Affäre um NSU-Kommission in Stuttgart
Die NSU-Enquetekommission in Baden-Württemberg ist arbeitsunfähig. Der Vorsitzende ist zurückgetreten, weil er ein Gutachten weitergegeben hat.
STUTTGART taz | Eine Gutachtenaffäre hat die Enquetekommission zum Rechtsextremismus in Baden-Württemberg arbeitsunfähig gemacht und die Grünen in eine Vertrauenskrise gestürzt. Der Vorsitzende Wilhelm Halder (Grüne) ist am Mittwoch zurückgetreten. Er gibt zu, ein Gutachten an Parteifreunde weitergegeben zu haben, bevor es die Obleute der Kommission erhielten.
Er habe die Gutachter außerdem Ergänzungen vornehmen lassen, sagt er. Die CDU spricht von „Manipulation“ und fordert Aufklärung – ohne die sei eine weitere Zusammenarbeit mit den Grünen in der Kommission nicht möglich. Zudem kündigte die Union am Donnerstag an, zunächst nicht weiter im Gremium mitarbeiten zu wollen.
Die Kommission gibt es seit April – und genauso lange wird mühsam nach dem Ziel gesucht, das man damit verfolgt. Die CDU hat vorgeschlagen, auch die Linksextremistenszene zu untersuchen. Die FDP will Salafisten nicht außen vor lassen, wenn man schon von Extremisten spricht. Die SPD versucht nach vorne zu schauen, Handlungsempfehlungen zu finden. Die Grünen wollen am liebsten mit einem Untersuchungsausschuss in der Vergangenheit graben.
Der Interimsvorsitzende Karl Zimmermann (CDU) sagt: „Das ist ein Debattierclub, eine Talkrunde. So können wir nicht weitermachen.“ In drei Sitzungen habe er gerade mal zwei Redebeiträge gehört, die den Auftrag der Kommission betreffen, nämlich Konsequenzen aus dem NSU-Terror zu ziehen. Das Gutachten, an dem sich der aktuelle Streit entzündet, haben Landtagsjuristen für die Kommission erstellt. Es behandelt die Frage, ob Ermittler des NSU-Komplexes trotz laufender Verfahren zum Thema vor der Enquetekommission aussagen dürfen.
Die Stuttgarter Nachrichten berichteten, dass Halder das Gutachten weitergegeben habe. Halder sagt: „Wir als Grüne sind immer so streng mit anderen. Deshalb müssen auch wir Fehler eingestehen.“ Mit dem schnellen Rücktritt zog er die Konsequenz. Bei den Grünen fragt man sich etwas erschrocken, wer das Gutachten an die Presse weitergegeben hat, und sucht den Maulwurf. Gleichzeitig muss ein neuer Vorsitzender für die Enquetekommission gefunden werden.