Ku-Klux-Klan und Verfassungsschutz: Falsche Aussagen für die Polizei

Erstveröffentlicht: 
01.07.2015

Um ihren V-Mann im KKK abzuschalten, brauchten die Geheimen 19 Monate. Dann tauchten sie ab: „Keine Erkenntnisse zum KKK im Raum Schwäbisch Hall.“

 

Stuttgart - Observationen, Telefonüberwachung, Internetauswertung – „alle nachrichtendienstlichen Mittel“ hätten Baden-Württembergs Verfassungsschützer zum Jahrtausendwechsel eingesetzt, erzählte Bettina Neumann den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses in Berlin. Die Oberregierungsrätin leitete von 1993 bis 2011 das Referat Rechtsextremismus/Auswertung des Nachrichtendienstes. Der war, erzählte die Geheime den Bundestagsrechercheuren, „damals schon ziemlich beunruhigt“.

 

Aus gutem Grund: 1998 habe ihr Dienst im Internet erste Hinweise gefunden, dass sich im Südwesten ein Ku-Klux-Klan (KKK) gebildet habe. Im Frühjahr 1999 alarmierte die Schwäbisch Haller Polizei den Verfassungsschutz: Ein Rechtsextremist fühlte sich von Kapuzenmännern bedroht – und nannte Namen der Maskierten. Auch den von Achim Schmid, der seit 1994 als V-Mann den baden-württembergischen Verfassungsschützern aus der rechten Szene berichtete.

 

Nach der Polizeimeldung aus dem Kochertal schrillten die Alarmglocken bei den Agenten in Stuttgart: „Man weiß ja, was sich dahinter verbirgt, was das ist, diese extreme antisemitische, rassistische Einstellung“, berichtete Referatsleiterin Neumann den Politikern am 18. April 2013 in Berlin. Sie versicherte: „Wir haben natürlich versucht, das Ganze weiterhin aufzuklären.“

 

Mit fragwürdigem Erfolg: Ausgerechnet Schmid, der Spitzel der Nachrichtendienstler, gründete offiziell am 1. Oktober 2000 seinen eigenen Ku-Klux-Klan in Schwäbisch Hall. Mit anderen Worten: Der von Neumann geschilderte Einsatz aller „nachrichtendienstlichen Mittel“ hatte mehr als anderthalb Jahre keine Gewissheit über das Treiben der als „nachrichtenehrlich, aber unzuverlässig“ eingestuften Vertrauensperson gebracht.

 

Der damalige LfV-Präsident, Helmut Rannacher, berichtete den NSU-Untersuchern des Bundestages gar, seine Behörde habe „eigentlich“ während der Existenz von Schmids Rassistentruppe bis zum Herbst 2002 „von keiner Seite Hinweise erhalten, dass es zu Straftaten oder gar Gewalttaten von dieser Gruppierung her gekommen ist“. Die Anzeige des sich bedroht fühlenden Rechtsextremisten verschwieg Rannacher .

 

Stattdessen erweckte er bei den Politikern den Eindruck, sein Amt habe entschlossen gehandelt, wenn es um die Kapuzenmänner ging: Als die Gründung der KKK-Sektion Schmids bekannt wurde, so beteuerte der Pensionär, sei „wenige Tage später die Abschaltung“ des V-Mannes erfolgt – 19 Monate nach dem ersten Hinweis auf Schmids KKK-Zugehörigkeit durch die Polizei.

 

Schmid gab damals in den Neonazis-Bands Höllenhunde und Celtic Moon den Frontmann

 

Nicht der einzige Fingerzeig: Am 7. September 2000 sendeten LKAler eine weitere Andeutung auf eine Klan-Gruppe an den Verfassungsschutz. Die Mitteilung enthielt fünf Namen, darunter auch wieder den Schmids.

 

Umso verwunderlicher ist der Entwurf einer E-Mail des Verfassungsschutzes vom 14. November 2001, den Referatsleiterin Neumann unterschrieb. Dem Verfassungsschutz „liegen derzeit keine Erkenntnisse zu Ku-Klux-Klan-Aktivitäten im Raum Schwäbisch Hall vor“, informierte die Geheimdienstlerin das Landeskriminalamt.

 

Deren Ermittler fragten am 18. Oktober 2001 an, was die Verfassungsschützer zu „vereinzelt aufgetauchten Hinweisen zu KKK-Aktivitäten im Raum Schwäbisch Hall“ wüssten? Dabei beschrieben sie nebenbei recht treffend den inzwischen abgeschalteten Spitzel Schmid: „Einer der Führer soll in einer Band spielen, die auch bei Veranstaltungen der rechten Szene mitmacht.“ Schmid gab damals in den Neonazis-Bands Höllenhunde und Celtic Moon den Frontmann. In einem Detail hatte ein Informant den anfragenden Polizisten Falsches berichtet: Schmids Bands hatten ihren Sitz nicht in Nürnberg, sondern in Schwäbisch Hall.

 

Clemens Binninger, Böblingens CDU-Mann im Bundestag, vertrat oft die These, der Verfassungsschutz habe mit dem KKK einen Honigtopf aufgestellt, an dem sich Rechtsextreme sammeln sollten. Es stellt sich zumindest die Frage, warum die Geheimen die Polizei nicht wahrheitsgemäß und umfassend informierten.