Sowohl in Zossen (Landkreis Teltow-Fläming), als auch in Kloster Lehnin Ortsteil Damsdorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark) haben dutzende Menschen heute gegen Kundgebungen der neonazistischen Kleinstpartei „Der dritte Weg“ protestiert. Die Neonazis hatten die Orte offenbar absichtlich ausgewählt, da dort größere Flüchtlingsunterkünfte entstehen sollen. Bei so genannten „Einwohnerversammlungen“ war es sowohl in Zossen, als auch in Damsdorf zu Unmutsbekundungen von „besorgten“ Bürger_innen bezüglich der Unterbringung von Asylsuchenden gekommen. Andererseits gibt es in beiden Orten aber auch aktive zivilgesellschaftliche Initiativen, die um eine Willkommenskultur bemüht sind und sich, wie im Fall der heutigen Proteste gegen den „dritten Weg“, ebenfalls gegen neonazistische und rassistische Tendenzen in der Gesellschaft engagieren.
Zossen zeigte Gesicht
Der Auftakt zur Kundgebungstour des „dritten Weges“ fand in der ehemaligen Kreisstadt Zossen statt. Dort hatten sich ab 10.00 Uhr ungefähr 50 Neonazis unter dem Motto „Ausländerstopp – für Zukunft deutscher Familien“ auf dem Marktplatz versammelt. Die Teilnehmer_innen dieser Veranstaltung waren dazu aus dem gesamten Land Brandenburg, u.a. aus Potsdam, Frankfurt (Oder), Potsdam-Mittelmark, Havelland, Oberhavel, Barnim, Märkisch-Oderland und Oder Spree, sowie aus Sachsen und Bayern angereist. Auch einige Funktionäre und Sympathisant_innen der NPD, der „Europäischen Aktion“ und der RECHTEn sowie ein bekannter Holocaustleugner waren darunter. Hauptakteur war einmal mehr Maik Eminger vom „dritten Weg“, der auch eine Rede hielt. Weitere Redebeiträge kamen von Manuela Kokott (NPD), Björn Brusak (Europäische Aktion) sowie Manuel Schmidt und Karl Heinz Statzberger (beide vom „dritten Weg“). Letzt genannter, ein verurteilter Naziterrorist aus München, rief u.a. in seiner Rede dazu auf „jede Stadt und jedes Dorf zu Freital“ zu machen. In Freital (Sachsen) kommt es seit Wochen immer wieder zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen durch Neonazis und Rassist_innen.
Daran hatte ein Großteil von Zossens Bürger_innen aber offensichtlich kein Interesse. Zu einer Protestversammlung gegen die Neonazikundgebung kamen jedenfalls ungefähr 200 Menschen. Zu dieser Veranstaltung, die ab 9.30 Uhr angemeldet war, hatte u.a. die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ aufgerufen. Solidarisch mit ihr zeigten sich aber auch Parteiverbände der LINKEn und der SPD. Gemeinsam wurde, u.a. durch Buh-Rufe, Pfiffe und Kirchengeläut, derart lautstark protestiert, dass die Beiträge der Neonaziredner_innen kaum noch zu hören waren.
Größere Zwischenfälle wurden nicht bekannt. Lediglich der Bad Belziger Neonazi Pascal S., der bei vorangegangenen Veranstaltungen öfters für den „dritten Weg“ sprach, viel an diesem Tag einmal mehr aus der Rolle. Er schlich sich in die Gegendemonstration und fotografierte dort die Teilnehmer_innen dieser Versammlungen. S. wurde aber offenbar erkannt, musste seine Personalien abgeben und erhielt einen Platzverweis für alle Veranstaltungen, sowohl in Zossen als auch später in Damsdorf.
Fortsetzung in Damsdorf
Gegen 13.30 Uhr setzte sich die Kundgebungstour des „dritten Weges“ im Kloster Lehniner Ortsteil Damsdorf fort. Dort hatten sich die Neonazis vor einer Kindertagesstätte versammelt. Im Kern handelte es sich um dieselben Versammlungsteilnehmer_innen, wie in Zossen. Lediglich einige Einzelpersonen aus dem Havelland, Oberhavel, Barnim und Märkisch-Oderland fehlten, dafür stieß jedoch noch eine Gruppe Neonazis aus Brandenburg an der Havel dazu. Insgesamt waren 40 Neonazis aufmarschiert.
Ansonsten war der Ablauf ähnlich dem in Zossen. Als Redner traten neben Schmidt, Eminger, Kokott und Brusak zusätzlich noch Matthias Fischer und Tony Gentsch vom „dritten Weg“ sowie der Fotograf dieser Partei auf.
Zu Protesten hatte kurzfristig u.a. die Initiative „Willkommen in Damsdorf“ aufgerufen. Sie wurde unterstützt von einer zivilgesellschaftlichen Initiative aus Werder (Havel) und Antifas aus Bad Belzig. An dieser Gegenveranstaltung nahmen ungefähr 30 Menschen teil. Dennoch übertönte dieser recht überschaubare Protest, durch die mitgeführten Megafone, die Redebeiträge der Neonazis.
Neonazis buhlten um die Gunst der „besorgten“ Bürger_innen
Hintergrund der neonazistischen Aktionen sind u.a. die Planungen des Landes im Zossener Ortsteil Wünsdorf, neben Eisenhüttenstadt, eine zweite Erstaufnahmestelle für Asylsuchende einzurichten. Daraufhin kam es bei einer Einwohner_versammlung zu Unmutsbekundungen durch „besorgte“ Bürger_innen und eine Initiative „Wünsdorf wehrt sich“ organisierte sich. Im Mai 2015 wurde sogar ein Brandanschlag auf die geplante Einrichtung verübt.
In Damsdorf plante der Landkreis Potsdam-Mittelmark eine Gemeinschaftsunterkunft für 600 Asylsuchende in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne. Auch hier gab es bei der Einwohner_innenversammlungen Unmutsbekundungen aufgebrachter und „besorgter“ Bürger_innen. Zu dem zeigten der „dritte Weg“ und andere neonazistische Akteure bei der Veranstaltung Präsenz.
Heute hingegen blieb der „dritte Weg“ sowohl in Zossen, als auch in Damsdorf jedoch weitgehend unter sich.
Fotos von den Nazikundgebungen und den Protesten in Zossen und Damsdorf hier:
https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157656232610139