Vor dem Hintergrund ausländerfeindlicher Proteste in Sachsen hat Ministerpräsident Stanislaw Tillich Hass und Gewalt verurteilt. "Rassismus ist eine Schande. Rassismus ist der Nährboden für Verbrechen", sagte Tillich am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Landtag. Keiner dürfe wegsehen. "Ich erwarte, dass alle im Freistaat Sachsen dem entschieden entgegentreten."
"Zutiefst traurig"
Menschen auf der Flucht vor Krieg
und Katastrophen müssten in Sachsen gut aufgenommen werden, forderte der
Regierungschef. Sie hätten Anspruch auf ein faires Asylverfahren, sagte
Tillich und fügte hinzu: "Auch die, die wir abschieben, sollen zu Hause
sagen können: 'Ich bin nach einer schwierigen Flucht in Sachsen gut
behandelt worden.'"
Die Bilder von überfüllten Booten auf dem
Mittelmeer und von Flüchtlingslagern außerhalb von Europa hätten ihn
"zutiefst traurig" gemacht, erklärte Tillich. "Wen können diese Bilder
kalt lassen?", fragte er in den Plenarsaal und erntete dafür lebhaften
Beifall. Zu den Ausschreitungen in Freital und Meißen erklärte er: "Mich
ganz persönlich machen diese Ereignisse betroffen. Sie verletzen mein
christliches Menschenbild und die gesellschaftlichen Werte, die mir
wichtig sind."
Kein Gespräch mit Rassisten
Gleichwohl habe die Staatsregierung auch Fehler begangen. "Die Kommunikation auf und zwischen den verschiedenen Ebenen der Verwaltung ist uns nicht immer gut gelungen." Einen offener Dialog zum Thema Asyl im Land sei wünschenswert. Aber dieser müsse ordentlich geführt werden. "Wer menschenfeindlich, rassistisch oder extremistisch ist, mit dem spreche ich nicht."
"Ich wünsche mir, dass wir über das Thema Asyl anständig in unserem Land diskutieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir viele Probleme lösen können, wenn wir Fragen beantworten, wenn wir Unwissenheit begegnen oder Missverständnisse beseitigen. Wir müssen uns bemühen, die Herzen der Menschen zu erreichen."
Stanislaw Tillich, Ministerpräsident Sachsen
Bei den bisherigen Dialogforen habe die Staatsregierung vor allem zugehört, so Tillich. Er lobte den Verlauf der Gespräche: "Wir konnten erklären. Wir konnten oft auch überzeugen." Die Ergebnisse aus den Dialogforen sollen in eine Demokratiekonferenz einfließen, die mit Partnern aus Österreich und der Schweiz gestaltet werden soll. Dort werde man sich über neue Formen demokratischer Prozesse Gedanken machen. Nähere Angaben machte der Ministerpräsident dazu nicht.
Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt warf Tillich im Anschluss vor, zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu lange geschwiegen zu haben. Dies sei symptomatisch für das gesamte Regierungshandeln Tillichs, sagte er. "Erst wenn der Druck so groß wird, wie aktuell in der Flüchtlingsdebatte, dann, wenn es eigentlich schon zu spät ist, dann wagt er sich aus der Deckung." Gebhardt sprach von Parallelgesellschaften, die sich unter der CDU-geführten Regierung in Sachsen gebildet hätten und die zum aufgeheizten Klima beitrügen.
Der Fraktionschef der Grünen, Volkmar Zschocke, dankte Tillich für seine "deutlichen Worte". Aber auch er bezeichnete sie als überfällig. Nach dem Brandanschlag in Meißen auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft wäre es ein Leichtes gewesen "5 Minuten auf den Markt zu kommen und wenige Worte an die Meißner Bürgerschaft zu richten", so Zschocke. Auch hätte Tillich sich gegen destruktiven Populismus aus eigenen Reihen zur Wehr setzen müssen. Zschocke bezog sich dabei auf eine Forderung von CDU-Fraktionsmitglied Alexander Krauß, Asylbewerber ohne Papiere ins Gefängnis zu schicken.
SPD: Neue Nachdenklichkeit
Koalitionspartner und SPD-Fraktionschef, Dirk Panter, lobte die "neue Nachdenklichkeit" der Staatsregierung. "Sie steht uns allen gut zu Gesicht." Sachsen habe ein Rassismus-Problem, es sei richtig, das auch auszusprechen.
AfD: Tillich muss auch mit fremdenfeindlichen Menschen sprechen
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Frauke Petry kritisierte Tillichs Aussage, nicht mit Menschen rassistischer Gesinnung sprechen zu wollen. "Man muss mit allen Bürgern sprechen, auch wenn sie schwierig sind." Ansonsten bereite man Radikalismus einen Nährboden.
Nach fast zehn Monaten anahltender Pegida-Demonstrationen in Dresden sorgten in den letzten Wochen ausländerfeindliche Proteste in Freital für bundesweites Aufsehen. In Meißen hatte es einen Brandanschlag auf ein geplantes Asylbewerberheim gegeben. Dabei war ein noch unbewohntes Zimmer komplett zerstört worden, weitere wurden in Mitleidenschaft gezogen.