Leipzig. Eigentlich sollte Leipzigs größte Flüchtlingsunterkunft in der Torgauer Straße 290 längst geschlossen sein. Vor vier Jahren brachte die Kommune ihr Konzept der dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern auf den Weg – auch mit dem Ziel, die marode, von hohen Drahtzäunen umgebene Massenunterbringung in Paunsdorf nicht mehr benutzen zu müssen. Doch angesichts steigender Zahlen von Flüchtlingen ist die ehemalige Sowjetarmee-Kaserne noch immer in Betrieb und voll ausgelastet. Im kommenden Jahr sollen die Kapazitäten sogar noch erweitert und die von Unzumutbarkeiten geprägten Gebäude saniert werden. Mehr als 5,7 Millionen Euro sind dafür aus der Stadtkasse notwendig.
Zusätzliche 130 Plätze sollen laut Planung aus dem Dezernat von Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) in bisher ungenutzten Räumen eines der beiden Hauptgebäude entstehen. Damit könnten ab Frühjahr 2016 etwa 520 Flüchtlinge in den 60 Zwei- ( und Dreiraumwohnungen auf Bewertung ihrer Asylanträge warten – jeweils 260 Personen pro Haus. Das überschreitet zwar die vor zwei Jahren getroffenen Vorgaben zur Kapazitätsobergrenze solcher Erstunterbringungen in der Stadt. Aber der inzwischen vervielfachte Flüchtlingsstrom mache den Bruch der Vorgabe laut Stadtverwaltung unausweichlich.
Zum Vergleich: Im Jahr 2011 kamen insgesamt nur 285 Flüchtlinge in die
Messestadt, zum Ende dieses Jahres werden es mehr als 1400 Menschen
sein. Und in naher Zukunft wird der Strom aus den Krisengebieten in
Nahost und Afrika wohl auch nicht enden. „Neben der Schaffung weiterer
Gemeinschaftsunterkünfte an neuen Standorten in Leipzig ist es daher
erforderlich, den Standort Torgauer Straße 290 aufrechtzuerhalten und
die Aufnahmekapazität zu erweitern“, heißt es entsprechend in der
Abstimmungsvorlage für die Leipziger Stadträte. Mit den neuen
Kapazitäten könne der bestehende Bedarf nun „zumindest teilweise“
abgedeckt werden.
Gravierende Mängel an den Gebäuden – Sanierung auf Mindestniveau
Zuletzt
waren 2012 auf dem Gelände zusätzliche 130 Plätze geschaffen worden.
Kapazitäten sind im Fall der Paunsdorfer Flüchtlingsunterkunft
allerdings nur ein Problemfeld – in Fragen der menschenwürdigen
Unterbringung klafft an der Torgauer Straße seit Jahren ein Defizit. Die
ehemaligen Kasernenanlagen sind in die Jahre gekommen, Fenster, Türen,
sanitäre Anlagen, Heizung, Gemeinschaftsräume und Regen- und
Abwasserrohre laut Einschätzung der Kommune in unzureichendem Zustand.
Zudem weisen alle Gebäude – inklusive Heizhaus und unbewohntem
Mehrzweckgebäude – „gravierende Mängel im Brandschutz“ und
„bauphysikalische Mängel“ auf, so die Stadtverwaltung.
Sollte
die Ratsversammlung zustimmen, könnte das Gelände ab Sommer 2015
grundhaft saniert werden und dabei unter anderem eine neue
Wärmeversorgung im Keller der beiden Wohngebäude, eine Solartherme zu
Aufbereitung von Warmwasser sowie neue Gemeinschafts- und
Kinderspielräume entstehen. Nicht zuletzt sehen die Pläne auch den Abbau
des an Gefängnisse erinnernden Übersteigschutzes an der
Gelände-Umzäunung vor. „Für die Instandsetzung ist der Mindeststandart
vorzusehen“, heißt es. Trotzdem sind prognostizierte 5,78 Millionen Euro
nötig. Weil Fördergelder laut Kommune nicht beantragt werden können,
bleibt dafür nur die Stadtkasse.
Nach Abschluss der Sanierung und
Erweiterung der Massenunterkunft in der Torgauer Straße wird die
Unterbringung von 500 Personen jährlich 2,1 Millionen Euro kosten, heißt
es. Das wären 447.800 Euro mehr als bisher. Die Betreuung der aktuell
390 Flüchtlinge kostet dabei laut Stadtverwaltung etwa 90.000 Euro. Seit
1. Dezember übernehmen dies acht Mitarbeiter des neuen
Unterkunft-Betreibers Human Care GmbH, hieß es am Dienstag aus dem
Sozialamt. Bei künftig voller Auslastung mit 500 Flüchtlingen wären laut
Betreuungsschlüssel dann auch weitere zwei Sozialbetreuer notwendig.