Winfried Stöcker und die Uni: Ein zerbrochenes Bündnis

Winfried Stöcker und die Uni: Ein zerbrochenes Bündnis
Erstveröffentlicht: 
10.03.2015

Nach der Schlussstrich-Ankündigung von Euroimmun-Chef Winfried Stöcker werden die Folgen abgeschätzt. Rückendeckung für die Haltung der Uni kommt aus der Politik.

 

Die Vorwürfe, die Winfried Stöcker in seiner seitenlangen Stellungnahme gegen Lübecks Uni-Präsidenten Prof. Hendrik Lehnert erhebt, wiegen schwer. Es ist von „Pharisäertum“ die Rede. Von einer „Hetzkampagne“, verbunden mit dem Vorwurf „Seine Äußerungen . . . haben die Sache erst richtig aufgeheizt“. Zudem mutmaßt der Unternehmer, langjähriger Förderer der Hochschule, dass Lehnert sich möglicherweise vor den eigenen Studenten fürchte. Schließlich hatten diese durch „ungezogene Äußerungen“, so Stöcker, und ihren Entschluss, keine Gelder mehr von Euroimmun für studentische Projekte annehmen zu wollen, einen maßgeblichen Anteil an der Zuspitzung des Konfliktes. Jetzt will Stöcker auch nicht mehr und kündigt an, dass es zukünftig keine finanzielle Unterstützung mehr für die Uni gebe und Kooperationsprojekte abgebrochen werden sollen - „solange dieser Präsident im Amt ist“ (die LN berichteten).

 

„Die Vorwürfe sind sehr persönlich und gehen unter die Gürtellinie“, erklärt Lehnert, der zurzeit im australischen Sydney weilt, gegenüber den LN. Nichtsdestotrotz sei für ihn diese Entwicklung extrem unglücklich, da man das Unternehmen Euroimmun schon lange kenne und sehr schätze. „Und eigentlich hatten wir mit dem klärenden Gespräch am 23. Februar mit Herrn Stöcker die Absicht verfolgt, noch einmal Brücken bauen zu wollen“, so Lehnert. „Dass er nun unserer Bitte um eine erneute verbindliche Stellungnahme, in der er sich klar von fremdenfeindlichen Positionen distanzieren möge, in dieser Form beantwortet hat, spricht für sich“, resümiert der Uni-Präsident. Die Ausführungen unter dem Titel „Gesinnungsterror in Fragen zur Asylpolitik“, die einem Rundumschlag gleichen, seien absolut inakzeptabel - „entsprechend ist aufgrund des großen Dissenses bei solch grundsätzlichen Fragen der Schritt dann folgerichtig“, so Lehnerts Fazit.

 

Mehr zum Thema: Euroimmun gibt kein Geld mehr für Lübecks Uni


Nach Auskunft von Uni-Sprecher Rüdiger Labahn umfassen die Förderungen seitens der Firma Euroimmun für die Universität momentan zwei Stiftungsprofessuren, Deutschland-Stipendien für die Studierenden sowie zahlreiche Projekte für Forschung und Entwicklung am Universitätsklinikum. „Das Volumen dieser Zuwendungen beträgt insgesamt ungefähr eine Million Euro pro Jahr. Lehrveranstaltungen an der Universität hält Herr Prof. Stöcker allerdings nicht ab“, so Labahn.

 

Wie es nun mit der Honorarprofessur für Stöcker weitergeht, die er 2011 für das Fachgebiet „Labormedizin“ verliehen bekam, ist noch offen. Was Birte Stoeter, Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta), erneut zu der Forderung veranlasst: „Wir fragen uns an dieser Stelle nach wie vor, wie jemand Honorarprofessor an einer Universität sein kann, deren Werte den eigenen entgegengesetzt sind und sprechen uns daher weiterhin für den Entzug dieses Titels aus.“

 

Ungeklärt ist ebenfalls die Frage, ob sich Euroimmun weiter am „BioMedTec“-Wissenschaftscampus beteiligt. Schließlich gehört die Firma zusammen mit der Universität, der Fachhochschule, dem Forschungszentrum Borstel und Fraunhofer zu den Gründungspartnern. „Wir werden uns jetzt baldmöglichst mit allen Mitgliedern zusammensetzen müssen“, sagt dazu Uni-Professor Thorsten Buzug vom „BioMedTec“-Vorstand.

 

Rückendeckung für die Haltung des Uni-Präsidenten sowie der Studierenden kommt aus der Politik. So erklärt beispielsweise der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Jan Lindenau: „Die klare Positionierung für Toleranz, Weltoffenheit und multikulturelles Denken und Handeln findet unsere volle Unterstützung.“ Die Stiftungsuniversität habe damit auch deutlich gemacht, dass mehr Transparenz bei der Verwendung privater Gelder an der Hochschule gewollt sei und die Universität zu ihren Werten stehe — „auch wenn dies wirtschaftliche Nachteile haben kann“. Von Bürgermeister Bernd Saxe (SPD), der sich Ende Dezember noch mit dem Satz zitieren ließ „Nun muss es auch mal gut sein“, war gestern keine Stellungnahme zur aktuellen Entwicklung zu bekommen.

 


 

Stöckers Thesen im Internet

 

In einer 15-seitigen Abhandlung bezieht Stöcker Stellung. Zitate daraus:
 

  • „Alles, was wir und unsere Vorfahren in den letzten Jahrhunderten errungen haben, scheint durch Überfremdung in Gefahr.“

  • „Wenn das so weiter geht, ist zu befürchten, dass wir unser über zweitausend Jahre durchgereichtes Erbe innerhalb einer Generation verspielen.“

  • „Unser Lebensstil und Lebensstandard würden sich zwangsläufig dem der Länder annähern, aus denen die vielen Migranten kommen.“

  • „Türken betreiben hier vor allem Gemüseläden und teilen sich mit den Kurden die Jobs als Taxifahrer.“

  • „Ich wehre mich dagegen, dass die deutsche Sprache ideologisch verblendeten ,Wirrköpfen‘ als Spielball dient, die uns zum Beispiel alle zehn Jahre eine neue Wortschöpfung für den Begriff ,Neger‘ vorschreiben wollen, den ich ohne jeden diskriminierenden Hintergedanken gebrauche.“