Vierter Todestag von Kamal ist Projektgruppe Anlass zum Gedenken an jegliche Opfer rechter Gewalt Von ANGELIKA RAULIEN
Am 24. Oktober jährt sich der Todestag des in Leipzig von zwei Neonazis ermordeten Kamal K. zum vierten Mal. Tatmotiv: Rassismus und Fremdenhass. Der junge Iraker durfte nur 19 Jahre alt werden. In Gedenken an ihn und an alle Opfer rechter Gewalt haben mehrere antifaschistische Initiativen für den 25. Oktober zu einer Demo “Erinnern heißt kämpfen!” auf den Leipziger Markt aufgerufen.
Unter der Überschrift “Leipziger Rede” hingegen hatte bereits für Montagabend die AG Erinnerungskultur, ein Projekt des hiesigen Migrantenbeirates, in den Festsaal des Neuen Rathauses eingeladen. 400 Gäste des öffentlichen Lebens sowie Vertreter aus Kunst und Kultur wurden erwartet, gut 100 kamen. Seitens der Politik waren lediglich Stadträtin Juliane Nagel (Linke) und Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) auszumachen.
Erinnert wurde zunächst an Kamal. “Er ist das achte Todesopfer rechts-motivierter Gewalt seit 1990 in Leipzig. Hinzu kommen noch zwei Ermordete, wo der Verdacht auch besteht. Damit liegt Leipzig bundesweit hinter Berlin und Lübeck an zweiter Stelle rechts-motivierter Morde”, hatte Jamie Steinwachs von der einladenden Projektgruppe gemeint.
“Leipzig nennt sich gern weltoffen und tolerant. Doch ist es tatsächlich so?” Moderator Özcan Karadeniz stellte zu Beginn diese Frage in den Raum. Und zu Wort kamen dann Redner mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen in puncto Rassismus und Diskriminierung, die der Leipziger Stadtgesellschaft allerdings kein gutes Zeugnis ausstellten. Ihr vielmehr durchaus einen Spiegel vorhielten.
Es fange damit an, das Menschen wie er – Sohn türkischer Einwanderer, von Geburt an in Deutschland – letztlich doch stets “auf das Anderssein reduziert” würden, so Karadeniz. “Bereits als Zweitklässler sollte ich im Unterricht zu geopolitischen Fragen der Türkei antworten, weil man halt in mir gerade den Repräsentanten jenes Landes sah”, schilderte der inzwischen junge Familienvater. “Man wird zeitlebens in solche Strukturen gedrängt. Ich erlebe das auch bei meiner Arbeit mit Migrantenkindern.” Es seien im Alltag die vielen “Mikroaggressionen”, die einen unweigerlich klarmachten, dass man eben nicht Teil dieser Gesellschaft ist. Und leider vielfach in hiesigen Köpfen verwurzelt sei doch noch jenes “Ausländer = Kriminalität und Gewalt”.
Kurdin Burcu Arslan, sie kam als 17-Jährige mit der Mutter aus der Türkei, lebte sechs Jahre im Asylbewerberheim Grünau, wusste um Flüchtlingskinder, die – teils in Leipzig geboren wurden und zur Schule gehend – deutsche Klassenkameraden nur schwer bewegen könnten, sie im Heim zu besuchen. Und ein 32-jähriger, dunkelhäutiger Akademiker, seit 30 Jahren in Leipzig, will die Stadt jetzt gar ganz verlassen, nachdem er öfters auf dem Weg ins Institut tätlichen Angriffen und Pöbeleien ausgesetzt war.
Dennoch: “Ich liebe Leipzig”, sagte Arslan. “Es soll eine gute Stadt sein, in der sich alle wohlfühlen”, wofür sie sich, als Sprachmittlerin, einbringen wolle.
Die Gäste des Abends konnten bereits einen Ausschnitt einer Schau über rechtsextremistische Mordopfer in Leipzig nach der politischen Wende anschauen. Sie wird am 14. November um 18 Uhr im Rathaus mit einer Podiumsdiskussion eröffnet.