Rassismus im Internet So lässt sich fremdenfeindliche Hetze in sozialen Netzwerken bekämpfen

Erstveröffentlicht: 
02.09.2015

Die Online-Hetze gegenüber Flüchtlingen nimmt zurzeit ungeahnte Ausmaße an. In einem Fall wurde ein 25-Jähriger wegen eines Facebook-Kommentars nun zu 7.500 Euro Geldstrafe verurteilt. Wie die Polizei den Hasspredigern den Garaus machen will – und kann.

Es wird gehetzt, gepöbelt und zu Gewalt gegen Asylbewerber aufgerufen: Die sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Co. werden immer häufiger zu Plattformen rechten Gedankenguts. Doch die Betreiber reagieren oft langsam oder gar nicht. Gegenwind weht oftmals lediglich von anderen Usern. Auch auf der stern TV-Facebookseite posten User zu den Flüchtlingsthemen regelmäßig fremdenfeindliche Kommentare, die von der Redaktion verborgen oder gelöscht werden müssen.

 

Die Netzgemeinde schreit auf, täglich werden unzählige Postings und Kommentare gemeldet. Facebook sagt dazu: "Inhalte wie Hassrede, Aufruf zur Gewalt oder Gewaltverherrlichung verstoßen jedoch gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook und werden umgehend gelöscht", so die offizielle Stellungnahme auf die stern TV-Anfrage.

 

Und weiter "Facebook ist in hohem Grad selbstreguliert. Das bedeutet, dass Nutzer Inhalte selbst melden können, die sie als bedenklich oder anstößig empfinden. Jede Meldung wird vom Community Operations Team geprüft - in der jeweiligen Sprache. Anschließend wird eine passende Maßnahme ergriffen."  Dies passiert jedoch viel zu selten und zu langsam. Bundesjustizminister Heiko Maas hat Facebook nun aufgefordert, entschieden gegen rassistische Posts und Kommentare vorzugehen und diese zu unterbinden.

 

Volksverhetzung wird strafrechtlich verfolgt

Es geht jedoch nicht allein um das Löschen entsprechender Kommentare, sondern auch um die Verfolgung von Tätern, die eindeutig volksverhetzende Kommentare posten. Polizei und Staatsanwaltschaften greifen auch im Internet inzwischen mit Härte durch: Wer menschenverachtende und rassistische Parolen im Netz verbreitet, muss mit empfindlichen Strafen rechnen.

 

stern TV hat den Studenten Simon L. in Süddeutschland getroffen. Wenn er nicht gerade in der Uni ist, geht er im Internet auf Jagd nach rassistischen Hetz-Kommentaren, die er der Polizei melden kann. "Ich sehe das nicht als Hobby, sondern als eine Form, wie man Flüchtlingen in Deutschland helfen kann", sagt L. "Und ich selbst träume von einem demokratischen, europäischen Deutschland, und nicht von einem, das im Stechschritt und Pickelhaube rumläuft. Das ist eine gut Möglichkeit sich zu beteiligen."

Simon L. tauscht sich mit 12 Mitstreitern in der geschlossenen Facebook-Gruppe "Nazigeplapper verhindern" aus. Ihr jüngster Erfolg: Die Verurteilung des Berliners Patrick H., der unter anderem bei Facebook folgenden Kommentar postete: Ick bin dafür, dass wir die Gaskammern wieder öffnen und die ganze Brut da reinstecken. Dann ab in den Ofen, zu mehr ist dieses Pack nicht zu gebrauchen. Kein Wunder, dass man da Hakenkreuze in den Augen hat!!! Der 34-Jährige Berliner wurde zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro verurteilt. In Bayern muss ein 25-Jähriger sogar 7.500 Euro Strafe zahlen.

Konkrete Hinweise machen eine Verurteilung wahrscheinlicher

Vergangene Woche erstickten 71 Flüchtlinge in einem LKW in Österreich. Ein Drama, das unzählige Menschen erschütterte. Wenig später tauchten widerwärtige, Menschen verachtende Posts im Netz zu dem Unglück auf. Von "Gammelfleisch" war die Rede, "Dreck" oder "Klumpen" – ganz klar Kommentare, die strafrechtlich relevant sind. Noch fühlen sich viele User in der vermeintlichen Netzanonymität sicher.

"Das ist allerdings ein großer Trugschluss, weil wir natürlich in vielen Fällen relativ leicht auch in der Vergangenheit die dahinterstehenden Personen ermitteln konnten, und es auch entsprechende strafrechtliche Verurteilungen gegeben hat", so Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.
Simon L. und einer seiner Kumpels bereiten derweil die nächste Anzeige vor. Von einem gewissen Heinz V. fanden sie diesen Kommentar: Sorry, ich habe erfahren, dass wir noch mehr Asylanten aufnehmen können. Bergen-Belsen, Buchenwald und Dachau sind seit 70 Jahren schon leer. Damit die Anzeige Erfolg hat, suchen die beiden Aktivisten im Netz nach weiteren Informationen zu der betreffenden Person – umso größer ist die Chance auf eine Verurteilung. Sie finden Fotos, Hinweise auf den Wohnort, den Abschlussjahrgang in der Schule… Alles wird gesichert. Die Jungs haben insgesamt bereits 150 Hetzer bei der Polizei gemeldet.

"Bei der Rückverfolgung des Einzelnen muss Facebook natürlich mithelfen", sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke. "Die Ermittler können die IP-Adresse des Absenders dort anfordern." Dabei sei jedoch schnelles Handeln wichtig, um den Tätern auf die Spur zu kommen. "Die IP-Adressen werden in Deutschland aber in der Regel nur  sieben Tage gespeichert und so schnell kommt kaum ein Staatsanwalt an die Adresse. Deshalb versanden so viele Verfahren."

Dennoch werden viele Anzeigen und Hinweise aus der Netzgemeinde derzeit von der Polizei verfolgt.