Zwischen Nadelstreifen, Abendkleid, Hooliganismus und Islamisierung

Erstveröffentlicht: 
13.11.2014

Während sich die AfD-Parteiführung gegen die Anti-Salafisten-Proteste der Hooligans ausspricht, sympathisieren Teile der Partei mit diesen. Eigentlich will man aber über den Islam diskutieren Worin besteht der Unterschied zwischen friedlichen und gewalttätigen Demonstranten? Am Wochenende führte die Frage auf dem Hamburger Landesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) zu verbalen Ausschreitungen. AfD-Mitglied Claus Döring warf Landesparteichef Jörn Kruse vor, ein "amoklaufender Parteichef" zu sein. Grund war dessen Kritik daran, dass unter anderem Mitglieder der hanseatischen AfD an dem Aufmarsch der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) in Köln teilgenommen und diesen "beklatscht" hätten, obschon Polizisten angegriffen und verletzt wurden (Ausschreitungen und Fremdenhass).

 

Von Michael Klarmann

 

Ähnlich wie in der sich bürgerlich geben wollenden, rechtsradikalen Splitterpartei "Pro NRW" schwelt auch innerhalb der in Teilen auch rechtspopulistischen AfD ein Streit darüber, wie mit den HoGeSa-Aufmärschen und Mitgliedern, die daran teilnehmen, zu verfahren ist (Marsch auf Hamburg). Auslöser für die verbale Eskalation in der Hansestadt waren am Wochenende disziplinarische Schritte des Landesvorstands gegen Tatjana Festerling, weil sie den Hooligans Respekt gezollt hatte. Auch gegen Döring wollte Kruse vorgehen. Der habe "diese Demonstration beklatscht, obwohl Sie wussten, dass Gewalt gegen Polizisten verübt worden ist", warf Kruse diesem am Samstag vor.

 

Döring, der früher Landesschriftführer der islamfeindlichen Partei "Die Freiheit" war, bezeichnete sich selbst als "Hooligan" und entgegnete: "Im Gegensatz zu Ihnen war ich vor Ort. (...) Es gab [in Köln] keine Gewalt, es war eine friedliche Demonstration."

 

Landeschef Kruse erntete in der Parteitagsdebatte dazu weitere Kritik. Der Gründer der früheren Statt-Partei, Markus E. Wegner, kritisierte Kruses Vorgehen unter Hinweis auf das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit scharf. "Wenn Recht und politische Dimension für Sie einerlei sind, dann treten Sie, Jörn Kruse, von allen Absichten und Ämtern in der AfD zurück", forderte er in einem Schreiben.

 

Ein Nebenkriegsschauplatz, auf dem sich die AfD neu sortiert im Kampf gegen die Mitglieder, die der Europaabgeordnete und stellvertretende Bundesvorsitzende Hans-Olaf Henkel unlängst "sehr laute Karrieristen, Rechtspopulisten und Querulanten" nannte? Oder doch eher ein Aufbegehren jener, die Linken-Chefin Katja Kipping polemisch mit den "Hooligans in Nadelstreifen" gemeint haben dürfte? Das ehemalige AfD-Mitglied Franz Eibl wertet die Debatte als einen Machtkampf, bei dem rechte Zirkel Parteichef Bernd Lucke stürzen wollen. Für "gemäßigte AfD-Insider" sei es "erschreckend, wie sehr die in Gewaltexzessen endende Hooligan-Demo in Köln auf grundsätzliche Sympathie bei vielen Parteimitgliedern stieß".

 

Aufgeschreckt hatten jene Sympathien, vielfach über soziale Medien geäußert durch AfD-Mitglieder oder deren Umfeld respektive mancher Annäherung zwischen AfD-Vertretern und Personen aus dem Umfeld der HoGeSa-Mitmarschierer, auch den Bundesvorstand. Parteichef Lucke verschickte Ende Oktober deswegen eine seiner Rundmails an die "Mitglieder und Förderer der AfD", die auch auf der Homepage des Bundesverbandes veröffentlicht wurde. Darin heißt es unmissverständlich:

 

Die AfD verurteilt die Ausschreitungen von Hooligans und Rechtsradikalen im Rahmen der antisalafistischen Demonstrationen in Köln. Die AfD distanziert sich entschieden von den sogenannten HoGeSa-Initiativen, die den Schulterschluss mit Rechtsradikalen suchen und auch vor Gewalt gegen die Polizei nicht zurückschrecken. Eine Teilnahme von AfD-Mitgliedern an derartigen Demonstrationen, deren Unterstützung oder Billigung wäre ein schwerer Verstoß gegen Ordnung und Grundsätze der AfD und würde zur Einleitung von Parteiordnungsmaßnahmen bis hin zum Parteiausschluss führen.

