Anschlag auf Soldaten-Transporter

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Erstveröffentlicht: 
30.12.2009
In einer Nacht wurden 23 Busse und drei Autos zerstört. Die Polizei gerät weiter unter Druck
Sabine Rennefanz, Eva Dorothee Schmid
Es war kein guter Tag für die Ermittlungsbehörden. Morgens mussten sie eine neue Serie von Zerstörung an Gebäuden und Fahrzeugen zur Kenntnis nehmen, abends erlitten sie eine neue Schlappe vor Gericht. Der einzige Verdächtige, der wegen versuchter Brandstiftung in U-Haft saß, wurde am Nachmittag freigelassen, sein Haftbefehl aufgehoben.
In der Nacht zum Dienstag wurden 23 Busse zertrümmert, drei Autos sowie ein Lkw zerstört. Außerdem wurde auf den Eingang des Jobcenters Lichtenberg ein Brandanschlag verübt.
Zuvor hatte Polizeipräsident Dieter Glietsch mitgeteilt, dass sich die Zahl der von Linksextremisten verübten Straftaten im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr bereits verdoppelt habe. 2008 waren es noch 680 solche Taten, die die Polizei registrierte, darunter 165 Gewaltdelikte. 2009 zählte die Polizei bereits 188 politisch motivierte Brandanschläge, die als Gewaltdelikte zählen, davon 144 auf Autos. Oft fällt es jedoch schwer, festzustellen, ob Anschläge politisch motiviert sind.
Auch bei der jüngsten Zerstörungsserie fehlen bislang Bekennerschreiben. Mitarbeiter der Dr. Herrmann Touristik GmbH entdeckten am Dienstagmorgen, dass in der Nacht auf dem Werksgelände in Johannisthal die Scheiben von 23 Bussen des Unternehmens zertrümmert worden waren. Darunter waren Reisebusse, Busse, die für die BVG aber auch Kitas und Schulen im Einsatz sind, und ein Fahrschulbus.
Das Unternehmen wurde neben anderen Firmen in der linksextremen Zeitschrift Interim erwähnt, weil es Soldaten zu einem Bundeswehrgelöbnis befördert hat. Deshalb wird ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen, der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen. "Wir schließen aber auch normalen Vandalismus nicht aus", sagte Polizeisprecher Neuendorf.
Die Busfirma ist nach eigenen Angaben Mitte November vom Staatsschutz darüber informiert worden, dass das Unternehmen im Visier von linksautonomen Kreisen ist. Als Konsequenz durften Busfahrer Busse nicht mehr auf der Straße vor ihrem Haus abstellen, sondern mussten sie auf BVG-Höfe bringen. "Meine schlimmste Befürchtung war, dass sie das Gelände in Brand setzen und alles in die Luft geht", sagte der Geschäftsführer Richard Herrmann. Er geht von einem Schaden in Höhe von 60 000 Euro aus.
Gegen 4 Uhr am Dienstagmorgen verübten Unbekannte auch einen Brandanschlag auf das Jobcenter Lichtenberg. Sie warfen einen Brandsatz gegen die Eingangstür des Gebäudes in der Gotlindestraße. Dabei wurde die Glasscheibe der Tür beschädigt, ein Dichtgummi geriet in Brand. Die alarmierte Feuerwehr konnte die Flammen umgehend löschen, Menschen waren nicht in Gefahr.
Die CDU nutzte die Anschläge zur Verschärfung der Rhetorik. Der innenpolitische Sprecher, Robbin Juhnke sieht in den Anschlägen eine "große Bedrohung für unsere Stadt". Die CDU will die "unfassbare Serie der Zerstörung" mit einem Runden Tisch mit Experten von Polizei, Staatsschutz und Extremismusforschern beenden. Der Senat will keinen Runden Tisch einrichten. Das bringe nichts, heißt es von der Regierung.
Gleichzeitig wächst die Nervosität bei den Ermittlungsbehörden. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hatte die Täter als Terroristen bezeichnet und gefordert, dass der Generalbundesanwalt sich einschaltet. Karlsruhe hatte dies abgelehnt.
"Den Tätern ist bislang keine Organisationsstruktur nachzuweisen, deswegen wäre die Anwendung von Anti-Terrorgesetzen höchst spekulativ", sagt Sören Hilbrans, Strafverteidiger in Berlin. Er sieht dennoch eine neue Dimension in der Debatte. Mit dem Vergleich zum Terrorismus könne die Öffentlichkeit auf ein verschärftes Vorgehen von Justiz und Polizei vorbereitet werden. Hilbrans fürchtet, dass damit auch der Weg zu einer verschärften Überwachung freigemacht werden soll, mit Rasterfahndung und Telefonüberwachung. "Es könnte darauf hinauslaufen, dass die linke Szene einmal mehr in weiten Teilen komplett durchleuchtet wird."
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Glücklose Ermittler
Im Fall von Tobias P. wurde der Haftbefehl gestern nach 42 Tagen aufgehoben, weil kein dringender Tatverdacht bestand. Der linke Aktivist war Mitte November festgenommen worden, weil man ihn verdächtigt hatte, zwei Autos in Friedrichshain angesteckt zu haben. Bei ihm wurde Feuerzeugbenzin und Reizgas gefunden. Doch in mehreren Gutachten konnte keine Verbindung zum Tatort festgestellt werden.
Der junge Mann aus Lichtenberg ist der dritte Verdächtige, der freigelassen wurde. Das Verfahren gegen die 21-jährige Alexandra R. endete im Herbst mit Freispruch, der Prozess gegen den 23-jährigen Christoph T. wurde ausgesetzt. In beiden Fällen galten die Beweise als zu schwach.