Sitzblockaden vor Flüchtlingsbussen in Freiberg - Drei Polizisten verletzt

Erstveröffentlicht: 
26.10.2015

Mit einem Großaufgebot hat die Polizei gestern Abend die Ankunft von etwa 700 Flüchtlingen am Freiberger Bahnhof abgesichert. Etwa 400 Asylgegner und rund 50 Befürworter der Willkommenskultur galt es, im Zaum zu halten.

 

Freiberg. Die Ankunft des zweiten Sonderzuges mit Flüchtlingen hat gestern Abend rund um den Freiberger Bahnhof für einen Ausnahmezustand gesorgt. Mehrere Stunden lang mussten rund 200 Einsatzkräfte von Landes- und Bundespolizei zwei gegnerische Gruppierungen voneinander trennen, um tätliche Auseinandersetzungen zu verhindern.

 

Außerdem galt es, Sitzblockaden aufzulösen, die Asylgegner immer wieder bildeten, um die Abfahrt der Sonderbusse zu verhindern, die die Flüchtlinge nach Dresden und Leipzig bringen sollten. Dabei mussten die Einsatzkräfte nach eigenen Angaben unmittelbaren Zwang anwenden, in einem Fall Pfefferspray und Winkelschlagstock einsetzen. Drei Polizisten wurden verletzt.

 

Da Angriffe auf die im Verlaufe der Abendstunden insgesamt 13 mit Flüchtlingen besetzten Busse nicht ausgeschlossen werden konnten, begleitete die Polizei die Busse aus Freiberg heraus. Dabei wurden die Konvois aus Bussen, Polizei- sowie DRK-Fahrzeugen beworfen. Ein Polizeifahrzeug wurde beschädigt. Die Polizei erstellte nach eigenen Angaben acht Strafanzeigen, u.a. wegen Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.

 

Der Sonderzug war kurz nach 18 Uhr aus Richtung Dresden eingefahren. In den Abteilen saßen etwa 700 Flüchtlinge. Alleinreisende junge Männer ebenso wie Familien mit Kindern. Einige von ihnen trugen kleine Rucksäcke, andere Plastetüten, manche kamen völlig ohne Gepäck. "Wir sind aus Syrien, aus Damaskus", sagte ein junger Mann. Ein Älterer zeigte auf seinen Mund und signalisierte, dass er Durst habe. Laut einer Vertreterin der Landesdirektion hätten die Flüchtlinge im Zug Wasser bekommen. In ihren Unterkünften würden sie wieder versorgt.

 

In Freiberg sollten keine der Ankommenden bleiben, auch in Mittelsachsen nicht, sagte Steffen Kräher, Abteilungsleiter beim Landratsamt.

 

Etwa 50 Befürworter der Willkommenskultur hatten ihre Demonstration bei der Behörde offiziell angemeldet und auch einen Versammlungsleiter gestellt. Das war bei der Gegenseite nicht der Fall, betonte Steffen Kräher. Diese Gruppe, der offensichtlich Rechtsorientierte angehörten, aber auch Asylgegner aus der Bürgerschaft, wuchs stündlich an. Zuletzt war von etwa 400 Menschen die Rede. Mit Rufen "Ausländer raus" und "Wir sind das Volk" brachten sie ihre Meinung zum Ausdruck. Die Asylbefürworter hingegen riefen auf Englisch "Refuges welcome" ("Flüchtlinge willkommen"). Ein Busfahrer aus Düsseldorf betrachtete das Treiben kopfschüttelnd: "Erst standen die Leute mit Plüschtieren für die Flüchtlingskinder an den Bahnhöfen, jetzt so was", sagte er.

 

Unterdessen kümmerte sich ein Großaufgebot an Rettungssanitätern und Ärzten um medizinische Notfälle im Zug. Eine Mutter von drei jugendlichen Kindern musste im Rettungswagen versorgt werden. Sie bekam eine Infusion. Einem vier Monate alten Baby ging es so schlecht, dass extra in einem Zugabteil eine provisorische Krankenstation eingerichtet wurde. Eine junge schwangere Frau verzog schmerzhaft das Gesicht. Sie kam auf eine Trage, wurde in warme Decken gehüllt und wurde in einen Krankenwagen verlegt. "Wir entscheiden jeweils im Einzelfall, ob wir die Kranken mit dem Bus mitfahren lassen können oder ob sie ins Krankenhaus gebracht werden müssen", sagte Jana Lützner, Referatsleiterin Brandschutz, Rettungsdienst, Katastrophenschutz im Landratsamt. Auch das Team von zunächst rund 25 DRK-Helfern musste aufgestockt werden - um die Ankommenden zu versorgen, aber auch wegen der explosiven Lage vor dem Bahnhof. Ein Führungsstab für die Sanitäter wurde spontan vor Ort gebildet, um eine handlungsfähige Einsatzgruppe aufzubauen. Mit dieser Dimension habe man zunächst nicht gerechnet, sagte Lützner.

 

Bei der Ankunft des ersten Sonderzuges am 11. Oktober in Freiberg hatten lediglich Dutzende Schaulustige vorm Bahnhof gestanden. Die Szene blieb weitgehend friedlich. Davon konnte gestern keine Rede mehr sein.