Bessere Willkommenskultur soll gefördert werden / Städtetag: Anfeindungen gibt es ebenfalls in Sachsen
Von Romy Richter
Tröglitz. Die Probleme mit Rechtsextremisten rund um die
Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz im sachsen-anhaltischen
Burgenlandkreis beschäftigen weiter die Politik. Eine solche bedrohliche
Situation, wie sie den Ortsbürgermeister Markus Nierth (parteilos) zum
Rücktritt zwang, soll sich nicht wiederholen. Dabei geht es auch um die
Verbesserung einer Willkommenskultur für Zuwanderer. Anfeindungen von
Rechts gibt es allerdings auch in anderen Orten immer wieder.
In dem 2700 Einwohner zählenden Tröglitz muss indes innerhalb von zwei
Monaten ein neuer ehrenamtlicher Ortsbürgermeister gewählt werden. Der
Ortschaftsrat werde diesen aus seiner Mitte wählen, teilte der
zuständige Burgenlandkreis gestern mit. Bis zur Neuwahl übernimmt der
bisherige Stellvertreter die Amtsgeschäfte. Nierths Rücktritt, nachdem
Rechte direkt vor seinem Wohnhaus gegen die Unterbringung von 40
Asylbewerbern demonstrieren wollten, hatte hohe Wellen geschlagen. In
der ZDF-Sendung "Markus Lanz" betonte Nierth gestern, dass Tröglitz
keinesfalls braun sei. Vielmehr habe die rechtsextreme NPD die Sorgen
und Nöte einzelner Menschen gezielt instrumentalisiert. Es seien
Demonstrationsteilnehmer aus anderen Orten "herangekarrt" worden, sagte
Nierth.
Die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt
beobachtet die Situation zunehmend mit Sorge. Antje Arndt von der
Beratungsstelle macht für die nach wie vor hohe Zahl von rechten
Gewalttaten auch eine Stimmung verantwortlich, die durch offene,
rassistische Diskurse noch begünstigt werde: "Oft heißt es: Das wird man
doch mal sagen dürfen. Doch überall, wo Rassismus salonfähig wird,
nimmt auch rassistische Hetze zu und die Gefahr von Gewalttaten steigt.
Die Grenze, dann auch zuzuschlagen, ist oftmals schnell erreicht."
Demonstrationen gegen Flüchtlinge, Aufmärsche wie Pegida oder Legida
beförderten "ein Klima der Angst und Gewalt", sagte Arndt in Halle.
"Jeder, der sich dort mit auf die Straße stellt, macht sich mit den
Rassisten gleich, selbst wenn er meint, er lehne Gewalt ab. Im Prinzip
unterstützen die Demonstranten damit auch diese Straftaten."
Dass es offenbar einen Zusammenhang gibt, zeigt die Statistik rechter
Gewalttaten des RAA Sachsen: 257 Angriffe zählten die Beratungsstellen
2014, im Jahr davor waren es 223. Besonders die Zunahme der Straftaten
in Dresden sei dem Anschein nach auf die teils offen rassistische
Stimmung, die durch die Anti-Asyl-Demos erzeugt wurde, zurückzuführen,
heißt es.
Anfeindungen gibt es auch gegen Bürgermeister in Sachsen. "Als
Kommunalpolitiker stellen sich Bürgermeister jeder sachlichen Kritik,
aber persönliche Anfeindungen, Bedrohungen der Familie und
Sachbeschädigungen sind nicht hinnehmbar," sagte der Geschäftsführer des
Sächsischen Städte- und Gemeindetags, Mischa Woitschek. Staat und
Gesellschaft seien hier gefragt, die Bürgermeister zu schützen. "Dazu
zählen die konsequente Verfolgung von Straftaten und der sensible Umgang
mit Demonstrationsrouten ebenso wie die bestmögliche Unterstützung der
Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, etwa der
Asylbewerberunterbringung."
Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck sprach sich indes
dafür aus, Einwohner so früh wie möglich über die Unterbringung von
Flüchtlingen zu informieren. Rechtzeitige Bürgerversammlungen seien sehr
wichtig. Möbbeck mahnte: "Wenn Gerüchte und Fehlinformationen erst
einmal kursieren, ist das die Grundlage, auf der Populisten und Nazis
ihr Süppchen kochen."
Sachsen-Anhalt will Nachbarschaftsinitiativen für Flüchtlinge künftig
stärker fördern. In einem Engagement-Fonds stünden zunächst 60000 Euro
bereit, Vereine und Initiativen könnten bis zu 2500 Euro erhalten, so
Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) gestern in Magdeburg. Es gehe eben
nicht nur darum, Zugewanderten ein Dach über dem Kopf zu bieten,
sondern auch eine neue Heimat.