Es ist der Traum eines jeden Arbeitgebers. Ein fleißiger und billiger Arbeitnehmer, der im besten Fall nicht mal kündigen kann. Häftlinge, die in Justizvollzugsanstalten arbeiten, verdienen oft gerade mal ein paar Euro am Tag. Von Mindestlohn können sie nur träumen. Darum ist seit Beginn des Jahres eine Gruppe von Häftlingen und Ex-Häftlingen als Gefangenen-Gewerkschaft deutschlandweit aktiv, auch in Thüringen. Was fordern sie? Wie legitim ist die Gewerkschaft?
Ein Beispiel: Die neue Jugendstrafanstalt in Arnstadt ist mit Möbeln ausgestattet, die Häftlinge der JVA Tonna hergestellt haben. Und dafür bekommen sie Geld. Viel zu wenig, sagt Oliver Rast. Er ist der Sprecher einer Organisation, die sich Gefangenengewerkschaft nennt. Rast:
"Einer unserer zentralen Ansatzpunkte ist, darauf hinzuwirken, dass inhaftierte Beschäftige diesen sogenannten Arbeitnehmerstatus erlangen. Das wird ihnen ja verwehrt. Der Hintergrund ist ja, dass ein staatlich sanktioniertes Lohn- und Sozialdumping stattfindet. Mit dieser Rechtfertigung, das seien ja keine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen."
Häftlinge keine Arbeitnehmer
Das ist richtig, bestätigt Sandro Witt, stellvertretender Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hessen und Thüringen. Denn ob es sich um Arbeitnehmer handelt, hängt laut Witt von der Frage ab:
"Produzieren sie denn etwas, was auf dem Markt einen Preis erzielt? Und an der Stelle hat sich das bisher immer die Frage beantwortet, dass dem nicht so ist. Sondern dass es um Resozialisierungsmaßnahmen geht und dass auch Ausbildungen gemacht werden im Gefängnis. Egal wie alt man ist, also man kann was Neues lernen, um das dann draußen anzuwenden. Insofern stellt sich die Frage nach dem Mindestlohn erstmal gar nicht."
Altersarmut droht
Auch im Mindestlohngesetz lässt sich erst einmal kein Ansatz dafür finden, dass Häftlinge einen Mindestlohn bekommen müssen. Neben der Bezahlung haben die Häftlinge eine weitere Sorge. Die Häftlinge seien vom Sozialversicherungssystem abgeschirmt, sagt Oliver Rast: "Das heißt, inhaftierte Beschäftige zahlen nicht in die Rentenkassen ein. Gerade für Langzeitinhaftierte bedeutet das, dass das nach der Haft ein direktes Ticket in die Altersarmut ist. Das ist auch aus sozialstaatlicher Sicht nicht zu tolerieren und muss entsprechend angegangen werden."
Es geht um Einzelfälle
Auch hier hält der stellvertretende Landes-DGB-Chef gegen: es komme auf den Zeitraum der Haft an. Aber generell seien Häftlinge nicht von den Sozialversicherungen ausgeschlossen, sagt Sandro Witt: "Das Problem an der Stelle ist: Die Organisation wirft Fragen auf, die Einzelfälle sind. Das muss man auch deutlich machen." Vor dem Interview hatte der stellvertretende Landeschef der DGB, Witt, noch nie von dieser Gewerkschaft gehört und findet diese Fragen hochspannend.
Handelt es sich um eine Gewerkschaft?
Ordnungspolitisch sei es aber keine Gewerkschaft, erklärt Sandro Witt: "Wenn ich es jetzt richtig einordnen soll, es ist ein Versuch sich zu organisieren. Das ist von Artikel 9, Absatz 3 Grundgesetz geschützt. Aber es ist eine Organisationsform, die noch nicht Gewerkschaft ist. Sondern es ist eine Interessensgemeinschaft." Tatsächlich gibt aber auch bei Verdi, einer DGB-Gewerkschaft, bereits Ansprechpartner für arbeitende Häftlinge. In Thüringen haben sich der Gefangenengewerkschaft eine Handvoll Häftlinge angeschlossen. In Untermaßfeld sind es 15 Inhaftierte, einige wenige in Tonna.