Die Demonstrationsbeobachtung Leipzig hat am 20.04.2015 die Gegenveranstaltungen zu LEGIDA, insbesondere die Refugees Welcome-Demonstration, begleitet und die sich daran anschließenden Proteste beobachtet.
Seitens LEGIDA fand eine Demonstration statt; diesmal war Protest in Hör- und Sichtweite an vereinzelten Stellen möglich. Im Übrigen waren die Gegenproteste zahlreichen Eingriffen durch die Polizei ausgesetzt. Dabei kam es auch zu massiver Gewaltanwendung.
Abgesehen von der übermäßigen Polizeipräsenz an der Spitze des Aufzuges, welche nach Aufforderung der Anmelderin verringert wurde, begann die Refugees Welcome-Demonstration ohne besondere Vorkommnisse.
Am Dittrichring kam es zu einem Versuch auf die Route des LEGIDA-Aufzuges zu gelangen. Schon hier zeigte sich die Bereitschaft der Polizei zu besonderer Härte. In Aussicht auf die Möglichkeit gegen die Protestierenden vorzugehen, ließ ein Polizist einen lauten Freudenruf verlauten. In der Folge ritten Polizist*innen auf Pferden zwischen den Teilnehmenden hindurch, Personen wurden durch den Einsatz von Reizgas verletzt und Teilnehmer*innen sowie auch ein Fotojournalist geschubst.
In selbiger Situation wurde ein Protestierender von der Polizei über die gesamte Straßenbreite geschleift. Auch nachdem die Maßnahme beendet wurde und er sich schon auf dem Bürgersteig befand, schlug ein Polizist ein weiteres Mal zu.
Nach der geordneten Fortführung der Demonstration zum Burgplatz wurde die Veranstaltung um circa 18:40 beendet.
Im Anschluss war in unmittelbarer Nähe (Hugo-Licht-Straße) eine Kundgebung (Gegen Neurechte und Verschwörungsideologien) angemeldet. Neben einigen Menschen, welche zu dieser gelangen wollten, wurde auch dem Anmelder selbst der Zugang zunächst verwehrt. Erst nach erneutem Anlauf und längerer Diskussion, Rücksprache mit den Vorgesetzten und Vorlage des Auflagenbescheids wurde zumindest der Anmelder zum Kundgebungsort durchgelassen. Erst um 18:52 Uhr gab die Polizei den Weg auch für potentielle Teilnehmende zu der ab 18:00 Uhr angemeldeten Versammlung frei.
Auch sonst errichtete die Polizei Absperrungen, die ihren Zweck nicht erkennen ließen und setzte diese aggressiv durch. Beispiel Dittrichring: Während Personen auf der Grünanlage ungehindert passieren konnten, wurde eine Person mit Fahrrad, die den Gehweg benutzen wollte, mitsamt ihres Fahrrades durch einen Polizeibeamten umgestoßen. Direkt im Anschluss wurde die Absperrung aufgelöst.
Besonders hervorzuheben sind die Ereignisse an der Kreuzung Martin-Luther-Ring/Harkortstraße. Hier setzten sich friedlich 20 bis 30 Personen auf die Straße, von denen keine Provokation oder Gefahr ausging. Ohne eine vorherige Aufforderung die Straße zu verlassen, sprühten Polizist*innen aus circa 30 cm Entfernung Pfefferspray auf die am Boden Sitzenden. Der Reizgaseinsatz dauerte mindestens zwanzig Sekunden und traf alle sitzenden Personen. Als die Verletzten am Straßenrand behandelt wurden, wurden sie durch die Beamten*innen weiter körperlich angegangen und zurückgedrängt. Auch die Presse war von den körperlichen Übergriffen betroffen.
Bei dieser Gelegenheit konnte beobachtet werden, wie ein Polizist einen Teilnehmer würgte, ihn gegen das Geländer der Straßenbahnhaltestelle presste und gleichzeitig dazu aufforderte, die Straße zu verlassen.
In dieser insgesamt unübersichtlichen Situation fuhr kurz darauf ein Beamter auf einem Motorrad mit hoher Geschwindigkeit zwischen den Teilnehmer*innen hindurch.
Später versuchten einige Personen über einen schmalen Durchgang zwischen einer Baustelle und einem Haus auf einen Parkplatz zu gelangen. Hier war keinerlei Gefährdung ersichtlich. Als sie sich in dem Gang befanden, wurden sie von Beamt*innen angeschrien und bedrängt. Dabei wurde mindestens eine Teilnehmerin so zu Fall gebracht, dass sie sich eine Platzwunde am Kopf zuzog.
Auch bei einer Sitzblockade auf dem Dittrichring kam es zur Anwendung körperlicher Gewalt. Hier wurde Demonstrierenden mit einem Schmerzgriff ins Gesicht gefasst, Hände wurden verdreht.
Anwesende Sanitäter*innen berichteten bezüglich der hier beschriebenen Situationen von mehreren Reizgasverletzungen, einem Krankenabtransport, der Kopfverletzung sowie von Verletzungen aufgrund von Tritten in den Rücken.
Lena Zeidler, Pressesprecherin der Demonstrationsbeobachtung Leipzig zeigt sich entrüstet: „Ein derartiger Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit wie bei dem Einsatz von Reizgasen am Dittrichring und das Vorgehen während der Refugees Welcome-Demonstration ist nicht hinnehmbar. Hier wurden längerfristige körperliche Schäden bei Demonstrierenden in Kauf genommen.“
Im Verlauf der Gegenproteste kam es auch zu mehreren Einzelmaßnahmen. An einer Stelle wurde eine betroffene Person ohne ersichtlichen Grund über einen Zeitraum von zwanzig Minuten an einem Polizeiwagen durch eine Beamtin fixiert. An einer anderen Stelle versuchten anwesende Personen den von einer Maßnahme Betroffenen auf seine Rechte hinzuweisen. Das beantwortete die Polizei mit einem Platzverweis und der Androhung einer Gewahrsamnahme.
Neben den hier beschriebenen Situationen kam es zu einer Gefährdung der Protestierenden durch unverantwortliches Durchfahren von Menschenansammlungen mit Polizeiwagen. Wie schon in den letzten Wochen ist auch der Einsatz von Handkameras in Situationen ohne Gefährdungslage zu kritisieren. Laut § 20 I Sächsisches Versammlungsgesetz wäre sogar eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich.
Erneut kamen ein Hubschrauber und Polizeihunde zum Einsatz. Kommunikationslücken bei der Polizei waren offensichtlich: Immer wieder konnten weder Rechtsgrundlagen für einzelne Maßnahmen benannt noch Unbeteiligten erklärt werden, wie sie die Sperrungen umgehen können.