Alternative für Deutschland: Eine Partei aus der Gruft der Geschichte

Erstveröffentlicht: 
23.10.2014

Wer wählt die AfD: rechte Socken oder echte Konservative? Die Antwort ist erschreckend. Mit der AfD kehrt ein Gespenst aus unserer Vergangenheit zurück, die Deutschnationalen.

 

Der brave Herr Lucke. Mit dem Rechthaberlächeln. Was ist das für einer? Ein Rechtspopulist? Ein ordentlicher Konservativer? Oder etwa Schlimmeres? Alle zerren an dem schmalen Mann und seiner AfD. Die etablierten Parteien drängen ihn in die rechte Ecke, die "Todeszone der deutschen Politik" (Volker Zastrow in der "FAS"). Aber die ersten Journalisten warnen vor Ausgrenzung. Wirtschaftsleute verkünden Unterstützung. Aus CDU und FDP kommen Überläufer. Dabei kennen wir den Herrn Lucke und seinesgleichen. Wir kennen sie von früher.

 

In der AfD erlebt das Gedankengut der Deutschnationalen seine Wiederauferstehung. Das war die Partei des Industriellen und Medienmoguls Alfred Hugenberg. Er führte den Kampf gegen den "Schmach-Frieden" von Versailles, mit dem angeblich die "Versklavung des deutschen Volkes" begonnen hatte. Das neue Versailles der AfD ist der Euro. Es ist kein Zufall, dass in den Foren der AfD genüsslich ein leicht abgewandeltes Zitat aus dem französischem "Figaro" herumgereicht wird: "Der Euro ist wie Versailles ohne Krieg." Einziger Unterschied: Diesmal soll das deutsche Volk nicht versklavt werden - sondern als Zahlmeister Europas ausbluten. Paranoia und historische Verdrehung, ganz wie bei den Vorvätern.

 

Das ist tatsächlich "eine Schande für Deutschland". Wolfgang Schäuble hatte Recht, als er die Partei so nannte. Aber er irrte, als er sie mit den "Republikanern" verglich. Die "haben sich schnell wieder erledigt", sagte der Finanzminister: "Ich denke, so wird es auch der AfD gehen." Falsch. Die AfD wird bleiben. Wenn jetzt Wahlen wären, käme die AfD auf 7,5 Prozent der Stimmen. Und da geht noch mehr: Allensbach hat herausgefunden, dass 44 Prozent der Deutschen die AfD für einen "Anwalt nationaler Interessen" halten.

 

Die AfD ist der Inbegriff der Illiberalität


"Ich möchte die AfD nicht dämonisieren", hat die SPD-Generalsekretärin Fahimi geschrieben. Das sollte sie aber. Denn mit der AfD ersteht der alte Dämon einer illiberalen Partei auf, wie die Deutschnationalen es waren. Es war ein Irrtum zu glauben, die AfD habe den Platz der FDP eingenommen. Die AfD ist keine neue liberale Partei. Sie ist - wie ihr historischer Vorläufer - das glatte Gegenteil: der Inbegriff der Illiberalität. "Ich habe mich nie als liberal empfunden", sagt Bernd Lucke: "Gesellschaftlich wird Liberalität oft als etwas Permissives verstanden. ... Es muss Grenzen geben. Und Grenzüberschreitungen müssen geahndet werden."

 

Die "Bild am Sonntag" hat ihn gefragt: "Was ist der Unterschied zwischen dem AfD-Wahlplakat 'Wir sind nicht das Weltsozialamt' zum NPD-Plakat 'Wir sind nicht das Sozialamt der Welt'?" Er hat geantwortet: "Keiner. .... Aber wenn der Slogan richtig ist, ist er nun mal richtig. Oder finden Sie, dass wir das Sozialamt der Welt sein sollten?" Die Logik sitzt. Da kann er nächstens auch plakatieren lassen: "Muslime sollen keine Kinder klauen." Das kann auch niemand wollen. Es zieht nur außer der NPD sonst keine Partei derart in den Wahlkampf.

 

Oder zum Thema Ausländerfeindlichkeit: "Wir lassen uns auch nicht einreden, dass man ausländerfeindlich ist, nur weil man sich für ein geordnetes Zuwanderungsrecht einsetzt." So geht das Rezept der reinen Demagogie. Wer setzt sich für eine vollkommen freie Zuwanderung ein?

 

Kein Ehrenmann will sich rechts erwischen lassen


Einen Rechtspopulisten will sich der brave Herr Lucke dennoch nicht nennen lassen. Noch nicht. "Rechts von der Union endet in Deutschland die Demokratie", hat Volker Zastrow geschrieben. Kein Ehrenmann will sich rechts erwischen lassen. Wie lange wird das noch gelten? Hans Wall, 72 Jahre alt, ehemals Chef der Wall AG, Spezialist für Außenwerbung und Stadtmöbel, ist Parteimitglied geworden und hat Geld gespendet. Heinrich Weiss, ebenfalls 72 Jahre, ehemals Chef des BDI, Aufsichtsratsvorsitzender eines Unternehmens der Hüttentechnik, hat sich offen zu seiner Sympathie für die AfD bekannt.

 

Er sagt: "Die AfD nimmt sich der Probleme der normalen Menschen an. Die großen Parteien haben sich von den Bedürfnissen der Bürger entfernt. Die sitzen in Berlin in ihrem Elfenbeinturm und haben wenig Ahnung, was die Menschen wirklich umtreibt." Das ist das klassische Argument des Anti-Demokraten: Regierung und Parlament seien abgehoben, weit weg. "Quasselbude" hat Kaiser Wilhelm II. gesagt.

 

Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Je mehr die AfD wächst, desto mehr wird sie wachsen. Wir werden sehen, es gibt sie alle noch, die Leute, die Kurt Tucholsky einst auf den Bildern von George Grosz sah: die Offiziere, die Unternehmer, die uniformierten Nachtwächter die Wenn-und-aber-Demokraten, die verhetzten Studenten, die gefügigen Staatsanwälte, die sturen Kleinbauern, die wildgewordenen Oberlehrer.

 

"Die deutschen Gesichter haben sich verhärtet", schrieb Tucholsky 1921: "Schärfer sind die Kinne geworden, verbissener die Lippen, brutaler die Unterkiefer." Wir werden das wieder erleben. Noch stehen wir am Anfang. Noch sehen wir Luckes lächelndes Gesicht.