Fall Albrecht: Solidariätskomitee fordert sofortige Rücknahme der Kündigung durch Dietz-Motoren

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Weil er sich in einem Beitrag in Spiegel-TV zur Situation im Betrieb geäußert hat, wurde Günther Albrecht, Mitglied des Betriebsrats bei Dietz-Motoren in Dettingen/Teck, vor einigen Tagen fristlos gekündigt. Mit dem Kollegen gab es in den letzten Tagen einige Solidaritätserklärungen, beispielsweise von der Konferenz der Gewerkschaftslinken

Für die Rücknahme der Kündigung wurde jetzt ein Solidaritätskomitee gebildet. Der Kollege Albrecht ist Betriebsrat bei der Dettinger Firma Dietz-Motoren und aktiver Gewerkschafter. Er wurde von der Belegschaft mit den meisten Stimmen gewählt. Er nimmt in dieser Funktion an den regelmäßigen Treffen der IG Metall Ortsgruppe Kirchheim teil. Dieses Gremium soll dazu dienen, den Erfahrungsaustausch unter den Betriebsräten zu intensivieren und sich gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Dazu werden auch betriebliche Probleme und deren Lösungen diskutiert. Das entspricht nicht nur dem grundlegenen gewerkschaftlichen Selbsverständnis, gemeinsame Probleme auch gemeinsam anzugehen, sondern ist auch durch das grundgesetzlich verbriefte Recht der Koalitionsfreiheit abgedeckt. Offenbar muss man dennoch aufpassen, was man wo und wem sagt. Und das, gerade in den Tagen, an denen man nirgendwo verschont bleibt von der offensichtlichen Zweckpropaganda, nach der mit dem Mauerfall endlich "Meinungsfreiheit" herrsche.

An einem dieser Treffen war ein Fernsehteam von SpiegelTV anwesend. Dieses hatte schon den ganzen Tag den ersten Bevollmächtigten, der IG Metall Esslingen, Sieghard Bender, begeleitet. Dieser nimmt ebenfalls regelmäßig an den Treffen teil. SpiegelTV wollte eine Sendung zu den Auswirkungen der Finanzkrise und die Folgen für die betroffenen Beschäftigten machen. In diesem Zusammenhang wurde der Kollege Albrecht interviewt. Die gesendeten Sätze haben dann zu seiner fristlosen Kündigung geführt. Für das jetzt gebildeten Solidaritätskomitee unverständlich, weil die Aussagen des Kollegen Albrecht nach Ansicht des Komitees "nur die Realität aufzeigen". Im Übrigen sei bei der Ausstrahlung nichts gesendet worden, was nicht "eh schon allseits bekannt" sei.

Dass Dietz-Motoren Kurzarbeit angemeldet hat ist laut IG Metall "kein Geheimnis", ebenso, daß Dietz-Motoren Löhne und Gehälter zahlt, die "weit unter Tarif liegen". Dass Mitarbeiter um die Zahlung ihrer Löhne und Gehälter bangen und Angst um ihren Arbeitsplatz haben, dürfte ebenfalls nicht unter die Rubrik Betriebsgeheimnis fallen, denn es unterliegt einer ganz subjektiven Wahrnehmung. Über mehr habe Günther Albrecht nicht gesprochen.

Nun wirft die Geschäftsführung dem Kollegen Rufschädigung vor. Anlass, ihn fristlos zu kündigen -  mit Zustimmung der Mehrheit des Betriebsrats. Der Meinung des Solidaritätskoimitees nach ist das nur die "Spitze des Eisbergs": "Realität ist, dass Herr Albrecht ständigen Angriffen seitens der Geschäftsleitung ausgesetzt war", so Vertreter des Komitees.

Kollege Albrecht wird als "ein unbequemer Betriebsrat, der auf Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften achtet." geschildert. Das ist auch gut so, denn es "ist jedoch kein Betriebsrat und schon gar keine KollegInnen dazu gezwungen, das Betriebsverfassungsgesetz quasi "überzuerfüllen" und sich sozusagen in "vorauseilendem Gehorsam" zu entsolidarisieren. Denn sie sind immer noch Vertreter der Belegschaft gegenüber dem Unternehmer und nicht umgekehrt. Allerdings ist dies eine Frage des Selbstverständnisses und der Haltung." (Willi Bleicher in stattweb-News Ausgabe 09, 2009-11)

Die kritische Haltung brachte dem Kollegen in der Vergangenheit offenbar eine Unzahl von Abmahnungen mit, die sich "alle als rechtlich nicht haltbar" herausstellten. Trotz einer Ingenieuersausbildung  wurde Günther Albrecht nicht mehr entsprechend seiner Qualifikation eingesetzt. Für den Solidaritätskreis alles Anzeichen dafür, dass hier versucht wird einen willkommenen Anlass zu nutzen, um den Kollegen aus dem Betrieb zu entfernen.

Betriebsräte und Gewerkschafter aus der Region haben spontan ihre Solidarität bekundet. Die Betriebsräte wollen nicht hinnehmen, dass gewählte Arbeitnehmervertreter einfach fristlos gekündigt werden, weil sie öffentlich Stellung zu Fragen, die die Beschäftigten betreffen, beziehen. Das Solidaritätskomitee hat ebenfalls beschlossen dies nicht zu dulden. Es rät der Firma Dietz-Motoren an, die "Kündigung zurückzunehmen und den Kollegen Albrecht zu rehabilitieren".

