Rechtspopulismus: Burschenschafter setzen auf AfD

Burschenschafter bei einem Fackelzug in Eisenach (Archiv): AfD als politische Heimat?
Erstveröffentlicht: 
15.04.2014

Völkische Burschenschafter suchen eine politische Heimat, die Rechtspopulisten von der AfD brauchen Unterstützung. Es sieht aus, als bahne sich vor der Europawahl eine rechte Zweckehe an.

 

Von Maximilian Kalkhof

 

Sie nennen ihn "Bananen-Nolte". Der Burschenschafter Benjamin Nolte soll beim Burschentag in Eisenach den Mitgliedern einer anderen Burschenschaft, die einen schwarzen Studenten aufgenommen hatte, eine Banane hingehalten haben. Dafür gibt es mehrere Zeugenberichte.

 

Einige Jahre ist das jetzt her, doch "Bananen-Nolte" behielt seinen Spitznamen in der Szene - und blieb politisch aktiv. Vor kurzem hat er es auch bei der Alternative für Deutschland (AfD) versucht.

 

Einiges deutet darauf hin, dass sich mit dem Auftauchen der AfD der Traum einiger strammrechter Burschenschafter erfüllt. Sie hoffen auf eine politische Heimat deutlich rechts von den etablierten Parteien, wollen aber gleichzeitig für breite Wählerschichten akzeptabel sein. Die NPD zählt sicher nicht dazu, obwohl ihr auch einige prominente Burschenschafter wie der sächsische Landtagsabgeordnete Arne Schimmer angehören.

 

Daher hatten sich manche in der Vergangenheit bei den Republikanern, den Pro-Parteien oder der Freiheit engagiert - allesamt mehr oder weniger erfolglose Splitterparteien. Andere hatten über die Gründung einer eigenen Burschenschafter-Partei diskutiert, wie interne Unterlagen zeigen. Vielleicht, so die Hoffnung, gelänge ja der Aufbau einer ähnlichen Organisation wie der FPÖ in Österreich, in der traditionell viele Burschenschafter organisiert sind.

 

Zumal in der Verbandszeitschrift "Burschenschaftliche Blätter" vor zwei Jahren ein Text erschien, in dem es heißt: "Das zum Parteienstaat verkommene politische System hat sich längst vom Willen der Menschen abgekoppelt." Der Autor fordert unter anderem die Kündigung der Verträge von Maastricht und Lissabon und den Austritt Deutschlands aus dem Euro.

 

Wie verbandelt sind AfD und rechte Burschenschafter?

 

Der Fall Nolte und etliche weitere Personalien belegen, dass Rechtsaußen-Burschenschafter die AfD für ihre Zwecke nutzen wollen. Und dass die Partei eher nachlässig darauf reagiert, hofft sie doch auf eine Erfolg bei der Europawahl Ende Mai.

 

Rückblick: Kurz nach dem Bananen-Eklat musste Burschenschafter Nolte seine Studentenverbindung Libertas Brünn zu Aachen verlassen. Auch das Amt eines Obmanns des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB) musste er niederlegen. Doch der mittlerweile 31-Jährige ließ die Niederlage nicht auf sich sitzen. Er unternahm einen neuen Anlauf und trat der Münchner Burschenschaft Danubia bei.

 

Die Aktivitas der Danubia, also die studierenden Mitglieder, wird wegen revisionistischer und nationalistischer Propaganda vom bayerischen Verfassungsschutz seit 2011 als "rechtsextremistische Organisation" eingestuft.

 

Im Februar 2014 ließ sich Nolte schließlich auf dem zweiten Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden wählen. Zwar gehört Nolte dem Altherrenverein der Danubia und nicht der vom Verfassungschutz beobachteten Aktivitas an. Doch nachdem Medienberichte, unter anderem in der taz, die Verstrickung des Nachwuchspolitikers enthüllt hatten, trat er vor wenigen Tagen zurück. Mitglied der AfD ist er aber noch immer. Fragen zu seiner Rolle in der AfD und bei den Danuben ließ Nolte unbeantwortet.

