Alternative für Deutschland
Die Alternative für Deutschland hat ein Personalproblem. Landesvorstände gehen aus Protest, rechte Burschenschafter besetzen Schlüsselpositionen.
Von Tilman Steffen
Es muss laut gewesen sein an jenem frühen Septembermorgen im Jahr 2009 im Eisenacher Restaurant Brunnenkeller. Seit Stunden lassen Burschenschafter hier ihr bundesweites Jahrestreffen in der thüringischen Stadt ausklingen. Einer von ihnen zieht eine Banane hervor und streckt die Frucht in Richtung von Mitgliedern der Alemannia Köln. Urwaldlaute sind zu hören, "Neger"-Gesänge schallen durch den Raum. So schildern es jene, die dabei waren.
Der Mann mit der Banane ist Benjamin Nolte, bis zu diesem Montag Vizechef der Jungen Alternative (JA) – der Parteinachwuchsorganisation der AfD. Sein rassistischer Angriff in Eisenach galt einem dunkelhäutigen Mitglied der Kölner Alemannia. Entsprechend fielen die Reaktionen aus. Dem Rauswurf aus seiner eigenen Burschenschaft kam Nolte durch Austritt knapp zuvor. Er wechselte in die national-konservative Münchner Danubia. Wie schon in Vorjahren ist deren Studierenden-Abteilung auch 2013 im bayerischen Verfassungsschutzbericht aufgeführt (S. 114) – als "revisionistisch" agierend und nationalistisch im "völkischen Sinne".
All das störte die Junge Alternative offenbar nicht, als sie Nolte erst vor wenigen Monaten zu ihrem stellvertretenden Vorsitzenden wählte. Mail-Anfragen von ZEIT ONLINE zu seiner Vergangenheit ließ Nolte unbeantwortet, ein Telefonat brach er nach wenigen Sekunden ab. An diesem Montag schließlich trat er zurück, wie der JA-Vorstand bestätigte.
Die Personalie Nolte ist nur eine von vielen, die der jungen AfD gerade zu schaffen machen. Eine Problem-Gruppe sind die internen Gegner von Parteichef Bernd Lucke: In NRW etwa traten der Vorsitzende und ein Vorstandskollege aus Protest gegen den Bundessprecher aus. Eine Woche nach dem kontrovers verlaufenen Erfurter Parteitag sind die Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt somit ohne gewählte Führung.
Die andere Front bilden jene Parteifunktionäre, die Positionen vertreten, die nicht zum moderat-bürgerlichen Image passen, auf das die Parteiführung allergrößten Wert legt.
- Auf Einladung des Landesverbandes NRW der JA sprach Ende März im Kölner Maritim Hotel der britischen EU-Gegner Nigel Farage von der britischen Partei Ukip. Er trat dort auf, obwohl sich Bundeschef Lucke erst im Februar deutlich von Farage distanziert hatte. Auch der Europawahl-Spitzenkandidat der NRW-AfD Marcus Pretzell ging ins Maritim – und kassierte eine Abmahnung des eigenen Vorstands.
- Kommissarischer Landeschef in NRW ist nach den Rücktritten vom Wochenende nun Hermann Behrendt. Der Jurist hat 2012 ein Buch veröffentlicht, in dem er vorschlägt, die parlamentarische Demokratie durch eine Direktwahl der Regierung zu ersetzen.
Besonders auffällig aber ist, wie viele AfD-Politiker aus rechtskonservativen, nationalistischen Burschenschaften stammen. Benjamin Nolte ist kein Einzelfall.
- In der AfD-Bundesgeschäftsstelle arbeitet Philipp Runge. Er ist in der Abteilung Strategie und Kampagnen für den Bereich Organisation und Planung zuständig. Vor wenigen Jahren noch war Runge Pressesprecher der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit. Er gehört zur Berliner Burschenschaft Gothia, trat zeitweise als ihr Sprecher auf. Die Gothia ist in der ultrakonservativen Deutschen Burschenschaft organisiert – einem Dachverband, in dem sich die nationalistischen Denker konzentrieren, seitdem immer mehr liberale Kräfte abwandern. Die SPD etwa hat eine Mitgliedschaft dort und in der Partei bereits für unvereinbar erklärt. Wie weit der Korpsgeist in der Gothia reicht, zeigte der Fall des früheren Berliner Sozialstaatssekretärs Michael Büge, der 2013 seinen Posten in der Landesregierung aufgab, um Mitglied bleiben zu können.
- Der Freiburger Rechtsanwalt Dubravko Mandic gehört zum Partei-Schiedsgericht der AfD in Baden-Württemberg, zum Parteitag im März in Erfurt kandidierte er für das Bundesschiedsgericht. Mandic ist Mitglied der Freiburger Burschenschaft Saxo-Silesia, die ebenfalls zur Deutschen Burschenschaft gehört. Am Telefon danach befragt, wie dies mit seinem Parteiamt in Einklang zu bringen sei, bricht er das Gespräch ab.
Wieder braucht AfD Personal-Ersatz, diesmal im JA-Vorstand. Benjamin Nolte musste gehen, Hintergrund ist eine Banane. pic.twitter.com/kdsMDXm5Ia
— Tilman Steffen (@tilmansteffen) 31. März 2014
- Der Vizechef der JA in NRW, Alexander Jungbluth, trat der Bonner Burschenschaft Raczeks bei. Dieses nationalistische Bündnis gehört zur Burschenschaftlichen Gemeinschaft – einem Konzentrat ultrarechter Bünde. Die Raczeks versuchten zum Verbands-Jahrestreffen 2011 mit einer als "Arier-Antrag" bekannt gewordenen Beschlussvorlage, die Mitgliedschaft in Burschenschaften von der deutschen Abstammung abhängig zu machen.
- Zur selben Burschenschaft gehören Joachim Paul, Landesschriftführer der AfD in Rheinland Pfalz sowie Ralf Spitzl, Vorstandsmitglied im mit 200 Mitgliedern größten AfD-Kreisverband Rhein-Sieg in NRW.
- Der Sprecher der Deutschen Burschenschaft, Gordon Engler, ist Mitglied im AfD-Landesverband Sachsen und kandidiert in Dresden für die Kommunalwahl am 25. Mai.
Mit Ulrich Wlecke hatte die AfD in NRW außerdem einen früheren Republikaner auf Platz vier der Landesliste für die Bundestagswahl 2013 gehoben. Nach drei Jahren REP-Mitgliedschaft trat der Unternehmer eigenem Bekunden zufolge wieder aus – weil er "mit der Entwicklung nicht einverstanden war".
In ihrer Ballung zeigen diese Personalien, wie stark die rechten, nationalistischen Kräfte in der AfD sind. Der Rücktritt von Junge-Alternative-Vize Nolte könnte ein erstes Zeichen für einen beginnenden Machtkampf um die Ausrichtung der Partei sein.
Nachtrag: Der Vorsitzende der Jungen Alternative, Philipp Ritz, legt Wert auf die Feststellung, dass die Vorgänge um Benjamin Nolte vor seiner Wahl "nicht bekannt" waren.