Eine Mitgliedschaft in einer Burschenschaft, die im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) organisiert ist, ist nicht vereinbar mit einer Mitgliedschaft in der SPD. Dies hat der SPD-Parteivorstand am vergangenen Montag beschlossen. Die in der DB organisierten Burschenschaften verfolgten eine „zunehmend biologistische, völkische und großdeutsche Programmatik“ und dies sei „selbstverständlich nicht mit den Werten der Sozialdemokratie in Einlang zu bringen“, erklärte dazu die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann und Niklas Konrad, Bundesvorstandsmitglied der Juso-Hochschulgruppen, begrüßten den Unvereinbarkeitsbeschluss: „Für uns ist klar: Wer Mitglied in einer Burschenschaft ist, kann die Grundwerte der SPD – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – nicht vertreten“, betonten die SPD-Nachwuchspolitiker.
Der Korporationsverband „Deutsche Burschenschaft“ hatte zum Jahresbeginn 2014 rund 10 000 Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich in seinen Reihen. In den Mitgliedsbünden sind auch Mitglieder und Funktionäre der NPD und anderer Organisationen der extremen Rechten vertreten.
In Bayern, Hamburg und Hessen werden Burschenschaften, die Mitglied im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ sind, im Kapitel Rechtsextremismus in den Verfassungsschutzberichten genannt. Namentlich sind dies die Aktivitas der Münchner „Burschenschaft Danubia“, die Hamburger „Burschenschaft Germania“ und die „Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen“.
„Übersteigerter Nationalismus im völkischen Sinn“
In der Burschenschaft Danubia „engagieren sich einzelne Personen, die Beziehungen zur rechtsextremistischen Szene unterhalten oder in der Vergangenheit unterhalten haben“, informieren die bayerischen Verfassungsschützer. Bei Veranstaltungen würden „auch Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich“ auftreten, heißt es. Dem aktuellen Verfassungsschutzbericht zufolge agierten Danuben-Mitglieder „revisionistisch“ und propagierten einen „übersteigerten Nationalismus im völkischen Sinne“.
Erst vor wenigen Tagen lieferte die Münchner „Danubia“ bundesweite Schlagzeilen. Aufgeschreckt durch Medienanfragen sagten die Burschen die Vortragsveranstaltung „Pro Patria – Die Aula: Freiheitliche Publizistik in Zeiten des Kampfes gegen Rechts“ im Rahmen ihres „24. Herrschaftsfreien Dialogs“ ab. Veranstalter des „Herrschaftsfreien Dialogs“ ist der Altherrenverband der „Danubia“. Als Referent war der in Graz lebende deutsche Publizist Martin Pfeiffer (Jg. 1966), seit 2004 Schriftleiter der FPÖ-nahen Monatszeitschrift „Die Aula“ und seit 2010 Vorsitzender der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP), geladen. Von Pfeiffers Funktion bei der GfP wollen die Burschenschafter angeblich nichts gewusst haben. Die Abgrenzung der Burschen zur GfP ist allerdings wenig glaubhaft, da mehrmals ehemalige GFP-Referenten in burschenschaftlichen Zusammenhängen auftreten konnten. Festredner der alljährlich stattfindenden Burschentage waren in der Vergangenheit unter anderem Alfred Mechtersheimer (Jg. 1939) und Andreas Mölzer (Jg. 1952). Beide traten auch bei der GfP als Referenten in Erscheinung.
Im April dieses Jahres führte die „Danubia“ ihre „30. Bogenhausener Gespräche“ zum Thema „Demokratieverlust und Wege in die EU-Diktatur“ durch. Geladen waren einschlägig bekannte Referenten wie Manfred Rouhs, Vorsitzender von „pro Deutschland“, der Franzose Alain de Benoist, Vordenker der „Neuen Rechten“, und Michael Paulwitz, Vorstandsmitglied der baden-württembergischen Republikaner. Erstmals wurde die „Danubia“ 1998 im Hamburger Verfassungsschutzbericht aus Anlass von Referatsauftritten der bekannten Rechtsextremisten Horst Mahler (Jg. 1936) und Reinhold Oberlercher (Jg. 1943) genannt.
Verbindungen zur rechtsextremen Szene
Während der aktuelle Hamburger Verfassungsschutzbericht nur knapp auf die „Hamburger Burschenschaft Germania“ eingeht, wird diese in einer ausführlichen Pressemitteilung der Hamburger Innenbehörde vom 16. Mai 2014 eindeutig eingeordnet. Demnach liegen dem Verfassungsschutz Erkenntnisse über Mitglieder der „HB! Germania vor, die aktuell Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene unterhalten oder die selber Mitglied in einer rechtsextremistischen Gruppierung sind oder waren“. Die Verfassungsschützer sehen deshalb „insgesamt Anhaltspunkte für den Verdacht, dass zumindest von Teilen der Aktivitas ... rechtsextremistische Bestrebungen ausgehen und dieser Personenkreis die politische Ausrichtung der HB! Germania maßgeblich beeinflusst“. Im Übrigen würden „Diktion und Tenor“ von Veröffentlichungen der Burschenschaft „sich wenig von Internetveröffentlichungen der Hamburger NPD und hiesiger Neonazi-Gruppierungen“ unterscheiden, heißt es.
