Jürgen Elsässer - vom Linksradikalen zum Legida-Redner

Erstveröffentlicht: 
22.01.2015

Ein Mittler zwischen Linken und Rechten sprach auf dem Augustusplatz / Kritik an Einmischung von Washington, Brüssel und Ankara

Von Armin Görtz


Leipzig. Der Mann mit dem eleganten Schal hatte schon mit dem ersten Satz die Menge auf seiner Seite: "Mein Name ist Jürgen Elsässer und meine Zielgruppe ist das Volk", sagte der Auftaktredner der gestrigen Legida-Demo und löste prompt ein Wir-sind-das-Volk-Echo aus. So ging es weiter. Wenn Elsässer Politiker erwähnte, skandierte der Leipziger Augustusplatz "Volksverräter", beim Stichwort Medien folgte "Lügenpresse".


Manches Elsässer-Zitat hätte auch im linken Lager Beifall gefunden: "Obama, nimm deine ganzen Truppen und Stützpunkte, zieh sie ab", forderte er beispielsweise oder verwahrte sich gegen Einmischung "von Washington oder Brüssel oder Ankara oder Tel Aviv". Er zitierte sogar - leicht abgewandelt - das Kommunistische Manifest und rief die Patrioten aller Länder auf, sich zu vereinen. Der Mann kennt sich in dieser Hinsicht aus. "Ich habe in jüngeren Jahren selbst bei der Antifa demonstriert und mein Herz schlägt immer noch links", räumte er ein.


Elsässer (58) ist ein Publizist mit schillerndem Lebenslauf. Der einstige Linksradikale aus Baden-Württemberg bemüht sich inzwischen, das linke und das rechte Lager zusammenzubringen. Zunächst war er Mitglied im Kommunistischen Bund, der sich 1991 auflöste. Nach dem Mauerfall zählte Elsässer zu den Geburtshelfern einer betont antideutschen Richtung im linksradikalen Lager. "An der Entstehung dieser Strömung hatte auch ich selbst keinen geringen Anteil, und ich muss mich dessen nicht schämen", heißt es in einem seiner Bücher.


Seit Mitte der neunziger Jahre arbeitete er vorwiegend für linke Medien wie "Junge Welt", "Konkret", "Freitag", "Jungle World" und "Neues Deutschland". Jenes Blatt trennte sich 2009 von ihm. Vorwurf: Er habe an "rechte Parolen angedockt". Der damalige sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel (40) hatte bereits zuvor eingeschätzt, dass Elsässer "Brücken zur NPD" schlage.


Elsässer ist Mitbegründer, Chefredakteur und einer der Verleger der seit Ende 2010 erscheinenden Zeitschrift "Compact". Die Redaktion sitzt in Leipzig. Top-Themen der letzten Hefte waren Kritik an den USA, an Israel und an Multikulti sowie Verständnis für Putin. Elsässer bezeichnete "Compact" nach der Gründung als "einzigartiges publizistisches Experiment, weil es demokratische Linke und demokratische Rechte, Moslems und Islamkritiker im offenen Dialog zusammenbringt". Dabei betonte er: "Besonders freut uns, dass mit Andreas Rieger ein deutscher Moslem von Anfang an dabei ist."


Rechtsanwalt Andreas Abu Bakr Rieger (49) - Herausgeber der "Islamischen Zeitung" - ging allerdings bei "Compact" vor ein paar Monaten als Gesellschafter von Bord. Während er vor Pegida warnt, wirbt Elsässer massiv für die islamkritische Organisation und ihre Ableger. Legida, so befand er jüngst, habe das Zeug, zu einer "Bewegung aller Unzufriedenen zu werden".


Nachdem Hooligans in Köln gegen Salafisten demonstriert und sich eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert hatten, stand auf dem "Compact"-Titel im Dezember: "Hooligans im Exklusivinterview ,Warum wir zornig sind'". Das Cover zeigte einen harten Typen mit blutiger Stirn. Schriftzug auf seinem T-Shirt: "Gemeinsam sind wir stark".


Gestern hingegen bemühte sich der einstige Antideutsche und heutige Patriot Elsässer um den Brückenschlag nach links. Auf der Kundgebung lud er Anhänger der Linkspartei und Gegendemonstranten zu Legida ein: "Ihr seid willkommen", rief der Redner und die Menge skandierte: "Schließt euch an."