"Das Tabu brechen" ist neben "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen", "Ich bin kein Rassist, aber..." und "So jung kommen wir nicht mehr zusammen" ein der zentralen Phrasen des deutschen Stammtisches und - nur konsequent - auch der Titel des neuen Artikels von Ernst Nolte im "the european" (1).
Ernst Nolte war seinerzeit der Auslöser der Historikerdebatte, die dieser begann mit seiner - vom Holocaustleugner David Irving übernommenen - These von Auschwitz und Treblinka als Reaktion auf die Bolschwiki. "Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine ‚asiatische‘ Tat vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer ‚asiatischen‘ Tat betrachteten? War nicht der ‚Archipel Gulag‘ ursprünglicher als Auschwitz? War nicht der ‚Klassenmord‘ der Bolschewiki das logische und faktische Prius des ‚Rassenmords‘ der Nationalsozialisten?" (2) Dem Film Shoa wollte er damals ausgerechnet abgeschaut haben, dass auch die KZ-Wachmänner "auf ihre Art Opfer sein mochten“ (2).
Als deutlicher Gegenbeweis zur dümmlichen These im Alter werde man allein schon aufgrund fortgeschrittener Erfahrung klug beweist Ernst Nolte das er den Historikerstreit nicht als Beendet ansieht und will das Tabu brechen, über Hitler dürfe man nur schlecht reden. Von Anfang an präsentiert Nolte einen missverstandenen Hitler, der von rassistischen Ressentiments begleitet wurde - "Zumal von konservativer Seite als Kennzeichen Hitlers nicht selten „schlechte Rasse“ angegeben wurde." - und trotz edler Ziele - "den militärischen Sieg über die kommunistische Sowjetunion als weltweite Bedrohung der „Zivilisation“" - ständig niedergemacht wurde: "und lange Jahre hindurch begegnete Hitler viel Spott" (1).
Nach nicht wenigen historischen Klarstellungen dieser Art die Ernst Nolte vornimmt - "In dem nicht primär von Hitler, sondern durch die Verweigerung von Kompromissen ebenso [!] sehr durch Polen und England hervorgerufenen Krieg von 1940" (1) - geht er über zu seinem eigentlichen Projekt:
Der Demographie Wandel als ein Beispiel für ein Problem des deutschen Volkes, das Adolf zu lösen verstand: "Hitler hatte diese Tendenz zum „Volkstod“, wie er sie nannte, durch eine pronatalistische Politik nicht ohne Erfolg bekämpft" (1) steht Pate für sein Anliegen, die Ängste des deutschen Volkes - zum Beispiel vor dem Volkstod - nicht zu verwechseln mit den Lösungen des dritten Reiches: Diese Verdammung Hitlers und der Kampf gegen Rechts "[...] überschreitet die Grenzen der Verfassungsfeindlichkeit oft, indem er berechtigte Sorgen und Ängste der Gegenwart mit jenen „großen Projekten“ Hitlers in Verbindung bringt, nämlich die Vernichtung des Kommunismus und die „Entfernung“, d. h. letzten Endes die (der sowjetischen und freilich andersartigen sozialen Vernichtung der „Bourgeoisie“ entsprechende) biologische Vernichtung des Judentums" (1).
Nolte versucht hier zu trennen was zusammen gehört: Die Judenfrage musste gestellt werden damit es die Hitlerantwort geben konnte und wo der Volkstod als Problem behandelt wird ist die Unterordnung des Individuums unter das nationalistische Kollektiv bereits vorausgesetzt, egal wie die Antwort ausfällt. Eine solche Frage verdient nur eine „einzige Antwort – die Kritik der Frage selber“ (3). Noltes Artikel ist kein Bruch mit der bürgerlichen Idiotie, den Faschismus nicht zu erklären, sondern ihn zu verdammen; Nolte vollbringt keinen Tabubruch an diesem Wahnsinn, der die Ver- mit der Beurteilung des Faschismus verwechselt, und kaum etwas gegen den Faschismus vorzubringen hat als das bürgerliche Gestotter von 'vielen Toten' und der Demokratiefeindlichkeit.
Nolte hat mit einem solchen Bruch nichts zu tun. Er ersetzt nur die diabolische Fratze mit der Phrase von 'Es war nicht alles schlecht'.
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(1) http://www.theeuropean.de/ernst-nolte/8913-vergessener-repraesentant-der-selbstbehauptung
(2) Ernst Nolte: Die Vergangenheit, die nicht vergehen will. Eine Rede,
die geschrieben, aber nicht gehalten werden konnte. FAZ, 6. Juni 1986
(3) MEW (35/159ff)