Die „taz“ wurde nach Recherchen von Newsroom.de Opfer eines Spionageangriffs. Hinter der Tat soll ein langjähriger Redakteur stecken. Er wurde fristlos entlassen. In der Redaktion herrscht Fassungslosigkeit. Von Bülend Ürük.
Berlin - Nicht alles, was wie ein USB-Stick aussieht, ist auch einer. In manchen steckt viel mehr: Im Elektrofachgeschäft sind so genannte Keylogger schon für 60, 70 Euro erhältlich, die wie ein normaler USB-Stick ausschauen, jedoch alles aufzeichnen, was der Autor in die Tastatur schreibt, inklusive Passwörter. Der Autor bekommt von der Überwachung nichts mit.
Solch einen Keylogger hat ein Techniker der „taz“ Mitte der Woche in einem Rechner entdeckt, der ausgetauscht werden sollte. Der Techniker wartete. Wartete, um zu sehen, wem denn dieses Abhörgerät gehört.
Gerade als er seinen Posten verlassen wollte, kam der langjährige Redakteur der „taz“ in den Raum. Mit einer Zeitung unter dem Arm wollte er ganz nebenbei den Keylogger wieder an sich nehmen. Was ihm nicht gelang.
Es kam zu einer Diskussion, in der der Journalist behauptete, es sei nur ein ganz gewöhnlicher USB-Stick. Der Techniker widersprach, wollte wissen, warum er die Kollegen ausspioniere.
Kurze Zeit später wurde der Journalist fristlos entlassen, durfte die Redaktion verlassen, sogar seine externe Festplatte mitnehmen. Zwar musste er alle Schlüssel etc. abgeben. Nur ist die zweite Eingangstür der „taz“ codegeschützt, und der Code wurde seit Jahren nie geändert und ist allen im Haus bekannt. Dieses Passwort wurde auch nicht so schnell geändert, da man dachte, wer keinen Schlüssel für den Haupteingang hat, kommt auch nicht in die Redaktion.
Besonders pikant: In der folgenden Nacht kam es bei der „taz“ zu einem Einbruch (Newsroom berichtete: Polizei Berlin bestätigt: Einbruchsversuch bei der „taz“). Eine Tür wurde aufgebrochen, die zweite, codegeschützt, nicht. Ein Zusammenhang ist nicht erwiesen, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Bereits am Mittwoch informierte „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl über die ungeheuerlichen Geschehnisse; die Redaktion zeigte sich geschockt. Zwar kannten sie ihren Kollegen als kritischen Investigativ-Journalisten mit großem Selbstbewusstsein; was fehlt, so formulierte es ein „taz“-Gesprächspartner gegenüber Newsroom.de, sei allerdings „das Motiv“: „Warum hat er ausgerechnet uns, seine Redaktion, ausspioniert?“.
Im Intranet wurde die gesamte „taz“-Belegschaft aufgefordert, Passwörter dringend zu ändern: „Hallo, wenn ihr Eure Passwörter geändert habt, denkt bitte auch an Eure anderen Privat-Geräte, PCs, Ipads, Handys usw., die dann u.U. automatisch noch versuchen, sich mit dem alten Passwort bei uns einzuloggen. Wir bekommen in der EDV zur Zeit diverse Fehlermeldungen.
Und: Bitte auch bei anderen Accounts, z.B. bei GMX oder Web.de oder Hotmail, Twitter, Facebook die Passwörter ändern.“
Teile der Redaktion wollen, dass Verlag und Redaktion Anzeige gegen den erfahrenen Journalisten erheben. Davon sieht die „taz“-Leitung nach aktuellem Stand ab.
Trotz mehrmaliger Nachfragen waren weder Frau Pohl noch der unter Spionageverdacht stehende Journalist für eine Stellungnahme erreichbar.
Was kann einen Journalisten dazu führen, die eigene Redaktion ausspionieren zu wollen? In der Redaktion der „taz“ herrscht Fassungslosigkeit.
Bülend Ürük