhängerin
einer schlichten Theorie, die in den Hochzeiten des kalten Krieges sehr
populär war, ab den sechziger Jahren verdrängt wurde und seit der
Wiedervereinigung ein Comeback feiert: die Totalitarismustheorie.13 Diese Theorie gilt bei vielen Sozialwissenschaftlern14
mehr als Ideologie denn als Wissenschaft, da sie unter anderem keiner
empirischen Prüfung standhält. Inzwischen ist sie wieder zu einer
publizistischen Standardwaffe Konservativer geworden – eignet sie sich
doch besonders gut dafür, Rechtsextremismus zu relativieren und
letztendlich einen Geschichtsrevisionismus in der öffentlichen
Wahrnehmung zu etablieren. Handelte es sich anfangs »nur« um
geschichtspolitische Debatten, so gingen diese über die
Gedenkstättenpolitik bald allgemein in den Bereich der politischen
Bildung über. Dass dieses keine Elfenbeinturmdiskussion mehr ist, kann
man daran ablesen, dass es Teilen der »Neuen Rechten« gelungen ist, mit
der sogenannten Extremismusforschung eine gewisse Deutungshoheit über
Begrifflichkeiten und Definitionen in der Auseinandersetzung um
Rechtsextremismus zu bekommen. Vertreter der »Neuen Rechten« wie
Eckehard Jesse oder Uwe Backes haben von ihren sächsischen Instituten15
aus inzwischen Zugriff auf die Bundeszentrale für politische Bildung
und halten Tagungen für den sozialwissenschaftlichen Beirat bei
mehreren Verfassungsschutzämtern, einigen Landeskriminalämtern und dem
BKA.
Es ist erstaunlich, wie fast widerstandslos rechte
Intellektuelle, die noch vor wenigen Jahren in Publikationen schrieben,
die vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, inzwischen selbst bei den
Sicherheitsorganen ein und aus gehen.16
Dass Jesse und Backes 2003 sogar als Experten des
Bundesverfassungsgerichts für die Beratung über das NPD-Verbot bestellt
wurden, veranlasste auch die Süddeutsche Zeitung zu der Bemerkung, dass
hier der Bock zum Gärtner gemacht würde.17
Wie der Stichwortgeber der europäischen »Neuen Rechten«, Alain de
Benoist, einst die Herausbildung einer rechten Kulturhegemonie über die
schrittweise Infiltration eines wissenschaftlichen und medialen
Apparates beschwor, so lassen sich solche Tendenzen und publizistischen
Netzwerke heute recht deutlich im medialen Kampf gegen alles was links
ist oder scheint, erkennen. Kristina Köhler scheint Teil eines solchen
Netzwerkes zu sein. Das Muster der Kampagnen ist immer ähnlich. Die
Angegriffenen sind meist Vertreter der Linkspartei, des sogenannten
linken Flügels der SPD oder auch einzelne Vertreter der Grünen. Die
Kampagne beginnt oft in der rechten Wochenzeitschrift »Junge Freiheit«.
In der dortigen Rubrik »Blick nach Links« werden Sozialwissenschaftler
wie Christoph Butterwege oder Politiker der Linkspartei wie Ulla Jelpke
als »Linksextremisten« diffamiert. 2007 war dann die frisch gewählte
Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel an der Reihe. Dass die
SPD-Jungpolitikerin sich auch in der linken Gefangenenhilfsorganisation
»Rote Hilfe« engagierte, wurde zuerst im rechtsradikalen Milieu
hochgekocht, um dann über konservative Blätter wie »Die Welt« oder
»Focus« in die Mainstream-Medien transferiert zu werden. Kristina
Köhler scheint genau hier eine gewisse Funktion zu haben, nämlich
»schmutzige« Informationen mit ihrer Reputation weiß zu waschen. Sie
macht rechtsradikale Diskurse Mainstream-tauglich: Die
Interviewpartnerin ersetzt als »seriöse« Quelle die rechtsradikalen
Wurzeln der Aussage. Ähnliche Versuche – in der »Jungen Freiheit« aber
mit weniger Erfolg beschieden – gab es auch mit der SPD-Politikerin Ute
Vogt, Mitherausgeberin des sozialdemokratischen Informationsblattes
»Blick nach Rechts«, als diese ein Buch über die Zeitung »Junge
Freiheit« selbst, mitherausgab. Genauso betroffen die bereits erwähnte
bundespolitische Sprecherin der Grünen zum Thema Rechtsextremismus,
Monika Lazar. In diesem Zusammenhang sind es immer wieder dieselben
Namen, die auftauchen.
