Dresden. Im schwarz-roten Bündnis gibt es Zoff wegen der Flüchtlingspolitik. Die SPD ist sauer auf den großen Koalitionspartner, weil dieser beim Thema Asyl vor allem auf Unterbringung setze, die Integration komme dabei zu kurz. „Wenn wir jetzt nicht in Größenordnungen in Integration investieren, dann werden wir das Scheitern jahrelang spüren“, sagt SPD-Fraktionschef Dirk Panter. Es könne nicht sein, dassweiter gezaudert werde, das werde sich sonst rächen. „Sachsen kann mehr Zuzug verkraften, aber nicht noch mehr Zögern“, so Panter.
Anlass für den koalitionsinternen Streit ist die Tatsache, dass die zuvor verabredeten 150 zusätzlichen Stellen in der Zentralen Aufnahmestelle (ZAS) gestern im Haushalts- und Finanzausschuss abgesegnet wurden. Diese Stellen gehören zum Bereich von Innenminister Markus Ulbig (CDU). Auch die SPD hält diesen Zuwachs für die Erstaufnahme von Asylbewerbern für richtig und notwendig. Sie ärgert halt nur, dass der CDU-Mann mehr Stellen erhält, Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) aber nicht. Auch Köpping sieht einen Mehrbedarf in ihrem Bereich, die Rede ist von rund zehn Stellen für Integration.
Hier setzt Panter an. „Kleingeistige Knausrigkeit hilft uns nicht weiter“, meint er. Bereits im Vorfeld habe sich gezeigt, wohin das führe. „Sachsen hat das Thema Asyl und Unterbringung lange Zeit verpennt. Langsam klappt es besser, aber wir bezahlen bei der Akzeptanz aktuell einen hohen Preis.“ Das solle sich nicht beim Thema Integration wiederholen. Nun gehe es darum, noch bis Ende des Jahres ein groß angelegtes Integrationspaket auf den Weg zu bringen, allerdings eines mit Substanz. Zwingend notwendig sei, dass dieses Paket auch mehr Stellen und Geld enthalte.
Der CDU geht das gegen den Strich. „Über Integration muss man später reden“, sagt CDU-Fraktionsmanager Christian Piwarz. Derzeit sei das Thema Unterbringung zentral, dann folge der nächste Schritt. „Es bringt doch nichts, berechtigte Forderungen gegeneinander aufzurechnen“, kontert auch CDU-Innenpolitiker Christian Hartmann. Köpping müsse ein Integrationskonzept mit ihrem Mehrbedarf an Stellen auf den Tisch legen, wie das Ulbig im Falle der150 ZAS-Stellen auch getan habe. Dann könne man darüber reden, vorher nicht.
Dresden. Ihre Wahl gilt als ausgemacht: Daniela Kolbe (35) wird am Sonnabend neue sächsische SPD-Generalsekretärin. Parteichef Martin Dulig hat die Bundestagsabgeordnete aus Leipzig als Nachfolgerin von Dirk Panter für den Posten vorgeschlagen. Im Interview sagt die junge Mutter, wie sie künftig die Arbeit zwischen Berlin, Leipzig und Dresden organisieren will und teilt schon mal in Richtung CDU aus.
Ihre Partei stagniert bei 12 Prozent. Wie bitter nötig hat die SPD ein neues Gesicht, das Sie nun werden?
Es stimmt, wir sind derjenige Landesverband, bei dem tatsächlich noch sehr viel Luft nach oben ist – doch ich sehe das als Ansporn. Natürlich erwartet man von uns, dass wir deutlich zulegen und uns stabilisieren. Dafür ist es wichtig, dass die SPD in der Landesregierung sichtbar ist. Im Koalitionsvertrag haben wir bereits einiges durchgesetzt, zum Beispiel bei den Themen Lehrer, Kitas und Polizei. Und wir haben auf Integration – mit einem eigenen Ministerium – gedrungen, als noch niemand von der heutigen Flüchtlingsthematik gesprochen hat.
Verkauft die SPD ihre Themen nur zu schlecht?
Es ist wichtig, dass die SPD Sachsen auffällt – dafür will ich ja Generalsekretärin werden. Es geht darum, die SPD stärker herauszuheben und nicht nur als kleiner Teil der sächsischen Landesregierung dazustehen. Unsere Minister machen ihre Sache sehr gut, nur eben mit weniger Geräuschen als manche Kabinettskollegen. Wenn ich nur mal die beiden Minister vergleiche, die momentan in der Asylpolitik an vorderster Stelle stehen, Innenminister Ulbig von der CDU und Petra Köpping als Integrationsministerin von unserer Seite, dann verdient Petra Köpping eindeutig die besseren Noten für ihre konstant gute Politik. Für uns ist Integration ein zentrales Thema – und das nicht erst seit diesem Jahr.
Haben es die klassischen SPD-Themen – Arbeit, Soziales, Bildung – im Angesicht der aktuellen Asyldebatte schwieriger als früher?
Das ist vielleicht das Fatale: Es laufen viele gute und wichtige Sachen parallel, etwa die Fachkräfteallianz, die Martin Dulig vorantreibt, oder auch das Thema Braunkohle – die allerdings überdeckt werden. Es ist aber ganz natürlich, dass das Thema Flüchtlinge aktuell an Nummer Eins steht.
Apropos Martin Dulig: Ihr Landesvorsitzender hat zuletzt eine heftige Asyl-Debatte innerhalb der SPD entfacht. Wie sehen Sie das Grummeln an der Parteibasis – und wie wollen Sie als Generalsekretärin beschwichtigen?
