Anschlag auf Polizeiposten Connewitz: "Eine ganz neue Qualität der Gewalt"

Erstveröffentlicht: 
09.01.2015

Polizeichef Bernd Merbitz will die Präsenz von Einsatzkräften im Süden massiv erhöhen Von Frank Döring

 

"Auch wenn du deine Uniform ablegst, so bleibst du immer noch das gleiche Schwein von Mensch und wirst weiterhin Ziel unserer Interventionen sein, wann immer wir es wollen." Etwa drei Stunden nach dem brutalen Angriff auf den Connewitzer Polizeiposten haben Unbekannte diese Drohung gegen die Polizei auf der von Linksextremen genutzten Internetplattform Indymedia veröffentlicht. Es ist eine Kampfansage, manche sagen auch: Kriegserklärung.


Mittwoch kurz nach 20 Uhr: Die beiden diensthabenden Beamten (35, 43) erledigen in ihrer Dienststelle in der Wiedebachpassage die üblichen Schreibarbeiten. Plötzlich sehen sie eine Gruppe von rund 30 Leuten, die in Marschformation aus Richtung Connewitzer Kreuz kommt. Es sieht aus wie eine Spontandemo. Doch was sich da nähert, ist keiner der in Connewitz üblichen Aufzüge, sondern ein linksextremes Rollkommando. Die Vermummten attackieren die Scheiben des Polizeipostens mit Pflastersteinen, Farbbeuteln und Feuerwerkskörpern. Versuche, in die Dienststelle einzudringen, gibt es aber offenbar nicht. Die zwei Beamten ziehen sich in einen hinteren Raum zurück, rufen Verstärkung.


Unterdessen kommen weitere etwa 20 Angreifer über den Hinterhof. Sie klettern über den Zaun, zerdreschen die Heckscheibe eines dort geparkten Streifenwagens und werfen einen Brandsatz hinein. Nach 30 Sekunden ist der Spuk vorbei. Bevor die Angreifer abziehen, verteilen sie sogenannte Krähenfüße rund um das Gebäude - die kleinen Wurfeisen sollen die Reifen der zur Verstärkung anrückenden Funkstreifenwagen plattmachen.


"Das war eine gut organisierte, straff geplante Aktion", hieß es gestern in Polizeikreisen. Bilanz der Blitzattacke: Sämtliche Scheiben hielten stand, allerdings wurde das Sicherheitsglas stark beschädigt. Auch der angezündete Streifenwagen wurde nicht komplett zerstört, da das Feuer schnell gelöscht wurde. Den Gesamtschaden bezifferte Polizeisprecher Andreas Loepki auf einen "deutlich fünfstelligen Betrag". Verletzt wurde niemand.


Das auf Indymedia veröffentlichte Bekennerschreiben lässt aus Sicht der Polizei "keinen Zweifel an der politischen Motivation der Täter". Anlass war demnach der zehnte Todestag von Oury Jalloh. Der Asylbewerber aus Sierra Leone war festgenommen worden, weil sich Frauen von ihm belästigt fühlten und er sich gegen Beamte wehrte. Unter ungeklärten Umständen verbrannte er in einer Dessauer Polizeizelle. Das Gedenken daran nutzten Linksextremisten nun für einen massiven Angriff auf die Leipziger Polizei. "Bulle, dein Duldungsstatus ist aufgehoben und deine Aufenthaltserlaubnis erloschen wie das Feuer in dem Streifenwagen hinter der Wache", heißt es in dem Bekennertext.


"Das ist eine völlig neue Qualität der Gewalt", sagte gestern Polizeipräsident Bernd Merbitz gegenüber der LVZ. "Die Täter nehmen auch in Kauf, dass Beamte verletzt werden. Das ist nicht hinnehmbar." Die Polizeipräsenz in Connewitz werde deshalb massiv verstärkt.


Den beiden Polizisten, die an dem Abend Dienst hatten, zollte Merbitz seine Hochachtung. Sie werden ärztlich versorgt, sind aber dienstfähig. Der Angriff der Vermummten war für beide ein Schock. Dennoch blieben sie besonnen. Der Einsatz von Dienstwaffen war keine Option, hieß es gestern.


Trotz der massiven Schäden soll die Dienststelle nicht geschlossen werden. "Die Polizeidirektion lässt sich von blindem Hass und nackter Gewalt nicht beeindrucken", so Behördensprecher Loepki. "Die Außenstelle des Polizeireviers Südost bleibt als Anlaufstelle und Servicepunkt für Bürger geöffnet."


Inzwischen ermittelt die Kripo wegen schweren Landfriedensbruchs. Spezialisten des Landeskriminalamtes sicherten noch am Abend Spuren am Tatort. Konkrete Verdachtsmomente soll es aber bislang nicht geben. In Sicherheitskreisen wird vermutet, dass hinter dem Angriff eine relativ neue Gruppierung steckt, die vor allem eines ist: extrem militant.


Zeugenhinweise unter 034196646666.

 

 


 

Das sagen Leser und User

Reaktionen vom LVZ-Lesertelefon: "Wann gibt es die ersten Toten durch die Linksradikalen?", fragte Thomas Große aus dem Waldstraßenviertel. Der 55-Jährige forderte "einen Sternmarsch durch Connewitz", um der linken Gewalt Einhalt zu gebieten. "Die Polizei muss sich Respekt verschaffen", forderte Detlef Krüger (57) aus Sellerhausen-Stünz. Er könne nicht verstehen, dass sich Leipzigs Polizei so "vorführen" lasse. Andere Anrufer erklärten, sie hätten keine Probleme mit Ausländern in Leipzig, dafür aber mit den Randalierern in Connewitz. "Eine verbale Verurteilung durch den Oberbürgermeister reicht nicht aus, hier muss endlich etwas geschehen", so ein 71-jähriger Lößniger. "Wir ehrlichen anständigen Bürger haben die Schnauze voll."


