Ortschaftsräte schreiben an Tillich

Erstveröffentlicht: 
17.10.2015

Dölziger Kommunalpolitiker kritisieren Vorgehen der Landesregierung beim Thema Asylbewerber

 

VON OLAF BARTH


Dölzig. Wie das Landratsamt Nordsachsen auf LVZ-Nachfrage diese Woche mitteilte, ziehen ab nächste Woche nun auch im ehemaligen Dölziger Hotel Magnet die ersten der dort geplanten 60 Asylbewerber ein. Das Haus im Gewerbegebiet Westringstraße befindet sich nur wenige Meter entfernt von der vom Freistaat bereits eingerichteten Erstaufnahmeeinrichtung für, laut Landesdirektion Sachsen, bis zu 700 Asylbewerber und Flüchtlinge (die LVZ berichtete).


Während das Landratsamt allerdings bereits im vorigen Jahr begann, die Öffentlichkeit über seine Pläne zu informieren, wurden die Dölziger mit der Einrichtung des Freistaates ohne jegliche Informationen vor vollendete Tatsachen gestellt. Und genau diese Art der Informationspolitik hatte auch die Ortschaftsräte des rund 1800 Einwohner zählenden Dorfes auf die Palme gebracht, sodass sie jetzt einen offenen Brief an Sachsens Ministerpräsidenten Stanislaw Tillisch (CDU) schrieben. "Empört sind wir über die Arroganz der Behörden bis auf Landesebene und deren Unfähigkeit, einfachste Regeln des politischen Miteinanders zu beachten", heißt es darin unter anderem. Und weiter: "Es ist in keiner Weise entschuldbar, dass das Finanzministerium in Gestalt des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) in einem kleinen Ort mit dörflichem Charakter Immobilien zur Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung erwirbt und weder die Stadt noch die Stadträte über diese Absicht informiert. ... Der Frust der Menschen über diese Desinformationspolitik war und ist enorm. Aber im Gegensatz zu Ihnen und Ihren Behördenmitarbeitern müssen wir uns den Menschen tagtäglich stellen. Wir müssen uns direkt und unmittelbar den Fragen, Ängsten und manchmal auch Anfeindungen unserer Einwohner stellen. Wir müssen hilflos mit ansehen, wie einzelne Gewerbetreibende im betroffenen Gewerbegebiet zwischen die Räder ministerialer Bürokratie geraten und ohne Aussicht auf Hilfe oder Entschädigung in den Ruin getrieben werden. ... Mit einer solchen Vorgehensweise, Herr Ministerpräsident, zerstören Sie die Grundlagen der Demokratie."


Es schließen sich Fragen etwa bezüglich der Unterstützung des Freistaates für Kommunen mit großen Flüchtlingsheimen und der Errichtung der nötigen sozialen Infrastruktur an. Das Schreiben war vergangene Woche während der Ortschaftsratssitzung in Anwesenheit zahlreicher Bürger verlesen worden. Ortschaftsrätin Katrin Sachsenröder: "Wir wollen aufgrund der aktuellen Situation mit dem Brief darauf aufmerksam machen, wie mit dem Ort und uns als hier ansässige Kommunalpolitiker umgegangen wird." Es gehe nicht darum, irgendetwas verhindern oder abschaffen zu wollen, denn solche Forderungen würden an der Realität vorbeigehen. "Die Politiker in Dresden sollen merken, welche Sorgen und Ängste es gibt, die an uns herangetragen werden. In dem Sinn hoffen wir auch auf entsprechende Antworten", sagte die 47-Jährige. Tillich solle die deutlichen Worte nicht nur zur Kenntnis, sondern sich auch zu Herzen nehmen. "Wir erwarten, dass Sie Ihre Behörden für einen angemessenen Umgang mit den Bürgern und deren gewählten Volksvertretern sensibilisieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich bei den nächsten Wahlen nicht mehr genügend Menschen finden, die bereit sind, ihre Freizeit für erlebbare Demokratie und Bürgernähe in den Kommunen zu opfern", heißt es abschließend in dem Brief.


Inzwischen ist das Schreiben im Ministerpräsidentenbüro eingegangen. "Der Brief liegt den zuständigen Fachkollegen zur Bearbeitung vor. DenAntwortbrief wird der Ministerpräsident an den Ortschaftsrat Dölzig senden", teilte gestern die stellvertretende Regierungssprecherin Lea Mock auf LVZ-Anfrage mit.