Es stimmt, wir haben eine lebendige Diskussion zu diesem Thema. Dieses Reiben und auch Streiten gehört sich für eine sozialdemokratische Partei. Ich wünsche mir, dass in der Sache hart gerungen wird – aber stets fair und respektvoll. Auch beim Parteitag wird es zu diesen Auseinandersetzungen kommen. Was die Willkommenskultur und die Integration der Menschen angeht, gibt es dagegen keine zwei Meinungen, da stehen wir geschlossen. Diejenigen Menschen, die jetzt da sind, müssen wir rasch integrieren. Dabei geht es auch um mehr Geld für Sprachkurse, für die ersten Schritte auf dem Arbeitsmarkt, für die soziale Betreuung.
Die Forderungen sind nicht ganz neu, doch irgendwoher muss das Geld kommen.
Sachsen steht sehr gut da. Der entscheidende Punkt ist: Wenn wir jetzt den Fehler machen und an der Integration sparen, wird sich das später rächen. Man muss nur auf die Gastarbeiter oder die frühere Asylpolitik schauen – hier wurden sehr viele Fehler begangen, die wir nicht wiederholen dürfen. Das heißt, wir dürfen jetzt nicht an der falschen Stelle sparen. Gleichzeitig darf all das nicht zu Lasten der einheimischen Bevölkerung gehen und es darf nicht an anderer Stelle gekürzt werden. Wenn wir die Flüchtlinge zum Beispiel gegen die Langzeitarbeitslosen ausspielen, würde dies das Klima vergiften. Darin liegt ein gesellschaftlicher Sprengstoff, den wir nicht unterschätzen dürfen.
Ab Sonnabend werden Sie SPD-Generalsekretärin von Sachsen sein, dazu kommen Verpflichtungen als Bundestagsabgeordnete in Berlin und Leipzig. Wie wollen Sie das alles unter einen Hut bekommen?
Ich bin da sehr optimistisch. Thematisch ergänzt sich bereits vieles. Was mein Baby anbelangt, kann ich auf ein gutes familiäres Netzwerk zurückgreifen und teste nun selbst die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Kind wird ein halbes Jahr mit mir unterwegs sein, wobei mich meine Mutter unterstützt, danach wird mein Lebenspartner die Hälfte der Elternzeit übernehmen. Das verstehe ich unter geschlechtergerechter Arbeitsteilung. Insgesamt wird es aber so sein, dass ich mich mehr auf Sachsen konzentrieren und auch häufiger in Dresden präsent sein werde. In Berlin war ich sehr umtriebig, da muss ich demnächst etwas Kraft herausnehmen und einige Abstriche machen.
Auch wenn Sie politisch bislang sehr aktiv waren – als Lautsprecherin sind Sie bislang nicht bekannt. Werden Sie in Zukunft als Generalsekretärin bissiger werden müssen, wie man das von Kollegen kennt?
Wenn es nötig ist, kann ich auf den Tisch hauen. Richtig ist aber auch, dass ich nicht diejenige bin, die zu verbalen Extremen neigt und Schlagzeilen um jeden Preis produzieren muss. Eine gute Generalsekretärin zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie immer nur hackt und beißt. Ich habe eine klare Meinung und kann integrieren – das ist der entscheidende Punkt. Und auch darauf kommt es in der großen Koalition an: Einerseits zusammenzuarbeiten und andererseits deutlich zu machen, dass die CDU nicht unser bester Freund ist, sondern es auch einiges zu mosern und zu meckern gibt. Wenn ich nur an die Ausfälle einiger CDU-Abgeordneter beim Thema Asyl denke, habe ich den Eindruck, dass es da gewaltige Integrationshindernisse gibt.
Eine Ihrer Ansagen lautet, dass sich die SPD nach links öffnen soll. Braucht es eine Machtoption jenseits der Union?
Demokratische Parteien sollten generell miteinander koalieren können. Eine Ausnahme würde ich nur bei solchen mit rassistischen Anklängen machen. Für die sächsische SPD stellt sich die Koalitionsfrage aber aktuell nicht. Dazu gibt es in unserem Koalitionsvertrag noch zu vieles, das wir umsetzen wollen – und gewählt wird erst 2019.
Interview: Andreas Debski
Daniela Kolbe (35) stammt aus dem thüringischen Schleiz und hat Physik in Leipzig studiert, wo sie heute noch mit ihrem Lebenspartner, einem Journalisten, und der sechs Wochen jungen Tochter lebt. Während des Studiums war sie Leipziger Juso-Vorsitzende und Stadtverbands-Vize. Seit 2014 ist sie Beisitzerin im SPD-Landesvorstand. Darüber hinaus engagiert sich Daniela Kolbe in zahlreichen Initiativen, zum Beispiel im Netzwerk für Demokratie und Courage gegen Rechtsextremismus. Nach dem Studium arbeitete die Physikerin zunächst beim Herbert-Wehner-Bildungswerk in Dresden und beim Verein Arbeit und Leben Sachsen.
2009 wurde Kolbe in den Bundestag gewählt, wo sie Sprecherin der ostdeutschen SPD-Abgeordneten und Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales ist. Zudem ist sie stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung.
Daniela Kolbe (35) stammt aus dem thüringischen Schleiz und hat in Leipzig Physik studiert, wo sie heute noch mit ihrem Lebenspartner, einem Journalisten, und der sechs Wochen jungen Tochter lebt. Politisch hat sie sich bereits während des Studiums engagiert, war unter anderem Leipziger Juso-Vorsitzende und Stadtverbands-Vize. Seit 2014 ist sie Beisitzerin im SPD-Landesvorstand. Darüber hinaus engagiert sich Daniela Kolbe in zahlreichen Initiativen, zum Beispiel im Netzwerk für Demokratie und Courage gegen Rechtsextremismus und in der Bürgerinitiative „Leipzig braucht ein Sozialticket“.