Besonders die Schreiber der »Jungen Freiheit« und bestimmte
Journalisten von der »Welt« bzw. vom »Focus« scheinen gerne mal
voneinander abzuschreiben.18
Diese Hetzkampagnen beziehen sich wiederum auf die Extremismusgebilde
von Jesse und Backes, die gebetsmühlenartig weiter verkünden, dass der
»Kampf gegen Rechts« übertrieben sei und die größere Gefahr von Links
drohe. Relativ neu ist die Ergriffenheit, die Kristina Köhler beim
Thema Antisemitismus befällt. Mit tiefer Sorge beobachtet sie einen
»neuen« Antisemitismus bei der Linkspartei, getarnt als Antizionismus.
Dies ist für sie so unerträglich, dass sie – medienwirksam – eine
gemeinsame Erklärung der Bundestagsfraktionen mit den Vertretern der
Linkspartei gegen Antisemitismus verhinderte. Dieses ideologische
Medienspektakel veranstaltete sie ausgerechnet zusammen mit dem
CSU-Politiker Hans-Peter Uhl, jenem Konservativen, der noch während der
Diskussion im Jahre 2000 über die Entschädigungszahlungen an jüdische
Zwangsarbeiter, diese von Entschädigungszahlungen an deutsche
Zwangsarbeiter in sowjetischen Kriegsgefangenenlager abhängig machen
wollte, wie er in einem Aufsatz in dem konservativen Blatt »Epoche«
schrieb.19
Schaut man sich die Stellungnahmen und Presseerklärungen der Expertin
für Islam und Extremismus auf der Homepage von Kristina Köhler an, so
erkennt man die Heuchelei und den offenen Missbrauch von
Antisemitismusvorwürfen als Politikerin des rechten Randes nicht
unbedingt daran, was sie schreibt, sondern daran, was sie nicht
schreibt. Während sie sogar noch in Duisburg Linkenpolitiker auf einer
Demonstration gegen den Gazakrieg aufstöbert, entgehen ihr andere Dinge
auf wundersame Weise. Antisemitische Skandale gab es auch in Hessen in
den letzten Jahren zuhauf: Im Sommer 2007 zogen hunderte Neonazis unter
den Augen eines großen Polizeiaufgebotes durch Frankfurt am Main mit
der Parole »BRD Judenstaat – wir haben dich zum Kotzen satt«. Hunderte
junger AntifaschistInnen die sich dem braunen Mob entgegenstellten,
wurden seinerzeit eingekesselt und festgenommen.20
Ein Jahr später zogen Neonazis der NPD durch Wetzlar und forderten,
Daniel Cohn Bendit als Mitglied einer »besonderen Minderheit« an die
Wand zu stellen. Die Extremismusexpertin aus Hessen schwieg dazu, wie
auch die Polizei vor Ort.
Auch die fast quartalsmäßigen antisemitischen »Skandale«
ihrer Parteikollegen werden auf ihrer Homepage nicht kommentiert. Sei
es der Rehabilitationsversuch des NSDAP-Blutrichters Hans Filbinger
durch den Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger, die
Umtriebe des äußerst rechten Studienzentrums Weikersheim, die
antisemitischen Ausfälle des hessischen Bundestagsabgeordneten Hohmann
und der offene Beifall, den er von seiner Basis dafür erhielt – zu
alledem schweigt die besorgte Extremismusexpertin. Und natürlich
schweigt sie lieber auch über den Holocaust leugnenden Piusbruder und
dessen Rehabilitation durch den Papst. Es scheint, dass sie sehr darauf
bedacht ist, mit ihrem »Kampf gegen Antisemitismus« keine
Wählerklientel zu verschrecken. Da braucht sie sich bei Moslems und
Linken keine Sorgen zu machen, wohl aber, wenn sie anfangen würde,
einen Parteikollegen oder gar den Papst zu kritisieren. Es wird ihr
bekannt sein, dass in den aktuellen Studien über politische
Einstellungen in Deutschland der Anteil von antisemitischen
Einstellungen beim CDU/CSU-Klientel doppelt so hoch ist wie bei dem der
Linkspartei21.
