CDU in Sachsen: Die Grenze zu Rechtspopulismus verwischt

Erstveröffentlicht: 
04.07.2015
CDU in SachsenDie Grenze zu Rechtspopulismus verwischt

In Sachsen steigt die Zahl der Angriffe gegen Flüchtlingsheime stärker als im Bundesdurchschnitt. Das hat auch mit der CDU dort zu tun, kommentiert Matthias Meisner vom "Tagesspiegel" für den Deutschlandfunk. Sie hat viel zu lange den Dialog mit Pegida gesucht, statt klare Kante gegen die Rassisten zu zeigen.

Von Matthias Meisner, "Der Tagesspiegel"

 

Das sächsische Städtchen Freital stand auch in dieser Woche im Zeichen von Anti-Asyl-Protesten. In der Nacht zum vergangenen Sonntag gab es im sächsischen Meißen einen Brandanschlag auf eine noch unbewohnte Flüchtlingsunterkunft. Auch in Lübeck wurde Feuer in einem Heim gelegt, bevor die ersten Asylsuchenden einziehen können.

 

In diesen Nachrichtenstrom platzierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwoch seinen Verfassungsschutzbericht. De Maizière hatte keine guten Mitteilungen: 170 Anschläge auf Flüchtlingsheime im vergangenen Jahr, 150 in der ersten Hälfte dieses Jahres. Gezählt werden nur die mit rechtsextremistischem Motiv. Wenn etwa ein Nachbar ein Heim ansteckt, weil ihm die Flüchtlinge zu laut erscheinen, fällt das nicht in die Statistik der Verfassungsschützer. Absurd.

 

Sprengstoffanschlag, Körperverletzung, Volksverhetzung

 

Besonders in Sachsen steigt die Zahl der Angriffe gegen Flüchtlingsheime. 31 waren es in diesem Jahr bis Mai. Der Freistaat liegt damit noch deutlich über dem ohnehin stark gestiegenen Bundesdurchschnitt. Sprengstoffanschläge, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Beleidigung und Volksverhetzung.

 

Hat das etwas mit Sachsen zu tun? Hat das mit der CDU zu tun, die dort seit 25 Jahren an der Macht ist? Ja. Sachsen ist nicht mehr das Tal der Ahnungslosen ohne Westfernsehen, in dem sich noch nicht herumgesprochen hat, dass Flüchtlinge ganz einfach willkommen geheißen werden können.

 

Sachsen, die Landeshauptstadt Dresden, ist eben auch Hochburg von Pegida. Und die Sachsen-CDU hat viel zu lange den Dialog mit der Anti-Islam-Bewegung gesucht, statt klare Kante gegen die Rassisten zu zeigen. Das betrifft den Ministerpräsidenten: Stanislaw Tillich, CDU. Den Innenminister: Markus Ulbig, CDU. Auch der Bundesinnenminister steht in besonderer Pflicht. De Maizière hat seinen Wahlkreis in Meißen. Mit 53,6 Prozent holte er 2013 das Direktmandat. Für die CDU. 

 

Union in Sachsen liefert Stichworte für Flüchtlingsgegner


Selbstverständlich hat die Union in Sachsen nicht zu Angriffen gegen Flüchtlingsheimen aufgerufen. Aber sie hat Stichworte geliefert für jene, die auf Facebook und andernorts im Internet gegen Asylbewerber hetzen wie in keinem Bundesland sonst. Und für alle, die gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen.

 

Da spricht zum Beispiel der neue Oberbürgermeister von Freital, ein CDU-Mann, im Zusammenhang mit Asylsuchenden von "Glücksrittern". Ein CDU-Landtagsabgeordneter sagt über Asylsuchende: "Wer keine Papiere hat oder seinen Namen vergessen hat, sollte sofort im Gefängnis untergebracht werden." Und was sagt der CDU-Fraktionschef in Sachsen dazu? Er sagt: Alexander Krauß hat recht.

 

Tief in diesem besonderen Sachsen-Sumpf steckt auch Sebastian Fischer, CDU-Landtagsabgeordneter aus Großenhain im Landkreis Meißen. Fischer versuchte, die AfD hoffähig zu machen. Er bot sich als Redner bei Pegida an. Einen neuen NSU-Untersuchungsausschuss im Dresdner Landtag nannte er "Beschäftigungstherapie". 

 

Abgeordneter auf rechten Facebook-Seiten unterwegs


Sebastian Fischer ist Mitglied der Facebook-Gruppe "Betroffene von Ausländerkriminalität in Sachsen" geworden. Er tat das, um dort kommentieren zu können. Jetzt befindet er sich dort im Dialog mit Ausländerfeinden und Rechtsextremisten. Diese Woche gab es im Schneeberger Asylheim Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen. Die Facebook-Seite "Betroffene von Ausländerkriminalität in Sachsen" reagierte sofort. Auf ihrer Seite erschienen Kommentare wie: "Wenn die sich gegenseitig ausrotten, kein Problem." Ein anderer postete: "Jedem das seine." Eine Frau schrieb: "Arbeit macht frei." Die CDU-Landtagsfraktion erklärt, Herr Fischer würde die Debatte in dieser Facebook-Gruppe "versachlichen".

 

Noch einmal zu De Maizière: Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes am Mittwoch sagte er, die Grenze zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus werde verwischt. Das stimmt wohl. Aber der Bundesinnenminister hat eines unterschlagen: Verwischt ist auch die Grenze zwischen CDU und Rechtspopulismus. Mindestens in Sachsen.