Nach einem der größten extrem rechten Aufmärsche der letzten Jahre fühlen sich gewaltbereite Hooligans, Neonazis und weitere Rechtsaußen-Akteure als Gewinner. In ihrer Rückschau ziehen sie ein positives Fazit. Für die massiven Gewaltausbrüche wird entweder die Polizei verantwortlich gemacht oder sie werden relativierend als nachvollziehbare Folge der „islamischen Reaktion“ dargestellt. Derweil könnte sich die Lage weiter zuspitzen. Gerüchte über eine Neuauflage der Demonstration in Berlin am Jahrestag der Reichspogromnacht verbreiten sich in den Sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer.
Noch vor wenigen Tagen hatten die Hintermänner des Projekts „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSA) mit Engelszungen auf ihre Anhänger eingeredet. „Wir sind eine Familie! Gemeinsam für Deutschland“, beschworen sie den Zusammenschluss unterschiedlicher Hooligan-Gruppierungen auf Facebook, der sich auch im Motto der gestrigen Demonstration in Köln – „In den Farben getrennt, in der Sache vereint“ – widerspiegeln sollte.
„Bitte denkt daran in Köln muss alles FRIEDLICH bleiben!“ [sic!] lautete ein nur wenige Stunden später nachgereichter Appell. Der stellte weiter klar: „Wir haben gemeinsam ein ZIEL“. Als Gegner haben die HoGeSa-Macher die radikal-islamische Strömung des Salafismus gewählt. Allerdings legten die skandierten Parolen schnell offen, dass sich hier vielmehr ein unheilvolles Gebräu aus dumpfem Fremdenhass, allgemeiner Islamfeindlichkeit und plumper Deutschtümelei seinen Bann brach. Neben der Polizei richtete sich die Aggression der 4.000 bis 5.000 Demonstranten schnell gegen die anwesenden Medienvertreter, Beobachter berichteten von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ in der Domstadt.
In einer Pressemitteilung sprach die Polizei von 44 verletzten Beamten. Außerdem seien mehrere Einsatzfahrzeuge beschädigt worden. Das Bild eines umgekippten Polizeibuses, vor dem die sichtlich stolzen Hooligans Erinnerungsfotos schossen, flimmerte abends durch die verschiedenen Nachrichtensendungen und ziert heute die Zeitungsseiten.
17 „freiheitsentziehende Maßnahmen“ seien durchgeführt worden, hieß es weiter aus dem Kölner Präsidium. Wer die Schwere der Ausschreitungen mit eigenen Augen gesehen hat, muss dies für eine verschwindend geringe Zahl halten. Offensichtlich waren die Beamten vor Ort mit der aggressiven Brutalität der HoGeSa-Schläger überfordert. Nach den Angaben der Polizei sei die Situation bereits unmittelbar nach dem Beginn der Veranstaltung eskaliert. „Pyros“ seien abgebrannt worden, dann seien die Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern und weiteren Gegenständen – Augenzeugen sprechen von Steinen, Flaschen und sogar Fahrrädern – beworfen worden.
Neonazis: Polizei als politische Handlanger
Über „Twitter“ machte zunächst die von rechten Kreisen gestreute Meldung die Runde, die Berichte über die Ausschreitungen seien „Falschmeldungen der linken Schmierpresse“. Ein der Splitterpartei Die Rechte nahestehendes Internetportal schob die Schuld für die Auseinandersetzungen der Polizei in die Schuhe, „die das Aufbegehren von Menschenmassen offenbar nicht tolerieren wollte und auf die bekannte Kriminalisierung setzte“. Das Vorgehen der Beamten sei, so der Artikel weiter, „aus politischem Kalkül“ erfolgt, um „die Proteste gegen Islamisierung zu kriminalisieren und somit einen weiteren Zustrom von Bürgern zu verhindern“. „Besorgte Bürger“ jedenfalls waren vor Ort kaum auszumachen, vielmehr bestand der Demonstrationszug vor allem aus bulligen, mal mehr, mal weniger tätowierten Männern verschiedenen Alters.
Das von den HoGeSa-Verantwortlichen aufgebaute, unglaubwürdige „unpolitische“ Kartenhaus brach derweil zusammen. Der vom einem PRO-NRW-Ratsmitglied angemeldete Marsch zog zahlreiche Neonazis und NPD-Funktionäre an. Die Welt entdeckte neben dem wohl bekanntesten Neonazi-Hooligan Deutschlands, Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, den thüringischen NPD-Chef Patrick Wieschke. Dessen nordrhein-westfälischer Amtskollege Claus Cremer versorgte die Partei-Sympathisanten unterdessen mit „Innenansichten“ über die Sozialen Netzwerke. Immer wieder wurden darüber hinaus eindeutige Gesten wie der verbotene Hitler-Gruß dokumentiert. Unter dem Dach der „Hooligans gegen Salafisten“ rotten sich rechtsgerichtete, gewaltbereite Fußball-„Fans“, militante Neonazis, Partei-Kader des rechten Randes und islamophobe Hetzer zusammen – eine gefährliche Entwicklung, die es im Auge zu behalten gilt.
„Köln war erst der Anfang“
Zumal die Gewalt weiter eskalieren könnte. Ein Artikel auf dem islamfeindlichen Blog „PI-News“ unter der Überschrift „Das Wunder von Köln“, der die HoGeSa-Veranstaltung vom Sonntag mit den Montags-Demonstrationen in den letzten Tagen der DDR vergleicht, lobt „die echten Männer“, die „Gesicht für unser deutsches Vaterland gezeigt“ hätten. Salafisten könnten nur durch „physische Präsenz“ in die Schranken gewiesen werden, konstatiert der Autor unter dem Pseudonym „Iuvenal“ weiter. Nicht, dass er Gewalt verharmlosen würde, aber „man sollte Verständnis dafür haben, daß jahrelang – ja eigentlich jahrzehntelang – aufgestauter Frust der deutschen Männer (die an allem Übel der Welt schuld sein und sich der islamischen Invasion willig beugen sollen) sich nicht geräuschlos Bahn bricht, und das ganz gewiß auch in Zukunft nicht tun wird“.
„Iuvenal“ kündigt an, beim nächsten Mal würden noch mehr Anhänger auf die Straße gebracht, die „lauter, stärker und deutlicher“ auftreten würden. Gerüchte, wann und wo die nächste HoGeSa-Demonstration stattfinden soll, sind längst im Umlauf. Am 9. November, dem Tag der Reichspogromnacht, soll es nach Berlin vor den Reichstag gehen, berichtet eine einschlägig bekannte Seite auf Facebook. Köln sei erst der Anfang gewesen. Mittlerweile hat ein Polizeisprecher der Berliner Zeitung eine Anmeldung für eine Demonstration bestätigt.