Frau Köhlers Kampf gegen Antisemitismus ist ein ideologisches
Possenspiel. Der Versuch, sich als deutscher Rechtsaußen als
glaubhafter Gegner des Antisemitismus darzustellen, hatte schon immer
etwas tragisch-skurriles. Auch Kristina Köhler muss in ihrem Kampf
gegen Links immer nervös in die eigenen Reihen bzw. auf die eigene
Website schauen. Da verschwanden auf ihrer Homepage plötzlich aus dem
Pressespiegel22 im letzten Jahr einige Links. Zwei führten zur »Jungen Freiheit« und der andere zu der Seite »PI News«23.
Auf beiden extrem rechten Seiten wurde, wie eigentlich immer, positiv
über Frau Köhler berichtet und auf »PI-News« kann man außerdem auch
noch etwas bestellen: Tassen und T-Shirts, auf denen zu lesen ist:
»islamophobic and proud about it« – ganz so wie man es sich von einer
»Expertin für Integration« wünscht. Mit beiden Medien scheint sie mehr
zu verbinden. Auf »PI-News« ist sogar eine Nachricht ihres Büros zu
finden, welches einen Beitrag ergänzt. Vor allem scheint sie aber eine
begeisterte Leserin der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ zu sein. Als sie
nach den 1. Mai-Demonstrationen 2009 in einer Bundestagsrede vor allem
wieder gegen die Linksautonomen in Berlin polemisierte, beschwerte sich
einige Tage später ein Autor der Jungen Freiheit, Kristina Köhler
sollte doch, wenn sie aus seinen Artikeln für ihre Rede klaut,
wenigstens die Quelle angeben. Dieses holen wir an dieser Stelle gerne
nach.24
Auch ihr Mentor und Stichwortgeber, der Totalitarismuspapst
Prof. Eckehard Jesse, vergreift sich ab und zu im Ton. Während Kristina
Köhler Ende 2008 mal wieder den Rücktritt von Politikern forderte, die
Eckehard Jesse kritisieren25,
schweigt sie selbstverständlich über seine wiederholten antisemitischen
Äußerungen in der Vergangenheit, z.B. dass die jüdischen Gemeinden
Antisemitismus benötigen, um Gehör zu bekommen, und dass das Verhalten
führender jüdischer Funktionäre auf Dauer Judenfeindlichkeit in der
Bevölkerung auslösen wird.26
Auch das Medienecho, welches seinerzeit der Bürgermeister von
Korschenbroich auslöste, als er forderte, ein paar »reiche Juden
totzuschlagen«, um den Stadthaushalt zu finanzieren, fand Jesse
hysterisch.27
Wenn man sich mit Kristina Köhler beschäftigt, verwundert eigentlich
nur eins: der mangelnde Widerstand, der ihr bisher in ihrer Karriere
entgegenschlug.
Die Mattigkeit einer SPD beim Thema Neofaschismus ist
erschreckend. Eine Scharnierfunktion zwischen Rechtsextremismus und
Konservatismus ist im hessischen Landesverband der CDU wirklich nichts
Neues. Die Übergänge zwischen Neonazis – neuer Rechter – CDU sind im
Verband von Alfred Dregger, Manfred Kanther und Roland Koch bis heute
fließend. Köhler hat das Glück, aus einer Stadt zu kommen, in der
besonders deutlich wird, wie sehr sich politische Koordinaten des
Konservatismus bis weit in die SPD hinein und die Abdankung eines
irgendwie investigativ gearteten Journalismus die Hand reichen.
Fußnoten
1| Jerusalem Post, 15.02.09
2| Frankfurter Rundschau 14.12.08; Frankfurter Rundschau 18.3.09
3| Mut gegen rechte Gewalt
4| Amadeo Antonio Stiftung
5| Item – auch Merkmal genannt – ist eine statistische
Variable, aus deren Menge bzw. Ausprägung eine Grundgesamtheit gemessen
wird.
6| www.Monika-Lazar.de, 20.04.09
7| DISS Duisburg, 21.0409.