 

Weitere Beispiele zeigen, wie Burschenschafter derzeit in die AfD drängen:

  • Ulrich Wlecke war AfD-Kandidat für die Bundestagswahl 2013. Er kandidierte auf Platz vier der NRW-Landesliste. Wlecke ist Mitglied der Münsteraner Burschenschaft Franconia, die nach wie vor im Dachverband DB organisiert ist, der immer weiter nach rechts driftet. Von 2009 bis 2010 trat Wlecke zudem als "Budget-Experte" der FPÖ auf. Eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE, wie Mitgliedschaften in Franconia und AfD in Einklang zu bringen seien und ob die FPÖ als Vorbild für die AfD tauge, ließ Wlecke unbeantwortet.
  • Ralf Spitzl ist Vorstandsmitglied im nordrheinwestfälischen AfD-Kreisverband Rhein-Sieg und Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. Sie gerieten in die Schlagzeilen, nachdem sie einen "Ariernachweis" für Burschenschafter gefordert hatten. Auf Anfrage teilte Spitzl mit, dass die Mitgliedschaften bei den Raczeks und in der AfD sich aus seiner Sicht nicht widersprächen - von jedem Burschenschafter werde der "Einsatz für eine demokratische und soziale Rechtsordnung" gefordert. Die Forderung der Raczeks nach einem "Ariernachweis" bestreitet er.
  • Philipp Runge arbeitet in der AfD-Bundesgeschäftsstelle in der Abteilung "Strategie, Planung und Kampagnen". In der Vergangenheit war Runge Pressesprecher der rechtskonservativen Wochenzeitung "Junge Freiheit". Er ist Mitglied der Berliner Burschenschaft Gothia und war zeitweise deren Sprecher. Auch die Gothia gehört der DB an. Von SPIEGEL ONLINE um eine Stellungnahme gebeten, verweist Runge auf die Pressestelle der AfD.
  • Gordon Engler ist Mitglied im AfD-Landesverband Sachsen und kandidiert in Dresden für die Kommunalwahl am 25. Mai. Er ist Mitglied der Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia. Derzeit fungiert Engler als Sprecher der DB. Auf Anfrage schreibt er, dass die DB demokratisch ausgerichtet sei. Auch seine Burschenschaft stehe in dieser Tradition. Zur Rechtslastigkeit der DB äußert er sich nicht.

Nach Bekanntwerden der Causa Nolte ist die AfD nervös geworden. Man habe die Landesverbände aufgefordert, im Einzelfall zu prüfen, ob Mitglieder in Burschenschaften aktiv sind, die von Verfassungsschutzämtern beobachtet werden, sagt Pressesprecher Christian Lüth. Der Bundesvorstand entscheide dann über die Ergebnisse.

 

Dennoch will die AfD dem Zulauf von rechten Burschenschaftern nicht generell den Riegel vorschieben. "Grundsätzlich gilt die Unschuldsvermutung", sagt Lüth. Nur, wer sich rechtsextremistisch äußere, müsse mit Konsequenzen rechnen, etwa einem Parteiausschlussverfahren.

 

Im Gegensatz zu anderen Parteien geht die AfD mit rechten Burschenschaftern eher lax um. Die SPD etwa ist weitaus kritischer. Seit 2006 gilt dort ein Unvereinbarkeitsbeschluss für die ganz Strammrechten: Demnach ist die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft der Burschenschaftlichen Gemeinschaft mit einer SPD-Mitgliedschaft unvereinbar.

 

Ein solcher Unvereinbarkeitsbeschluss komme für seine Partei nicht in Frage, sagt AfD-Sprecher Lüth. Stattdessen gibt man sich liberal: "Wir sind keine Überwachungspartei, die inquisitorische Gesinnungsprüfungen vornimmt."