Ecodefense hat am 24. Juli mitgeteilt, dass die Organisation offenbar schon am 21. Juli vom russischen Justizministerium in das „Foreign Agent“-Register eingetragen wurde – ohne auf die noch ausstehende gerichtliche Entscheidung über die bereits am 16. Juni vom Ministerium vorgenommene Einstufung als Auslandsagent Rücksicht zu nehmen. Ecodefense hatte erwartet, das Ministerium würde das Ende des Gerichtsverfahrens abwarten. Am 25. Juli reichte die Organisation ein Gesuch beim Bezirksgericht Zamoskvoretsky in Moskau ein, um zu erwirken, dass die Eintragung durch das Justizministeriums als rechtswidrig aufgehoben würde. Außerdem hat Ecodefense eine einstweilige Verfügung beantragt, um die Wirksamkeit der Einordnung als „Foreign Agent“ bis zum Abschluss der gerichtlichen Prüfung ihres Einspruchs auszusetzen.
Von nun an muss Ecodefense mit vielen tausend Euro Geldstrafe für jeden Fall, in dem Vertreter*innen der Organisation in öffentlichen Erklärungen oder Publikationen nicht ein „produziert von einem ausländischen Agenten“ anfügen, rechnen. Auch das Statement, mit dem die Organisation über den aktuellen Fall berichtet, kann derart verwendet werden, denn Ecodefense weigert sich eine solche Selbstbezichtigung vorzunehmen. Zukünftig kann es sogar zu Strafverfahren kommen, wenn die Fälle von Verweigerung sich wiederholen, was auf bis zu zweijährige Gefängnisstrafen für die verantwortlichen Ecodefense-Mitarbeiter*innen hinauslaufen würde.
Gleichzeitig mit Ecodefense hatte das Justizministerium vier prominente russische Menschenrechtsorganisationen in das „Foreign Agent“-Register eingetragen: Memorial, Public Verdict, Agora und Anwälte für Verfassungsrechte und -freiheiten (JURIX). Bisher ist Ecodefense die einzige Umweltorganisation im „Foreign Agent“-Register. Das Justizministerium begründete dies in einer Pressemitteilung mit Erkenntnissen lokaler Staatsanwaltschaften und im Falle von Ecodefense mit einem ministeriumseigenen Inspektionsbericht. Das Justizministerium verwies selbst auf die Klagemöglichkeit der betroffenen Organisationen gegen die vorgenommene Eintragung im „Foreign Agent“-Register. In keinem der Fälle hatte das Ministerium die gerichtliche Klärung des Status abwarten wollen. Auch die anderen betroffenen NGOs haben angekündigt sich vor Gericht gegen die Eintragung zu wehren.
Mit dem Vorwurf, Ecodefense sei der Verpflichtung sich „freiwillig“ selbst ins „Foreign Agent“-Register einzutragen nicht nachgekommen, sollen Bußgelder bis zu 10.000 EUR gegen die Organisation und bis zu 6.000 EUR gegen die Geschäftsführung verhängt werden. Mit diesem Ansinnen hatte das Justizministerium im Juli ein Gerichtsverfahren gegen Ecodefense eingeleitet – der erste Verhandlungstermin wird am 25. August stattfinden. Damit soll die Organisation für ihre Aktivitäten zum Stopp des AKW-Neubaus nahe Kaliningrad abgestraft werden. Da Ecodefense definitiv nicht in der Lage wäre die hohen Geldstrafen zu zahlen, würde deren Verhängung die Schließung der Organisation bedeuten, erklärte Ecodefenses stellvertretender Vorstandsvorsitzender Vladimir Slivyak.
In einem Telefoninterview mit Bellona bekräftigt Slivyak, dass „die Aktivitäten [der Organisation] nicht politisch [seien] und auf die Verteidigung der ökologischen Rechte der Bürger*innen Russlands abziel[t]en“. Ecodefense widerspricht der Auffassung des Justizministeriums und vermutet einen gemeinsamen Versuch von Ministerium und dem russischen Staatskonzern Rosatom eine der in Russland arbeitenden Umweltorganisationen „neutralisieren“ zu wollen. „Wir bedienen nicht die Interessen irgendeines Konzerns oder einer Regierung – egal ob russisch oder ausländisch. Unser Ziel ist es neue Atomdesaster wie in Tschernobyl und Fukushima zu verhindern.“
Ecodefense teilte in einem Statement mit die Einstufung als „Foreign Agent“ niemals zu akzeptieren. „Dieser Brandmarkung zuzustimmen würde bedeuten die eigenen moralischen Grundsätze zu verletzen und sowohl Öffentlichkeit als auch Staat irrezuführen. Wir sollen gezwungen werden einen Gesetzesverstoß einzugestehen, den wir nicht begangen haben“, erklärt Slivyak. „Als ‚Foreign Agent‘ gekennzeichnet zu sein, würde die Reputation zerstören, die wir uns über Jahre erarbeitet haben, und den falschen Eindruck erwecken, dass Umweltschutzarbeit im Interesse fremder Instanzen erfolgt, wo sie doch für die Verteidigung der ökologischen Rechte russischer Bürger*innen unternommen wird.“ In einem Statement zur aktuellen Repression wird ergänzt: „Gegen gefährliche Atomanlagen zu protestieren ist kein Verbrechen, die Menschen haben ein Recht darauf. Wir von Ecodefense glauben, dass ziviler Ungehorsam gegen das „Foreign Agent“-Gesetz wirklich wichtig ist, insbesondere im heutigen Russland. Wenn wir unsere Rechte nicht beschützen, wer sonst könnte es tun?“
Inzwischen haben mehrere Umweltorganisationen in der BRD ihre Solidarität ansichtlich des am 25. August 2014 bevorstehenden Prozesses bekundet – z.B. die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die mit Ecodefense diverse Veranstaltungen und Projekte gemacht hat, und urgewald.
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