Ein Rechtsstaat müsse dafür sorgen, dass friedliche Bürger vor Exzessen der linksradikalen Szene geschützt werden, erklärten mehrere Anrufer.


Reaktionen auf der Facebook-Seite von LVZ-Online: "Ich finde es ungeheuerlich, was hier passiert", schrieb "Peter Pani". "Eine Polizeiwache angreifen ist kein Dummejungenstreich! Das ist ein Angriff auf die Staatsgewalt! In dem Gebäude wohnen außerdem Leute, die (...) ernsthaft zu Schaden kommen könnten." "Warum wird die Polizei eigentlich immer als Feind betrachtet?", fragte Christiane Walaszek, "kapier ich nicht." Daniela Serwill kritisierte: "Wer muss den Schaden bezahlen? Wir natürlich, und es ist dabei nicht von Interesse, ob links, rechts oder irgendeine andere Gruppierung den Schaden verursacht. Diejenigen, die das machen, denken nicht daran und letztendlich ist es denen auch egal. Das ist für mich das Schlimme daran." Und Lars Kelvera kommentierte auf der LVZ-Facebook-Seite: "Weder Polizeistationen noch Dönerläden, Asylantenheime, Moscheen, Kirchen, Wohnungen oder sonstwas sollten angegriffen oder Ziel einer politischen, religiösen oder idealistischen Bewegung sein. Alles Extreme auf dieser Welt hat den Preis von Leid und Zerstörung."

 


 

CDU gibt Grünen und Linken Mitschuld an Gewalt Politiker reagieren über Parteigrenzen hinweg mit Empörung auf Angriff gegen Polizeiposten in Connewitz

Von Klaus Staeubert


Der Anschlag auf den Connewitzer Polizeiposten ist parteiübergreifend auf Ablehnung gestoßen. "Dieser Auswuchs von Gewalt gegen eine Gruppe der Gesellschaft ist nicht hinnehmbar", erklärte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Der Rechtsstaat werde alles unternehmen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verurteilte die Tat. "Wir lassen uns nicht von Kriminellen einschüchtern", sagte er, "wir werden den Polizeiposten so schnell wie möglich wieder herrichten."

 

Die CDU-Stadtratsfraktion gab der Rathausspitze und besonders dem von Bürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) geführten Ordnungsdezernat eine Mitschuld an der Gewalteskalation und verlangte Konzepte zur Verbesserung der Sicherheit. "Durch jahrzehntelange Duldung und teilweise aktive Förderung durch die Stadtverwaltung konnte in Connewitz ein Klima entstehen, das durch Angst und Gewalt geprägt ist", so Fraktionschef Uwe Rothkegel. Linke und Grüne hätten die Einrichtung des Polizeipostens bereits vor der Eröffnung kritisiert. Rothkegel: "Sie sind die geistigen Wegbereiter für die Gewaltexzesse der letzten Nacht." Namentlich nannte er die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke), die Anti-Polizei-Demos organisiere und mit Vermummten marschiere.


"Ich finde es total legitim in einer Demokratie, wenn Menschen Kritik äußern, auch an der Eröffnung eines Polizeipostens", erwiderte Nagel. "Jetzt aber einen Bogen zu schlagen von legalen Demonstrationen zu einem gewalttätigen Anschlag, den ich auch verurteile, finde ich schon sehr gewagt." Grundsätzlich könne sie nicht erkennen, dass die Gewaltbereitschaft in Connewitz und der autonomen Szene zugenommen habe. "Ich habe sogar eher das Gefühl, dass es ruhiger geworden ist", so die Linkspolitikerin. Den Überfall sieht sie im Zusammenhang mit einer Demonstration am selben Tag in Dessau. Nagel: "Es ist dumm so etwas zu tun. Die Polizisten, die hier sitzen, haben nichts mit dem Mord an Oury Jalloh zu tun." Am 7. Januar jährte sich der Tod des afrikanischen Asylbewerbers, der 2005 unter ungeklärten Umständen auf einer Polizeiwache ums Leben gekommen war. "Gewalt gegen Sachen oder gar Personen - das gilt insbesondere auch gegenüber Polizistinnen und Polizisten - lehnen wir als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab", stellte Volker Külow klar, Vorsitzender der Leipziger Linken.


"Den brutalen und feigen Anschlag auf den Connewitzer Polizeiposten verurteilen wir auf das Schärfste", hieß es in einer Erklärung des Vorsitzenden der SPD-Ratsfraktion, Axel Dyck. Er begrüßte die Ankündigung des Oberbürgermeisters, den Posten so schnell wie möglich wieder herzurichten. Die Polizei müsse für die Bürger vor Ort präsent bleiben.


"Gewalt ist keine Lösung, man muss den Dialog suchen", so Leipzigs Grünen-Vorsitzende Christin Melcher. "Dass eine Polizei da ihre Station hat, ist überhaupt nicht kritisch zu sehen." Sie appellierte an beide Seiten, Autonome wie Staatsorgane, über Strategien zur Deeskalierung nachzudenken.