Die Geschichte des Flüchtlings, der in Dresden starb

Erstveröffentlicht: 
16.01.2015

Dresden - Ganz Deutschland schaut nach dem Tod des 20-jährigen Asylbewerbers Khaled Idris auf Dresden. Die Polizei sucht fieberhaft den Täter und gerät selber in die Kritik.

 

Immer mehr Details über das grausame Verbrechen werden bekannt. Ganz oben steht die Frage, warum Ermittler und Notarzt vor Ort die Anzeichen einer Straftat übersehen konnten.

 

Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll (60) räumte Fehler ein. Die Beamten hätten das Blut an Hals und Schulter auf einen offenen Schlüsselbeinbruch zurückgeführt, der durch einen Sturz hätte verursacht worden sein können. Messerstiche seien wegen der Wunde nicht erkennbar gewesen.

Erst als die Leiche in der Rechtsmedizin untersucht wurde, kamen die Einstiche zum Vorschein. Deswegen rückte die Mordkommission erst 30 Stunden später am Tatort an, begann mit der Spurensuche.

 

Laut Augenzeugen lag der 20-Jährige jedoch blutüberströmt auf dem Rücken am Boden. Blut sei aus Nase und Mund geflossen. Angeblich haben Polizisten DNA-Tests von allen sieben Mitbewohnern und insgesamt 16 Besuchern der Wohnung genommen.

 

Staatsanwalt Lorenz Haase will das nicht bestätigen: „Wir ermitteln in alle Richtungen. Steht ein Verdächtiger fest, werden DNA-Proben genommen.“ Derzeit werden Nachbarn und Mitbewohner befragt, ebenso Augenzeugen vor dem Supermarkt, wo der 20-Jährige einkaufen gehen wollte.

 

Wie das Innenministerium gestern Abend bestätigte, ist inzwischen auch das Operative Abwehrzentrum gegen Extremismus (OAZ) unter der Leitung von Sachsens ehemaligem Polizeipräsidenten Bernd Merbitz (58) eingeschaltet.

 

Wegen der Sprachbarrieren müssten Dolmetscher eingesetzt werden, das erschwere die Ermittlungen, so Haase. Videos werden ausgewertet, Polizeihunde suchten die Umgebung ab. Die Kritik an der Polizeiarbeit wird lauter. Drei Tage bevor Khaled erstochen wurde, erstattete ein Sozialarbeiter der AWO Anzeige bei der Polizei.

 

Unbekannte hatten zwei Hakenkreuze auf Khaleds Wohnungstür im zweiten Stock geschmiert. „Es gab außerdem Tritte gegen die Tür. Erst dadurch wurden die Bewohner aufmerksam, informierten den zuständigen Sozialarbeiter“, so AWO-Sprecherin Ines Vogel (34).

 

Ein Polizeihauptkommissar, zuständiger „Koordinator für Migration“, übernahm die Ermittlungen. Dennoch reagierte die Polizei reichlich ungeschickt, als dann der 20-jährige Asylbewerber tot vor dem Wohnblock lag.

 

Schließlich wurde noch Stunden später nach Auffinden der Leiche von einem Unfall ausgegangen - bei der Faktenlage eine unnachvollziehbare Fehleinschätzung.

 

Khaled Idris (†20) stammte aus Eritrea. Das Land am Roten Meer, das nach erkämpfter Unabhängigkeit vor 21 Jahren zunächst als Musterstaat galt, wird inzwischen von Beobachtern als Schreckensregime beschrieben.


Tausenden willkürliche Verhaftungen, das Auswärtige Amt warnt dringend vor Reisen ins Land. Wer aus dem Land fliehen will, gilt als Deserteur und kann sofort erschossen werden.

 

Khaleds Vater ist tot, der Mutter gelang vor 15 Jahren die Flucht mit ihrem Sohn in den Sudan. Auch dort lebensgefährliche Verhältnisse ohne Perspektive.

 

Nun wagte Khalid die Flucht ins vermeintlich sichere Europa. „Ich will hier arbeiten, Geld verdienen und meine Mutter unterstützen“, sagte er zu seinen Freunden.

 

Auf der Flucht vor dem Schrecken fand er im vermeintlich sichern Deutschland den Tod. Der oder die Mörder haben dem Traum von einem bisschen Glück ein brutales Ende gesetzt.