Debatte über Protest-Märsche – Gauck: „Pegida“ nicht so viel Beachtung schenken

Erstveröffentlicht: 
12.12.2014

Bundespräsident Joachim Gauck spricht sich bei dem Besuch eines Flüchtlingshilfevereins in Magdeburg dafür aus, fremdenfeindlichen „Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind“, nicht so viel Beachtung zu schenken. Ähnlich äußert sich der Kölner Kardinal Woelki.

 

Positive Beispiele im Umgang mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen sollten aus Sicht von Bundespräsident Joachim Gauck stärker Aufmerksamkeit bekommen als fremdenfeindliche Bewegungen wie „Pegida“. Solche „Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind“, sollten nicht so viel Beachtung finden, sagte Gauck am Freitag beim Besuch eines Flüchtlingshilfevereins in Magdeburg.

 

Der Bundespräsident und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt sprachen mit jungen Flüchtlingen etwa aus Syrien, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind, sowie Mitarbeitern des Vereins. In Sachsen-Anhalt übernimmt der Verein Refugium die Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - andernorts machen das die Jugendämter.

 

NRW-Innenminister Jäger: Nichts beschönigen

 

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) verteidigte unterdessen seine Einschätzung der „Pegida“-Organisatoren als „Neonazis in Nadelstreifen“. „Der organisierte Rechtsextremismus versucht, sich diese Bewegung zunutze zu machen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Anti-Islam-Bewegung. „Das sind Neonazis in Nadelstreifen, die das organisieren. Ich finde, man darf da nichts beschönigen.“

 

Jäger äußerte sich zu Beginn des zweiten Tages der Innenminister-Konferenz in Köln. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte ihn am Donnerstag vor einer Stigmatisierung der „Pegida“-Anhänger gewarnt. Jäger sagte dazu: „Wir haben jetzt einige Aufmärsche in Nordrhein-Westfalen gehabt, drei weitere sind in Bonn geplant. Dahinter steht die Partei Pro NRW beziehungsweise die Anmelder dieser Versammlungen in Bonn sind uns bekannt als Mitglieder von Pro NRW.“ Damit werde deutlich, dass dahinter in der Tat Rechtsextremisten stünden. „Das ist eine besorgniserregende Gefahr. Wenn sich das verfestigt, haben wir eine rechtsextremistische Strömung, die keiner in Deutschland will.“

 

Kardinal Woelki: „Retter des Abendlandes“ brauchen wir nicht

 

Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich kritisch zu antiislamischen Bewegungen wie „Hooligans gegen Salafisten“ oder den sogenannten „Patrioten Europas gegen Islamisierung des Abendlandes“  geäußert. „Solche ’Retter des Abendlandes’ brauchen wir nicht“, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) „Wir müssen diese Herausforderungen mit rechtsstaatlichen Mitteln lösen.“

 

Der Kardinal begrüßte es, dass zur Gegendemonstration gegen die jüngste Kundgebung der Gruppierung „Dügida“ (Düsseldorfer Bürger gegen die Islamisierung des Abendlandes) neben gesellschaftlichen Gruppen auch die Kirche aufgerufen habe. Weiter betonte Woelki, Gewalt sei nie religiös zu rechtfertigen. Pervertierungen, die es leider sowohl in der Geschichte des Christentums als auch des Islam gegeben habe, dürften nicht mit der Religion gleichgesetzt werden. „Es ist nicht in Ordnung, angesichts von Gewaltexzessen etwa der Terrormiliz ’Islamischer Staat’ Muslime pauschal zu diskriminieren“, hob der Kardinal hervor. „Andererseits haben militante Salafisten in einem pluralen Rechtsstaat nichts zu suchen.“ Auch hiergegen gelte es, mit rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen, sagte Woelki.

 

Herrmann: Innenminister müssen Strategie gegen „Pegida“ entwickeln

 

Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) sieht die Innenminister von Bund und Ländern in der Pflicht, eine Strategie gegen die islamfeindlichen Demonstrationen der sogenannten „Pegida“-Aktivisten zu entwickeln. „Der Aufruf zur Toleranz allein wird hier nicht reichen“, sagte Herrmann der „Bild“-Zeitung. Das Schüren von Ressentiments gegen Muslime sei völlig inakzeptabel. Die Innenminister sollten „Ängste der Bevölkerung aufnehmen, bevor es rechtsextremistische Rattenfänger mit ihren dumpfen Parolen tun“. Intoleranten islamfeindlichen Strömungen müsse sich die Politik entgegenstellen, sagte der CSU-Politiker, und forderte zugleich, den „Islamismus - also die radikale Ausprägung des Islam - zu bekämpfen“. Dabei dürfe die Religionsfreiheit friedlicher Muslime nicht infrage gestellt werden.

 

Unter anderem in Dresden, Düsseldorf und Kassel, aber auch in anderen Städten finden seit einigen Wochen regelmäßig islamfeindliche Demonstrationen statt, die teils wachsenden Zulauf haben. In Köln beraten am Freitag die Innenminister der Länder zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) unter anderem über Demonstrationen gegen den Islam.

 

De Maizière hatte am Donnerstagabend in den ARD-„Tagesthemen“ gesagt, zwar gebe es bei den „Pegida“-Initiatoren der „problematische Entwicklungen“, und anders als sie sich selbst bezeichneten, seien sie auch keine patriotischen Europäer. „Aber unter denjenigen, die da teilnehmen, gibt es doch ganz schön viele, die bringen ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Herausforderungen unserer Zeit.“

 

De Maizière wies auf eine Studie hin, die belege, dass sich ein Teil der Bürger wie Fremde im eigenen Land fühlten. „Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“ Dabei hülfen Aufklärung, Gespräche und das Lösen der Probleme.

 

Umfrage: Mehrheit für gerechte Verteilung der Flüchtlinge

 

33 Prozent der Deutschen vermuten, dass die „Pegida“-Demonstrationen mehrheitlich von Rechtsradikalen besucht werden. 43 Prozent glauben, dass sich unter den Teilnehmern vor allem „über die Ausbreitung des Islams besorgte Bürger“ befinden. Das ergab eine am Freitag in Berlin veröffentlichte repräsentative Emnid-Umfrage für den Fernsehsender N24. Auf die Frage, wie die Bundesregierung auf die Befindlichkeiten der Bürger reagieren soll, antworten 89 Prozent der Befragten, dass die Bundesregierung auf eine „gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa“ drängen sollte. 70 Prozent wollen auch die Außengrenzen der EU besser kontrollieren lassen.

 

35 Prozent der Befragten sind dafür, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Allerdings sprechen sich auch 65 Prozent dafür aus, aufgenommene Flüchtlinge besser als bisher zu betreuen.