 

Die Lage beruhigen konnte das nicht. Parallel zum Hamburger Landesparteitag und dem Disput über ihre Positionierung erschien ein Beitrag von AfD-Mitglied Festerling in der "Weltwoche", in dem sie Lucke und die AfD indirekt in die Nähe einer "obskuren, kontrollbesessenen Sekte mit geliebtem Anführer" rückte. Auch die deutlich weit rechts stehende "Patriotische Plattform" rief dazu auf, gegen Lucke und dessen Vorgehen in Sachen HoGeSa "aufzubegehren", denn der Parteichef habe sich von den "Tugendwächtern der politischen Korrektheit treiben" lassen. Die AfD müsse vielmehr im Kampf gegen Salafisten und den islamischen Terror die HoGeSa unterstützen, damit deren Proteste friedlich blieben, heißt es weiter in der Polemik.

 

Unterdessen haben die HoGeSa einen neuen Aufmarsch in Hannover angekündigt). Die Organisatoren klagen gegen das umstrittene Verbot. Eine Entscheidung soll am Donnerstag (13.11.) fallen.

 

Auch innerhalb der AfD diskutiert man eifrig weiter darüber, während die HoGeSa für sich mit Rechtsrock werben, Neonazis weiter für den Aufmarsch mobilisieren, in Hintergrundartikeln wiederholt skizziert wird, dass die Ursprünge der HoGeSa eindeutig aus dem rechtsextremen Spektrum kommen, und der Alt-Hooligan und Kult-Neonazi "SS-Siggi" im Interview mit einem Szeneportal mitteilt, "die Zahl der aktiven Nationalisten bei der HoGeSa" sei "höher als die offiziell in den Medien verbreitete".

 

Lucke selbst droht bei der Gemengelage Schaden zu nehmen durch Teile seiner Basis. So posierte er noch Ende Oktober auf dem nordrhein-westfälischen Parteitag mit einem AfD-Vertreter aus der Städteregion Aachen für ein Foto, der Tage später das HoGeSa-Versammlungsverbot in Hannover kritisierte und die Bundesrepublik auf seinem Facebook-Profil - ungeachtet der in der Partei engagierten Polizeibeamten, also der Hüter des demokratischen Rechtsstaates - eine "Diktatur" nannte. Entgegen der Realität bestritt der Parteitagsbesucher - der bei den Kommunalwahlen 2014 als AfD-Kandidat fungierte - ebenso, dass sich in Köln Hooligans überhaupt vermummt hätten. Firmiert derlei nun als eine Meinungsäußerung in der heftig geführten Debatte, als Rechtspopulismus oder gar als eine Art von Sympathiebekundung für die HoGeSa?

 

Statt HoGeSA lieber Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes)?

 

Die rechte Querdenkerfabrik "Patriotische Plattform" lenkt derweil die Debatte in eine andere Richtung. Deren Kopf Hans-Thomas Tillschneider hat ein Herz für die eher bürgerlich wirkenden Pegida-Demonstrationen in Dresden entdeckt. Das Mitglied im sächsischen Landesvorstand findet die Protestmärsche der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) weitaus sympathischer als die HoGeSa-Aktionen.

 

Allerdings haben Medien schon darüber berichtet, dass auch hierbei Rechtsextreme und Hooligans mitmischen und dass sich deswegen Widerstand regt. In Dresden hat sich eine "breite Protestfront" formiert. Islamwissenschafter Tillschneider ficht das weniger an, er erklärt indes im rechtspopulistisch anmutenden Duktus anschaulich, warum er diese Proteste schätzt:

 

Aber nicht nur das Bild der Anhängerschaft, auch die Identifikation des Gegners ist treffender. Pegida hat erkannt, daß das Problem nicht die Salafisten, Djihadisten und Terroristen sind, jenes traurige Häuflein von schätzungsweise 5000 meist jugendlichen Hysterikern […]. Das wahre Problem sind nicht sie, sondern der langsame und stete Prozeß der Verwirklichung von mehr und immer mehr Islam, der eine Gesellschaft zum Ziel hat, in der niemand von uns leben will. Für diesen Prozeß gibt es keinen besseren Begriff als 'Islamisierung'. Hinter ihm stehen Lobbyisten, die viel klüger sind als die salafistischen Hitzköpfe.

Hans-Thomas Tillschneider

 

Demnach wäre die Debatte über den Umgang mit den HoGeSa-Vertretern und -Aktionen innerhalb der AfD wohl selbst nur ein innerparteilicher Nebenkriegsschauplatz. In Wahrheit will der rechte Flügel wohl nicht über die HoGeSa, sondern über Muslime, Moscheebauten und den islamischen Glauben generell diskutieren, bereichert durch Untergangsängste und Verschwörungstheorien. Am Ende stünde dann wohl die Frage, ob sich die Partei den Deutschnationalen annähert oder zu einer deutschen Version der FPÖ zu werden droht. Übrigens wirbt die AfD damit, nicht ideologisch, sondern nach der Logik des klaren Menschenverstandes handeln zu wollen.