TÜ: »Irgendwas läuft da schief«

Erstveröffentlicht: 
06.11.2009

Universität - Bei einer kurzfristig anberaumten Vollversammlung machen die Studierenden ihrem Unmut Luft. Sie monieren nicht mehr akzeptable Studienbedingungen

    
VON ARNFRIED LENSCHOW   

 
TÜBINGEN. Klaustrophobisch darf man als Studienanfänger nicht sein. In der ersten Literaturvorlesung der Anglisten drängten sich im größten Hörsaal des Kupferbaus 700 Erstsemester. Gedacht ist der Saal aber für kaum die Hälfte. In den Geisteswissenschaften sieht die Lage in diesem Semester nicht rosig aus.Fast durchweg hat die Uni Tübingen mehr Studenten immatrikuliert, als sie eigentlich Plätze hat. Eine Situation, die jetzt auch in einer kurzfristig anberaumten studentischen Vollversammlung diskutiert wurde, bei der die Opfer universitärer Fehlplanungen ihren Unmut artikulierten und an Uni und Land Forderungen richteten.

Bei der Vollversammlung selbst konnte man allerdings nicht von beengten Verhältnissen sprechen. Etwa zur Hälfte war der Hörsaal 25 gefüllt mit rund 150 Studierenden, die alle schon die Treppe hinaufgestiegen waren an Plakaten, die den Missstand aufspießten. »Wir können alles außer Bildung«, stand da zu lesen. Und auch »Die Uni brennt«. Solchermaßen eingestimmt legten dann besonders die Asta-Vertreter den Finger auf die Wunden. Und die sind zahlreich, nicht nur an der Uni Tübingen.

Dass Heidelberg, Münster und Potsdam beim »Bildungsstreik« vorangingen, dass im beschaulichen Österreich die Studierenden mit Seminar- und Hörsaalbesetzungen ihre Forderungen durchzusetzen versuchen, wurde von den Anwesenden positiv notiert und als mögliche Aktionsform auch in Tübingen diskutiert.

Wenn die Decke runter bröckelt

Franz Füg vom Asta klagte »Mindestbedingungen« ein, die man als Studierender erwarten könne. Für ihn passt es nicht zusammen, wenn sich die Uni einerseits bei der »Exzellenzinitiative« bewirbt, während andererseits »in der Alten Physik die Decke runterbröckelt. Baufällige Gebäude habt ihr hier sicher nicht erwartet«, wandte er sich an die Studienanfänger. »Ich zahle Studiengebühren, trotzdem werden die Bedingungen immer schlechter«, monierte er und kritisierte dabei auch die »chaotisch« eingeführten Bachelor-Studiengänge. Sein Fazit: »Irgendwas läuft da schief.« Seine Forderung lautete daher: »Wir wollen mitbestimmen.«

Linken-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel wollte Mut machen und vergaß auch nicht den Kampf der Uni-Sekretärinnen für bessere Bezahlung. Auch Angela Heynen vom Uni-Personalrat erinnerte daran, dass auch die Beschäftigten unter schlechten Bedingungen arbeiten, wenn es so viele Studierende gibt.

Lara Mega, studentische Vertreterin im Senat, regte sich über das Versuch- und Irrtum-Verfahren auf, mit dem die Uni versuche, die Probleme zu bewältigen. »Die haben keine Ahnung, wie sie euch betreuen sollen. Es gibt Leute, die für uns verantwortlich sind.« Es könne nicht sein, dass ausgerechnet diese keine Ahnung haben, »wie wir unser Studium durchziehen können«. Als größte Gruppe an der Uni sollten die Studierenden auch etwas bewegen können, meinte Mega.

Das sahen auch die Diskutanten so. Allerdings war die Palette des Vorgeschlagenen breit. Auf ein paar grundsätzliche Dinge, die noch genauer ausgearbeitet werden sollen, konnte man sich aber einigen wie bessere Lehr- und Lernbedingungen, freie Bildung für alle und die Demokratisierung des Bildungssystems. Vor allem aber darauf: »Geld für Bildung statt für Banken.« (GEA)