Filmclub Moderne Zeiten - Programm Dezember 2009 bis Februar 2010
Jeden ersten Sonntag im Monat um 19 Uhr in der Hafenvokü
Filme & Gespräche
Eintritt frei
Hamburg Hafenstrasse 116
Sonntag 06.12.2009 19 Uhr
Er tanzte das Leben – Sylvin Rubinstein |
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Sonntag 03.01.2010 19 Uhr
Der gewöhnliche Faschismus
Regie Michail Romm
Produktionsland:
Sowjetunion
Erscheinungsjahr: 1965
Länge: ca. 123 Minuten
Der Dokumentarfilm gilt als Meilenstein der Filmpublizistik. Der russische Regisseur Michail Romm versucht anhand von historischem Bildmaterial aus der Zeit des Nazi-Regimes am Phänomen des Faschismus das unmenschliche Antlitz sichtbar zu machen und den Mechanismus des Betruges an Millionen von Menschen aufzudecken. Er analysiert die Wurzeln des Faschismus und dessen verhängnisvollen Einfluss auf die menschliche Psyche.
Filmausschnitte:
Sonntag 07.02.2010 19 Uhr
Das Schweigen der Quandts
Die brauchen keinen Historiker“, sagt Carl-Adolf Soerensen in der Fernseh-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“, „die brauchen mich.“ Ihn, den Überlebenden also, einen der Letzten, der noch darüber berichten kann, was die reichste Familie Deutschlands und deren Produkte von Weltruf den Menschen alles bescherten - neben Autos von BMW, Arzneien von Altana, Babykost von Milupa, Batterien von Varta oder Karlsruher Landminen nämlich auch dies: Unrecht, Zwangsarbeit, Ausbeutung. So lautet die Essenz des Films von Eric Friedler und Barbara Siebert
+ Der Mann hinter Adenauer
Hans Maria Globke, Staatssekretär im Bundeskanzleramt von 1953 bis 1963, war die rechte Hand des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer - und mit ihm fiel von Anfang an der lange Schatten des gerade überwundenen NS-Regimes auf die junge Bundesrepublik. Denn der katholische Jurist Globke hatte eine problematische Vergangenheit, bekannt war allgemein, dass er Mitkommentator der Nürnberger Rassegesetze gewesen war und wichtige Funktionen im Reichsinnenministerium innegehabt hatte.
Filmausschnitte:
Eine kurze Erklärung, warum wir 3 Monate lang Dokumentationen zum Thema Nationalsozialismus und nationalsozialistische Kontinuitäten im Nachkriegsdeutschland zeigen.
Der erste Grund liegt in der Aussage des oft strapazierten Satzes, "wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt sie zu wiederholen" und was im Mikrokosmos der individuellen Geschichte stimmt, dass ein Mensch, der an Amnesie leidet, total manipulier- und formbar ist und alles aufsaugen wird, was man ihm vorsetzt, ist auch ein gesamtgesellschaftliches Faktum. Die totalitäre Ideologie der Nationalsozialisten, mit der sie ein ganzes Volk zu Mittätern und Komplizen ihrer in der Menschheitsgeschichte einmaligen Verbrechen gemacht haben, wirkte in der deutschen Nachkriegsgesellschaft auch weiterhin und lässt sich nicht allein durch die bis in die späten 70er zweifellos bestehenden personellen Kontinuitäten erklären.
Gibt man den Menschen in einer hochtechnisierten Massengesellschaft, in der sie als atomisierte und isolierte Wesen zwischen Millionen anderen in einem Konkurenzverhältnis aller gegen alle stehen, auf ihre Existenzängste, ihrem Bedürfnis nach menschlicher Gemeinschaft und Solidarität, nach Sicherheit, eine einfache Antwort und präsentiert einen oder mehrere "Schuldige", die das angeblich verhindern, hat man ihre "Herzen" schon auf seiner Seite.
Da wären wir auch schon beim zweiten Grund. Es ist nicht neu, dass diejenigen, die die Macht über die veröffentlichte Meinung haben, in wirtschaftlichen oder sonstigen Krisensituationen der Öffentlichkeit Sündenböcke und Problemlösungen präsentieren, die auf Kosten der Gruppen gehen, die in unserer Gesellschaft keine Macht und keine Lobby haben.
Neu ist allerdings die Vehemenz und Brutalität der Sprache, mit der so genannte "Leistungsträger" aus der Mitte der Gesellschaft, wie zuletzt Sarrazin, immer wieder Debatten lostreten, in denen ganze Bevölkerungsgruppen (Migranten, Arbeitslose, Alte, Kranke usw.) nicht nur als Schmarotzer abgestempelt werden, sondern ihnen auch konstruierte rassische, charakterliche oder genetische Eigenschaften und Mängel angedichtet werden.
Von der Frage, ob man Menschen die für den Produktionsprozess nicht mehr gebraucht werden, Unterstützungen entzieht und sie sanktioniert, zur Frage "müssen sie überhaupt noch sein" ist es, wie gerade die deutsche Geschichte zeigt, ein sehr kurzer Weg.
Das Erschreckende ist weniger, das Typen, wie z.B. Sarrazin, solche Ideologie propagieren, sondern dass diese Ideologien zunehmend nicht nur an den berüchtigten Stammtischen beklatscht werden.
Der Wunsch nach Sicherheit ist wahrscheinlich eines der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse, keiner möchte in dem Bewusstsein leben, dass seine kleine Welt morgen vielleicht auseinander bricht. Dieser Wunsch ist aber auch einer der effektivsten
Herrschaftsmechanismen, denn solange die Angst vor Veränderung größer ist als die vor einem schlechten Leben, solange kann auch der Traum von einem besseren Leben mit der Drohung eines noch schlechteren unterdrückt werden. Und wider der eigenen Erfahrung glauben die Menschen zum tausendsten mal denjenigen, die sie schon tausendmal verraten und betrogen haben.
In der Welt des globalisierten Kapitals ist der Mensch nicht mehr, als ein den Erfordernissen des kapitalistischen Produktionsprozesses angepasstes Funktionsbündel. Was höhnisch Identität genannt wird, ist die Illusion gebraucht zu werden und nicht zu jeder Zeit ersetzbar zu sein.
Die Vorstellung, dass Menschen ohne Angst und konkurrenzfrei miteinander umgehen, wird zur Utopie erklärt und der tägliche Wahnsinn, in dem jeder über den anderen herfällt, zum Naturzustand menschlichen Daseins.
"Die Anerkennung der Vergangenheit und die Beziehung zu ihr als einem Gegenwärtigen wirkt der Funktionalisierung des Denkens durch die bestehende Realität und in ihr entgegen. Sie widersetzt sich der Abriegelung des Universums von Sprache und Verhalten;
sie ermöglicht die Entfaltung von Begriffen, die das geschlossene Universum aus seiner Festigkeit lösen und überschreiten, indem sie es als geschichtliches Universum begreifen."
Herbert Marcuse