Nun auch baskischer Internationalismus auf der Anklagebank

Walter Wendelin

Fünf baskische Internationalisten, darunter ein deutscher Staatsbürger, sollen für ihre Solidaritätsarbeit in Spanien zu langen Haftstrafen verurteilt und ihre Organisation soll verboten werden. Spanien geht weiter nicht nur auf den einseitigen Friedensprozess ein, behindert die Entwaffnung der ETA weiter, die vor vier Jahren den Kampf eingestellt hat und dreht sogar immer stärker an der Repressionsschraube

 

 Am Montag begann der Prozess gegen fünf fünf Führungsmitglieder - darunter der Deutsche Walter Wendelin - das baskischen Internationalismusorgansisation   Askapena (Befreiung), die 1987 entstand. Wie viele andere baskische Organisationen zuvor soll auch sie nun in Spanien verboten werden, weil sie angeblich zur Untergrundorganisation ETA gehören oder sie unterstützen soll. Es ist der immer gleiche Vorwand gegen Organisationen, die wie die ETA für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten. Geändert hat sich am repressiven Vorgehen nichts, dass die baskische Linke die ETA dazu gezwungen hat, gestern vor genau vier Jahren den Kampf definitiv einzustellen. ein Prozess gegen fünf Askapena-Führungsmitglieder,  Wir sprachen mit dem Walter Wendelin, der sich kurz zuvor auf Deutschlandreise befand und sich darüber hätte leicht dem Prozess entziehen können. Deutschland liefert keine Staatsbürger aus. Dass Spanien die Info-Reise genehmigt hat, ist eigentlich schon klar, dass niemand ernsthaft glaubt, es mit ETA-Mitgliedern zu tun zu haben. Das ist allerdings keine Garantie dafür, nicht zu einer langen Haftstrafe verurteilt zu werden. Der Vorgang ist nur einer von vielen, wie Verhaftung des Freiburgers Tomas Elgorriaga, mit dem Spanien weiter an der Repressionsschraube dreht, um nicht auf den Friedensprozess einzugehen. Erst kürzlich gab es wieder Verhaftungen, die darauf zielen, sogar die Entwaffnung der ETA zu verhindern.

 

Ist es Terrorismus, nach Morden an Gewerkschaftlern in Kolumbien zum Coca-Cola-Boykott aufzurufen, Solidaritätsbrigaden nach Kuba, in die Westsahara, Kurdistan oder Palästina zu schicken?

Für den spanischen Staat ist es dann Terrorismus, wenn ihn das stört. Unsere Solidaritäts- und Boykottkampagnen, Teilnahme an Sozialforen, gerechter Handel soll nun nach seiner Ansicht Terrorismus oder Unterstützung dafür sein. Wir sollen nicht aus einem internationalistischen Selbstverständnis heraus gearbeitet haben, sondern auf Befehl der bewaffneten Organisation ETA.

Wurden entsprechende Treffen belauscht oder Befehle der Untergrundorganisation entdeckt?

Da wir keine Beziehung zur ETA haben, haben wir auch keine Befehle von ihr erhalten. Außerdem befolgen wir keine Befehle von niemandem, nur unser Gewissen veranlasst uns zu unserer Solidaritätsarbeit. Nun sollen wir aber beweisen, dass es keine Befehle gab

Ist es nicht erstaunlich, dass Sie Ende 2010 verhaftet wurden und das Verfahren begann, als längst klar war, dass die ETA ihren Kampf einstellen würde, wie sie kurz darauf tatsächlich erklärt hat?

Im Baskenland erstaunt dies kaum. Das spanische Regime hat panische Angst vor einem wirklichen Friedensprozess. Es sehnt sich regelrecht nach dem bewaffneten Kampf der ETA, um den Status quo aufrechterhalten. Mit der Instrumentalisierung des Madrider Sondergerichts wird Terrorismus als Vorwand genutzt.

Was ist das Ziel des Verfahrens?

Es soll verhindert werden, dass wir in den verschiedenen Ländern, in denen wir arbeiten, über die Vorgänge im Baskenland berichten. Dazu geht es dem Regime darum, unsere Informationsarbeit hier im Baskenland zu unterbinden, wo wir über Verbrechen transnationaler spanischer Firmen informieren, die mit Raub und Erpressung weltweit noch mehr Profit machen wollen. Zudem soll der Bevölkerung weißgemacht werden, dass die Gefahr des „baskischen Terrorismus“ immer noch besteht und es soll jede politische Alternative der baskischen Linken verhindert werden.

Hat das Verfahren auch mit der Verweigerung jeder Teilnahme der konservativen Regierung am einseitigen Friedensprozess zu tun, wo sie sogar die Entwaffnung der ETA boykottiert?

Es ist die Bestätigung dafür. Und dazu wird klar, dass im spanischen Staat Menschenrechte, zivile, politische und demokratische Rechte - nicht nur der Bevölkerung im Baskenland – verletzt, um Privilegien und Profite der verschiedenen politischen und ökonomischen Machthaber zu sichern. Deshalb ist alles, was die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung macht, ihnen ein Dorn im Auge, und somit auch unsere internationalistische Solidarität.  

Wie verteidigt ihr euch?

Juristisch können wir uns kaum verteidigen, denn es gibt weder Opfer noch ein wirkliches Verbrechen. In solchen politischen Prozessen muss der Angeschuldigte gegen jedes Recht die Unwahrheit der Anklage  beweisen. Deswegen kann unsere Verteidigung nur eine politische, öffentliche Verteidigung außerhalb des Gerichts sein. Wir haben auch mehr als 40 Bürgerprozesse gegen den spanischen Staat abgehalten und ihn für seine Verbrechen und Völkermorde in den letzten 500 Jahren verurteilt. Dies wird kaum positiven Einfluss auf unseren Prozess haben. Wir hoffen aber, dass unser politischer Angriff und die Mobilisierung helfen werden, endlich zu beenden, dass die Justiz und die Polizei für politische Ziele sowie für den Wahlkampf der Regierungs- und Oppositionsparteien missbraucht werden. So können wir den etwa 200 Menschen helfen, die noch von ähnlichen Anklagen betroffen sind.

 

© Ralf Streck, den 16.10.2015