Die mysteriöse Überwachungskamera von Leipzig-Connewitz

Erstveröffentlicht: 
05.04.2014

Der Leipziger Stadtteil Connewitz ist ein links-alternativ geprägtes Szeneviertel, in dem es seit Jahren immer wieder Konflikte zwischen einem Teil der Bewohner und der Polizei gibt. So sorgte ein neu eröffneter Polizeiposten für Reibungen. Und auch Kameraüberwachung ist ein Reizthema. Da ist die Aufregung groß angesichts eines aktuellen Vorfalls: Wer in letzter Zeit in Leipzig-Connewitz unterwegs war, der wurde vielleicht observiert - mit teurem Equipment. Von wem und warum, ist völlig unklar.

 

von Johanna Hemkentokrax

 

Es ist ein Fall wie aus einem Krimi: Seit ein paar Tagen kursieren im Internet Berichte über eine Überwachungsanlage, die in einem leeren Haus in Leipzig-Connewitz gefunden wurde. Unbekannte hatten sie entdeckt. Der anonyme Artikel zeigt auch Fotos der Technik-Installation. IT-Experte und Hacker Bernd Lauert hat sich die Bilder angeschaut: "Die Technik, die eingesetzt wurde, ist definitiv keine Haushaltstechnik. Es gibt üblicherweise bei diesen IP-Kameras so eine kleine Weboberfläche, wo man sich dann verbinden kann. In diesem Fall würde das der Überwacher aus seinem Büro tun. Dann verbindet er sich über das Mobilfunknetz auf diesen LTE-Router, geht von da aus weiter auf die Kamera und hat quasi eine Art Webseite vor sich, wo er das Kamerabild sieht. Dazu hat er diverse Bedienelemente für Zoomen und Schwenken."

 

Hersteller kann Besitzer nicht benennen


Wem gehört die Kamera? Die Technik hat immerhin einen Wert von über 8.000 Euro, schätzt Bernd Lauert. Der süddeutsche Hausbesitzer sagte dem MDR, von einer Kamera wisse er nichts. Von der Firma digital secure, von der die zugehörige Kamera stammen soll, heißt es auf Anfrage: "Gerne können wir Ihnen mitteilen, dass wir als offizieller Partner diverser Hersteller und Lieferanten speziell für Polizei- und Behördenkunden Video- und Kameratechnik anbieten." Die gefundene Kamera sei unter anderem speziell für Videokonferenzlösungen zum Beispiel bei Großeinsätzen konstruiert. Weiter heißt es: "Grundsätzlich werden unsere Anlagen über Beschaffungsstellen beziehungsweise Beschaffungsämter ausgeschrieben und durch lokale Errichterfirmen oder Systemhäuser eingebaut. Der Bedarfsträger ist uns deshalb auch nicht bekannt."

 

Leipziger Polizei hält sich bedeckt


Die Technik wirke "selbstgebastelt und zusammengebaut", heißt es von der Firma. Die verschiedenen professionellen Komponenten stammen von Spezial-Anbietern für Sicherheitstechnik. Gehört die Anlage also einer Sicherheitsbehörde? Ein klares Nein dazu gibt es auf MDR INFO-Anfrage vom Landesamt für Verfassungsschutz. Von der Leipziger Polizei kommt keine Aussage zu den Besitzverhältnissen. Stattdessen antwortet die Behörde auf Anfrage: "Da es gerade Sinn und Zweck einer verdeckten Maßnahme ist, dass sie nicht offen geführt wird, würden weitere Angaben zu einer derartigen Maßnahme deren Zweck gefährden oder gar vereiteln. Es wird daher um Verständnis gebeten, dass aus den vorgenannten Gründen eine weitere Auskunft nicht möglich ist."

 

Betroffene müssen informiert werden - eigentlich


Die Kamera konnte von ihrem Standpunkt möglicherweise zahlreiche Anwohner und Menschen, die zufällig in der Straße unterwegs waren, abfilmen. Nur in sehr eng gestecktem rechtlichem Rahmen dürfen Sicherheitsbehörden so observieren, sagt Jürgen Kasek, Rechtsanwalt und Mitglied des Bündnisses für Privatsphäre: "Das ist ein sehr sehr schwerwiegender Grundrechtseingriff, zumal die Bürger gegebenenfalls noch nicht mal wissen, dass sie betroffen sind. Normalerweise ist es auch so, dass nach so einer Beendigung der Maßnahme die Betroffenen gegebenenfalls darüber informiert werden müssen  wenn sie betroffen sind und sie gefilmt wurden ohne dass sie Verdächtiger einer Straftat waren – nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Ich habe erhebliche Zweifel daran, dass sich das hier im Nachhinein kontrollieren lässt." Wem die Kamera gehört, ob hier Sicherheitsbehörden Ermittlungskompetenzen überschritten haben oder es eine rechtliche Grundlage gab ist also ungeklärt. Fest steht nur: Der Fall befeuert die Debatte über Kontrolle und staatliche Überwachung im Stadtteil Connewitz.