Es soll "Widerstand gegen Unternehmerwillkür", gegen die "offene Missachtung der Meinungsfreiheit und -vielfalt" und für das "verbriefte Recht der Koalitionsfreiheit" geleistet werden. Deshalb wurde beschlossen, unter dem Motto „20 Jahre Mauerfall – trotzdem keine Meinungsfreiheit“ ein Solidaritätskomitee zu gründen. Das Komitee wird von den Gewerkschaften im DGB und weiteren gesellschaftlichen Akteuren getragen. Es bietet so auch demokrtischen Menschen außerhalb der Gewerkschaften die Möglichkeit, sich solidarisch zu engagieren. Gerade und weil die jüngste Geschichte gelehrt hat wozu es führt, wenn Menschen nicht mehr ihre Meinung sagen können, wird dieser Schritt für dringend notwendig gehalten. Die Methoden von Dietz-Motoren erinnerten an "schon vergessen geglaubte Zeiten".

Als nächste Aktivitäten plant das Solidaritätskomitee die Information der Bevölkerung über Infostände.

Zu dem Fall hier die Erklärung des Komitees:

Solidarität mit Günther Albrecht

Forderung nach sofortiger Rücknahme der Kündigung durch Dietz-Motoren

 

Die fristlose Kündigung des Betriebsrats Günther Albrecht durch die Firma Dietz-Motoren löst harsche Kritik bei Betriebsräten und Gewerkschaften aus. Dies war Anlass zur Gründung eines gewerkschaftsübergreifenden Solidaritätsbündnisses. Unter dem Motto „20 Jahre Mauerfall - trotzdem keine freie Meinungsäußerung“ fordert das Bündnis die sofortige Rücknahme der Kündigung. Mit Information und Aktion will man dieser Forderung Nachdruck verleihen.

 

Geladen hatten der DGB-Ortsverein und die IG Metall Ortsgruppe Kirchheim. Elmar Brummer, ebenfalls Teilnehmer am Interview mit SpiegelTV, schilderte die Entstehung des Konflikts aus seiner Sicht. Günther Albrecht habe keine Äußerungen getätigt, die nicht der Wahrheit entsprechen und auch schon seit langem bekannt seien, so Brummer. Er zeigte sich enttäuscht darüber, dass es anscheinend nicht mehr möglich sei offen für Arbeitnehmerinteressen einzustehen. Dies habe er auch der Redaktion von SpiegelTV geschrieben. Diese bedaure die Entwicklung zutiefst und könne das Verhalten von Geschäftsführer Strauss nicht nachvollziehen. Am allerschlimmsten sei aber, dass das Betriebsratsgremium der fristlosen Kündigung zugestimmt habe, so Brummer weiter. Über die Gründe zu dieser Entscheidung dürfe spekuliert werden. Die Vergangenheit zeige jedoch, dass die Mehrheit der Dietz-Betriebsräte eher Lohnverzicht und weiteren Repressalien zustimme, als die Auseinandersetzung für die Interessen der Belegschaft zu suchen.

„Solche Betriebsräte sollten sofort zurücktreten“ war eine der heftigsten Reaktionen aus der 30-köpfigen Teilnehmerrunde. Ilona Dammköhler, zweite Bevollmächtigte der IGM Esslingen, bezog klar Stellung: „Diese Reaktion ist nur eine Fortführung der Repressalien gegen Kollege Albrecht. Die Geschäftsleitung betreibt eine systematische Demontage von kritischen Kollegen in der Firma. Dabei schreckt sie auch vor unberechtigten Abmahnungen und Angstmache nicht zurück. Die Vergangenheit zeigt, dass gerade Kollege Albrecht Ziel solcher Attacken war, sich aber bisher erfolgreich wehren konnte“.

Die Teilnehmer beschlossen einstimmig die Gründung eines Solidaritätskomitees. Als Sprecher wurden Elmar Brummer und Wolfgang Scholz benannt. Das Gremium soll die Information in der Bevölkerung und weitergehende Aktionen planen.

Heftig diskutiert wurde die Frage, wie man künftig mit öffentlichen Medien umgehen solle. Einerseits hätten Zeitungen, Magazine und Fernsehsender den Anspruch auf umfassende Berichterstattung. Andererseits seien Selbige aber nicht in der Lage sich schützend vor ihre Protagonisten zu stellen. Man werde sich künftig gut überlegen müssen, ob und mit wem Betriebsräte in der Öffentlichkeit auftreten. Leider beweise der Fall Albrecht, dass mancher Geschäftsführer nicht davor zurückschrecke das grundgesetzlich verbriefte Recht der freien Meinungsäußerung mit Füßen zu treten. Gerade wurde der 20-jährige Mauerfall gefeiert. Gleichzeitig würden Methoden Anwendung finden, die an schon längst vergangene Zeiten erinnern.

Siehe auch den Beitrag von Willi Bleicher Fall Albrecht: Eine Frage der konsequenten Haltung auf stattweb.de vom 4.November 2009