Rechtsextreme quälten wehrloses Nachbarskind

Erstveröffentlicht: 
24.03.2015

Für Misshandlungen eines Behinderten, der für sie "vergast gehörte", kamen zwei Männer mit Bewährungsstrafen davon.

 

Rechenberg-Bienenmühle. Die Stimme der Richterin bebte: "Ein derart menschenverachtendes Verhalten habe ich noch nie erlebt", schalt Petra Strack, Vorsitzende des Schöffengerichts am Amtsgericht Freiberg, am Dienstag die Gewalttäter Lars G. und Michael U. Doch wollten die zornigen Sätze nicht ganz zu den Bewährungsstrafen von einem Jahr und von zehn Monaten passen, mit denen die 40 und 28 Jahre alten Männer für Misshandlungen eines behinderten Jungen davonkamen.

 

Ein Haus als rechtsfreier Raum


Das nach außen schmucke Mietshaus im erzgebirgischen Rechenberg-Bienenmühle schien ab 2012 ein rechtsfreier Raum, als Lars G. und Michael U. dort ihr Terrorregime für jene Nachbarn installierten, die den arbeitslosen Security-Kräften unterlegen waren. Der damals zehn Jahre alte Nachbarssohn Ralf O. war ihr Hauptopfer. Das geistig behinderte Kind demütigten und quälten sie vor den Augen seines Vaters. Angeklagt waren fünf Delikte. Einmal hatte der 40-jährige Lars G. dem Kind die Faust derart in den Magen geschlagen, dass es sich krümmte, berichtete die ältere Schwester des Opfers. Eines nachts hätten beide das Bett hochgehoben und den schlafenden Bruder herausgeschüttet, dass er auf den Boden stürzte. Auf den am Boden liegenden Jungen eingetreten hätten die Täter einmal. Dann wieder banden sie ihm eine Wäscheleine um den Hals und zogen ihn am Boden herum. Hin und her "wie Tauziehen", schilderte die große Schwester. Ihr Bruder habe versucht, mit den Händen die in seinen Hals schneidende Leine zu lockern. Beim letzten Delikt der Anklage hatten die Männer von dem Behinderten verlangt, er solle seine jüngere Schwester mit einem Besen schlagen. Nach erster Weigerung hatte der Bruder die Anweisung aus Angst befolgt.

 

Als der Vater schilderte, sein Sohn sei eine Stunde lang geschlagen worden, fragte die Richterin ungläubig: "Wie hat er das überlebt?" Das habe er sich auch gefragt, sagte Vater Norbert O. Warum er nie einschritt? "Gegen die hatte ich keine Chance", sagte der Mann, der laut seiner älteren Tochter selbst Opfer von Prügelattacken wurde. Ob es ein Motiv gegeben habe für die Gewalt gegenüber dem behinderten Sohn? Außer jenen Sätzen, mit denen die Männer ihre rechtsextreme Haltung kundtaten, kenne er keines, so der Vater. Sein Sohn "gehöre erschlagen oder vergast", habe Lars G. gesagt. Außer durch diese Sätze und die CDs der rechtsextremen Band Landser, die der Haupttäter oft hörte, klang die rechtsextreme Prägung der Täter am Dienstag kaum an.

 

Spätes Teilgeständnis


Versuchten die Verteidiger zunächst durch Widersprüche in Opferaussagen die Glaubwürdigkeit zu erschüttern, so machte ein Kreuzverhör von Staatsanwältin Marita Recken deutlich, dass die augenscheinlichen Unstimmigkeiten gar keine waren. Offenbar gab es nur zu viele ähnliche Situationen, die auseinanderzuhalten den Opfern kaum mehr möglich war. Nachdem klar war, dass das Gericht den Opfern Glauben schenkte, schwenkten die schweigenden Täter zum Teilgeständnis um. Lars G. räumte den Fausthieb, das "Hundeleinenspiel" und die Anstachelung zur Gewalt gegen die kleine Schwester ein. Die letzten Delikte gestand auch sein Kumpan. Beide müssen noch soziale Stunden ableisten und je 500 Euro an die Opferhilfe zahlen.

 

"Trotzdem ist das Urteil für die Opfer ein Hohn", sagte Anwohnerin Nicole G., zu der das kleine Mädchen nach dem Besenhieb des Bruders geflüchtet war. "Sie hat wochenlang bei mir gewohnt, weil sie sich nicht heim traute", sagte Nicole G. Jetzt sind die Kinder in Betreuung.