Von Katharina Rüth und Klaus Koch
Zum zweiten Mal wollten Linksautonome ein Haus an der Marienstraße besetzen. Das regt den Stadtteil auf.
Nordstadt. „Es nervt.“ Klaus Lüdemann (Spitzname Klaus vom Ölberg) ist es leid, dass er nach einem Kneipenbesuch nicht nach Hause kommt, weil die Polizei das Gebiet wieder mit einer Hundertschaft abriegeln musste. So ist es vor zwei Wochen und zuletzt am Freitagabend bei Tumulten am Ölberg geschehen, nachdem Linksautonome das Haus Marienstraße 41 besetzen wollten. Gaby Schulten von der Ölberg-Genossenschaft kann den Ärger nachempfinden.
Schulten zufolge vermissen viele Bewohner auch eine deeskalierende Strategie der Polizei. Doch Polizei-Sprecher Christian Wirtz kontert: Die Einsatzkräfte seien am Wochenende von der Aggressivität der Besetzer überrascht gewesen. Die hätten unter anderem Messer und Schlagdorne mit sich geführt. Deshalb habe die Polizei Schlagstöcke und Tränengas eingesetzt.
160.000 Euro waren der Genossenschaft viel zu viel
Das Haus selbst steht seit Jahren leer. Die Genossenschaft, die sich um die Entwicklung des Ölbergs kümmert, hat den Preis von 160.000 Euro nicht zahlen wollen. Zumal das Haus Schulten und Lüdemann zufolge völlig verbaut ist. Wer auf die Toilette will, muss zum Beispiel durch mehrere Zimmer gehen. Einen Flur gibt es nicht. Zudem sei das Haus, das einer in die Insolvenz geratenen Gesellschaft gehört, wohl allenfalls den Bodenwert abzüglich der Abrisskosten wert. Die Meinungen der Menschen am Ölberg gehen dazu auseinander. Eine Passantin findet: „So ein Leerstand ist unmöglich.“ Sie habe lange eine Wohnung gesucht. Die Besetzung sieht sie kritisch, aber: „Die Ideen sind grundsätzlich gut.“
Gülen Bayhan-Kocyigit (46), die mit ihrem Mann einen Kiosk am Otto-Böhne-Platz betreibt, hat nichts gegen die Besetzer: „Die sind ganz friedlich.“ Auch Heidi Berz (53) und Anja Schneider (33) loben die Leute, die sie zu den Besetzern zählen – „die sind supernett“ – und verweisen auf deren Koch-Aktionen auf dem Otto-Böhne-Platz.
Beide Frauen sind auf dem Ölberg aufgewachsen. Sie vermissen heute die Geschäfte: „Es ist alles weg.“ Ihnen gefallen die Ideen der Besetzer ebenfalls: „Da sollte es Beratung geben und einen Tauschladen.“ Die Auseinandersetzung von Polizei und Besetzern hat ihnen aber Angst gemacht: „Die standen sich wütend gegenüber.“ Allerdings: „Wir können beide Seiten verstehen.“
Stimmen
„Ich wohne seit 40 Jahren auf dem Ölberg. Das leere Haus an der Marienstraße stört mich nicht.“
Fatma Bal, Anwohnerin, sitzt häufig mit Bekannten am Schusterplatz und strickt.
„Die Besetzer waren wohl ein bisschen wild. Vielleicht sollten sie besser verhandeln.“
Heidi Berz wuchs auf dem Ölberg auf und zog vor drei Jahren wieder dorthin.
„Sollen die doch da wohnen. Es gibt ja kein Wasser und keinen Strom im Haus. Wenn sie nichts schmutzig machen.“
Irena Baumgarten wohnt seit drei Jahren auf dem Ölberg
Differenziert sieht Künstler Frank Siebel (52) vom Verein Sozialtal das Problem: „Dass das Haus so lang leer steht, finde ich nicht gut. Aber die Methoden der Besetzer gefallen mir nicht. Die Anwohner fühlen sich bedroht. Es gab keine Gespräche. Man sollte uns keine Ideologien überziehen.“