Namentlich erwähnt von der Hamburger Innenbehörde wird Norbert Weidner (Jg. 1972), bis 2012 einer der einflussreichsten Funktionäre der „Deutschen Burschenschaft“. Das Mitglied der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“, die 2011 die Mitgliedschaft in der DB von der deutschen Abstammung abhängig machen wollte, pflegt demnach „enge Kontakte“ zur Hamburger „Burschenschaft Germania“ und war im April 2014 bei einem „Germanenabend“ in Hamburg zu Gast. Anlässlich des Todestages des in der Neonazi-Szene hoch verehrten NS-Verbrechers und ehemaligen SS-Angehörigen Erich Priebke postete Weidner auf Facebook: „R.I.P. E.P.“ (Rest in Peace Erich Priebke). Das Posting wurde von Mitgliedern der „HB! Germania“ mit „gefällt mir“ markiert.
Widerstandskämpfer als „Landesverräter“ bezeichnet
Weidner verlor Ende 2012 seinen Job als „Schriftleiter“ der „Burschenschaftlichen Blätter“, dem Sprachrohr der DB, den er seit 2008 ausübte. Auslöser war ein im April 2012 von Weidner in der Mitgliedszeitung seiner Burschenschaft publizierter Leserbrief über die Verurteilung des NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer. Dessen Verurteilung zum Tode hatte Weidner als „juristisch gerechtfertigt“ bezeichnet. Der Theologe sei „zweifelsfrei ein Landesverräter“ gewesen, schrieb er. Im Sommer 2013 verurteilte das Landgericht Bonn Weidner wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in zweiter Instanz.
Als Interviewpartner der rechtsextremen Monatszeitschrift „Zuerst!“ bezeichnete Weidner 2010 das Leben in einer Burschenschaft als „attraktiven Gegenentwurf zu den anonymen Massenuniversitäten“. Weidner gehörte einst den wegen Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozalismus verbotenen Neonazi-Organisationen „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP), „Wiking-Jugend“ und „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG) an.
NPD-Funktionäre bei der „Dresdensia Rugia“
Als Verdachtsfall wird im Verfassungsschutzbericht 2012 des Landes Hessen die Burschenschaft „Dresdensia Rugia zu Gießen“ eingestuft. „Seit Mitte der 1990er Jahre sind fortlaufend Personen mit rechtsextremistischem Hintergrund, darunter auch Funktionäre der NPD, in Erscheinung getreten, die der Aktivitas beziehungsweise dem Altherrenverband der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen“ angehören, schreiben die Verfassungsschützer. Weiter ist im hessischen Bericht für 2012 zu lesen: „Mitunter wurden Personen mit Bezügen ins rechtsextremistische Spektrum zu Vorträgen eingeladen. Dabei ging die Burschenschaft stets konspirativ vor. ... In der Regel nahmen an solchen Veranstaltungen zumindest vereinzelt Rechtsextremisten teil.“
Links auf der Homepage der „Dresdensia-Rugia“ führen zur neurechten „Sezession“, den verschwörungstheoretischen „Kopp-Nachrichten“ und dem rechtsextremen Magazin „Zuerst!“. Alte Herren der Burschenschaft sind die sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel (Jg. 1974) und Arne Schimmer (Jg. 1974). Ein freundschaftliches Verhältnis pflegt die „Dresdensia-Rugia zur „Greifswalder Burschenschaft Rugia“. In deren Reihen tummelt sich der vormalige NPD-Kommunalpolitiker und unbelehrbare Antisemit Rigolf Hennig (Jg. 1935), „Landesleiter Deutschland“ der Holocaust-Leugnertruppe „Europäische Aktion“.
Einflussreicher Protagonist der „Neuen Rechten“ als Referent
Auf dem Burschentag in Eisenach wurde am 13. Juni die pflichtschlagende Burschenschaft „Germania Marburg“ zur neuen Vorsitzenden des Dachverbands der „Deutschen Burschenschaft“ gewählt. Eigenangaben zufolge will die „Germania Marburg“ 200 Mitglieder in ihren Reihen haben. Seit Jahren führt sie einen so genannten „Marburger Diskurs“ durch. Bei der jüngsten Veranstaltung am 25. Januar dieses Jahres waren als Referenten Felix Menzel („Blaue Narzisse“), Manuel Ochsenreiter („Zuerst!“) und Erik Lehnert (Institut für Staatspolitik) geladen. Auf der Rednerliste des „Marburger Diskurses“ stand auch schon der bekannte Geschichtsrevisionist Gerd Schultze-Rhonhof, der im Mai von der rechtsextremen GfP zum diesjährigen Hutten-Preisträger gekürt wurde.
Zum neuen „Schriftleiter“ der vierteljährlich in einer Auflage von 10 500 Exemplaren erscheinenden „Burschenschaftlichen Blätter“, dem offiziellen Verbandsorgan der Deutschen Burschenschaft (DB), wurde beim Burschentag Dirk Taphorn gewählt. Das Mitglied der Burschenschaft „Normannia-Nibelungen zu Bielefeld“ löst in diesem Amt Michael Paulwitz (Jg. 1965), Alter Herr der Burschenschaft „Normannia zu Heidelberg“, ab. Taphorn ist Mitarbeiter des neurechten „Zentrums für Jugend, Identität und Kultur“ in Dresden und seit Jahren Autor der „Blauen Narzisse“. Referent bei den Bielefelder Burschen war unter anderem auch der Moskauer Alexander Dugin (Jg. 1962). Dugin gilt als einflussreichster Protagonist der „Neuen Rechten“ in Russland und vehementer Kämpfer gegen Liberalismus und die transatlantische Wertegemeinschaft.