Die Gewalt hat System – Ein Kommentar zu den aktuellen Flüchtlingsprotesten in Rhein-Main

refugees 4 change

Die Proteste von Flüchtlingen in Rhein-Main, Deutschland und ganz Europa richten sich nicht nur gegen die unmenschliche Behandlung von geflohenen Menschen, sie richten sich gegen ein politisches System, das auf allen Ebenen von Rassismus durchzogen ist. Denn rassistische Gewalt geht in diesem Land nicht nur von (Neo-)Nazis aus, man findet sie in Ämtern, Gerichten und bei der Polizei, wo sie unter dem Deckmantel der Rechtstaatlichkeit oft mit vergleichbarer Härte angewandt wird. Die heutige Abschiebung dreier eritreischer Flüchtlinge mit einem eigens für diesen Anlass gecharterten Flugzeug veranschaulicht diesen Zusammenhang auf traurige Weise.     

 

Am Samstag, den 7.6., protestierten in Frankfurt zwischenzeitlich bis zu 300 Menschen gegen das europäische Asylsystem. Die selbstorganisierte Flüchtlingsorganisation „Refugees 4 Change“[1] hatte zu der Demo aufgerufen – es war bereits die vierte in den letzten Monaten. Einige der Flüchtlinge hatten eigens für die Demo ein Theaterstück über die menschenunwürdige Situation von Migrant*innen in Italien und anderen europäischen Staaten geschrieben, das sie zusammen mit einigen Unterstützer*innen an der zentral gelegenen Konstablerwache aufführten. Anschließend wurde ein riesiges Banner am „Eisernen Steg“ über dem Main gehisst, das die Aufmerksamkeit der Frankfurter*innen wecken sollte.

 

Die aktuellen Proteste in Frankfurt richten sich vor allem gegen die sogenannten „Dublin Verordnungen“. Diese bestimmen über den Willen der Betroffenen hinweg, in welchem europäischen Land ein Asylantrag bearbeitet wird. Die Regelung, die vor allem auch auf Betreiben von Deutschland verabschiedet wurde, besagt, dass Flüchtlinge nur in dem europäischen Land einen Asylantrag stellen dürfen, in das sie als erstes eingereist sind. Dies sind vor allem die Staaten entlang der Außengrenze der EU. Abgesehen davon, dass hierbei die Selbstbestimmungsrechte von Flüchtlingen verletzt werden (viele Menschen haben bspw. Bekannte und Verwandte in bestimmten europäischen Staaten, und möchte deshalb nicht einfach in „irgendein Land“), führt dieses Verfahren zu einer extrem ungleichen Behandlung von Asylsuchenden in Europa. Staaten wie Griechenland und Italien, die sowieso schon unter einem rigiden Sparzwang stehen, bieten geflohenen Menschen keinerlei Hilfe. Die Folgen sind massenhafte Obdachlosigkeit, Armut und schwere gesundheitliche und psychische Schäden. Bei Abschiebungen in die Staaten an den EU-Außengrenzen nehmen deutsche Behörden und Politiker*innen bewusst in Kauf, dass die betroffenen Menschen dort in unwürdigen Bedingungen leben müssen.

 

Für dieses Verhalten gibt es keine andere Erklärung als einen noch immer zutiefst in der deutschen Gesellschaft verwurzelten Rassismus. Die sogenannten „Dublin-Abschiebungen“ machen weder aus „logistischer“, noch aus ökonomischer Sicht Sinn. So wurde während der Entstehung dieses Textes bekannt, dass für die Abschiebung dreier eritreischer Flüchtlinge aus Frankfurt nach Italien eigens ein Flugzeug gechartert wurde. Dieses Vorgehen ist keineswegs unüblich und veranschaulicht eindrucksvoll, wie viele Mühen deutsche Behörden auf sich nehmen, um dieses Land frei von allem vermeintlich „Fremden“ zu halten. Das für die „Charter-Abschiebung“ verantwortliche Regierungspräsidium in Darmstadt war auch nach wiederholten Protesten nicht bereit, von diesem Vorhaben abzulassen.   

 

Das Menschenrecht auf Asyl wird durch die rassistische Gesetzgebung und das Verhalten von Behörden (nicht nur) hierzulande zur Farce. Schutzsuchende Menschen werden zu Bittsteller*innen gemacht, über ihr Anliegen entscheiden deutsche Schreibtischtäter*innen oft willkürlich. Herrschaftliches, (post-)koloniales Gebären ist hierbei Alltag. Das deutsche Asylverfahren dient dabei in seiner Gesamtheit der Aufrechterhaltung einer hierarchischen Ordnung zwischen „Deutschen“ und „Nicht-Deutschen“, wobei sich die „Deutschen“ das Recht heraus nehmen, über das Schicksal – oft auch über Leben und Tod – der „Anderen“ zu entscheiden. Der Grundgedanke der Menschenrechte wird hierbei ad absurdum geführt, indem eben diese Rechte de facto nach rassistischen und nationalistischen Kriterien nur selektiv für „auserwählte“ Gruppen gelten. Es ist dabei kein Zufall, dass das innenpolitische Mittel der Asylpolitik mit einer Außen- und Wirtschaftspolitik zusammenfällt, die durch das verfolgen einseitiger Interessen in vielen Regionen der Welt stetig neue Fluchtgründe schafft – ein Zusammenhang, der auch immer wieder von Flüchtlingen hervorgehoben wird.

 

Genau aus diesen Gründen ist der Protest gegen die Dublin-Verordnungen mehr als ein Protest gegen „irgendeinen Paragrafen“, wie es beispielsweise die Frankfurter Rundschau in einem selten gedankenlosen Artikel beschreibt.[2] Es geht dabei auch nicht nur um humanitäre Lösungen für irgendein „Policy-Problem“, sondern um einen Kampf gegen den durch Rassismus auf allen Ebenen geprägten Status quo.       

 

Deshalb, kommt mit den Flüchtlingen auf die Straße! Lasst uns zusammen gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen! Für ein Bleiberecht und Bewegungsfreiheit für alle!

Mehr Infos unter:

http://refugeesforchange.wordpress.com/

http://noborder-frankfurt.antira.info/