8| DasErste vom 18.04.09
9| Wir benutzen den inzwischen etwas überfrachteten
Begriff »Neue Rechte« zum einen ausgehend von der französischen
»Nouvelle Droite«, die sich auf Antonio Gramsci bezieht und zunächst
eine kulturelle Hegemonie anstrebt, eine Besetzung des vorpolitischen
Raums durch Infiltration des medialen und wissenschaftlichen Apparates
und zum anderen aber daran anschließende rechtsintellektuelle Zirkel
und publizistische Netzwerke in der Grauzone zwischen Rechtsextremismus
und Konservatismus. Zur Übersicht der Begriffsdefinition vgl.
Butterwege, Christoph. In: Herbert und Greta Wehner Stiftung (Hrsg.):
Diffusionen – Der kleine Grenzverkehr zwischen Neuer Rechter, Mitte und
Extremen, Dresden 2007
10| Exemplarisch dafür die rechtsextreme »Dresdensia
Rugia« aus Gießen, in der der schulpolitische Sprecher der CDU Hessen
Irmer gerne referierte, wie auch eine Anzahl von Mitgliedern der
NPD-Landtagsfraktion aus Sachsen. Vergl. u.a. Wiesbadener Kurier vom 18.04.2009
11| www.Kristina-Köhler.de
12| Jahrbuch für Extremismus und Demokratie, Jhrg. 19, 2007
13| Zur Geschichte der Totalitarismustheorie vergl. K.H. Roth: Schlimmer als die Nazis.
14| Vergl. zur Totalitarismustheorie: Butterwege:
Erklärungsmodelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt, 2004;
Wippermann: Totalitarismustheorien, 1997; Stöss/Schuberth:
Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 2000
15| Eckehard Jesse leitet das von der Hans Seidel-
Stiftung finanzierte Institut zur Extremismusforschung an der TU in
Chemnitz und Uwe Backes das Hannah Arendt-Institut der Uni Dresden.
Beide fungieren auch als politische Berater des sächsischen
Innenministeriums.
16| Exemplarisch steht dafür die Zeitschrift MUT Zur
ihrer Einordnung siehe: Mecklenburg, Jens (Hrsg): Handbuch des
deutschen Rechtsextremismus
17| Süddeutsche Zeitung, 05.02.02
18| Vergl. Junge Freiheit, 30.06.08; Junge Freiheit, 17.10.08; Focus, 30.06.08, Nr.27; Welt, 07.08.08
19| www.konservativ.de
20| Viele Menschen, die z.B Sitzblockaden gegen die
Nazis durchführten, bekommen in der Regel in vielen Städten Anzeigen
wegen »Widerstand gegen die Staatsgewalt«. Diese Fälle wiederum fließen
in die Polizeistatistiken unter der Rubrik »Gewalt gegen die Polizei –
Politisch motiviert links«. Einen Tag, nachdem in allen deutschen
Medien Mitte März 2009 über eine neue Studie des
Bundesinnenministeriums diskutiert wurde, wonach jeder siebte
Jugendliche ausländerfeindlich ist, veröffentlicht Frau Köhler einen
Auszug aus einer solchen Polizeistatistik auf ihrer Homepage, wo dann
zu lesen ist, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte von Linken doppelt so
hoch sei, als von rechts ausgehend. Auf die erwähnte Studie geht sie
selbstverständlich nicht ein.
21| Vergl. Decker, Brähler. Vom Rand zur Mitte, 2006
22| Wir betonen an dieser Stelle, dass es sich um
einen Pressespiegel handelt und nicht um einen Link, der zu dem Zweck
angebracht wurde, Werbung für diese Seiten zu machen. Dennoch: Link
bleibt Link und eine gewisse Auswahl scheint es beim Pressespiegel zu
geben – Presseartikel der NPD-Zeitung »Deutsche Stimme«, die auch mal
lobend über Frau Köhler berichten, sind bisher noch nicht aufgetaucht.
23| PI steht für »politically incorrect«.
24| Kommentar Junge Freiheit Homepage
25| Focus, Nr 27, 30.06.08
26| Süddeutsche Zeitung, 05.02.02; 11.02.05 Freitag;
gemeint war seinerzeit der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in
Deutschland, Galinski. In der Antisemitismusforschung werden solche
Aussprüche, wonach Juden durch ihr Verhalten an ihrer Verfolgung selbst
schuld sind, dem sekundären Antisemitismus zugerechnet.
27| ebenda