Polizei setzte verbotene Chemikalien bei Demo vor Asylheim in Leipzig-Schönefeld ein

Erstveröffentlicht: 
14.03.2014

Leipzig. Nässende Augen, triefende Nasen, gerötete Haut – die Demonstranten, die am 3. Februar in Leipzig-Schönefeld gegen einen rechtsgerichteten Aufmarsch vor dem Asylbewerberheim protestierten , haben sich ihre Gesundheitsschäden nicht nur eingebildet. Wie jetzt bekannt wurde, setzte die Polizei verbotene Chemikalien gegen die Demonstranten ein. Das könnte nun ein Nachspiel haben.

 

„Einsatzkräfte des Polizeivollzugsdienstes setzten ein Spezialfeuerlöschgerät ein. Das Gerät war mit Wasser gefüllt, versetzt mit dem Löschmittelzusatz FireAde 2000 und dem Frostschutzzusatz CW-Antifreeze", erklärt Sachsens Innenministerium gegenüber der Leipziger Volkszeitung. Das heißt: Von der Bereitschaftspolizei wurde eine chemische Substanz verwendet, die für diesen Sicherungseinsatz als Hilfsmittel offenkundig nicht zulässig war. FireAde ist zwar bei Demonstrationen etwa für das Löschen von Pyrotechnik erlaubt – der Einsatz gegen Personen, sofern diese nicht in Flammen stehen, aber nicht.

 

Bereitschaftspolizei handelte offenbar eigenmächtig

Ins Fadenkreuz gerät deshalb der Polizeipräsident von Leipzig, Bernd Merbitz. Er hatte am Abend der Demonstration gesagt, bei den gesundheitlichen Beschwerden handele es sich um einen Placebo-Effekt. Zitat: „Es wurde nur Wasser versprüht." Zu diesen Worten steht Merbitz nach wie vor. „Auf Nachfrage beim Polizeiführer wurde mir erklärt, dass es sich nur um Wasser handelt und keine anderen Hilfsmittel zum Einsatz gekommen sind. Mir war an diesem Abend nicht bekannt, dass FireAde eingesetzt wurde und wird. Das ist mir erst im Nachhinein mitgeteilt worden", erklärt der Polizeipräsident auf Nachfrage der LVZ. Mit anderen Worten: Selbst Merbitz ist von der Bereitschaftspolizei getäuscht worden.

Laut dem Innenministerium sollen sich die Beamten in vorderster Front von den Gegen-Demonstranten bedroht gefühlt haben. Augenzeugen – und dazu zählen auch Leipziger Polizisten – berichten allerdings, dass es nicht zu den beschriebenen gewalttätigen Übergriffen gekommen sei. In Dresden wird dagegen darauf beharrt: „Der Feuerlöscher war in der konkreten Situation das mildere Mittel gegenüber dem Einsatz von Pfefferspray oder eines Schlagstocks." Dennoch, so lässt Innenminister Markus Ulbig (CDU) mitteilen, stelle der Einsatz von FireAde „eine Ausnahme" dar. Deshalb werde der betreffende Einsatz im Ministerium nun „kritisch nachbereitet".

Linke verlangt Entschuldigung

Für die Linke-Stadträtin Juliane Nagel aus Leipzig, die die Gegen-Demonstration angemeldet hatte, ist dies bei weitem nicht ausreichend. „Es wäre angemessen, dass sich die Polizei bei den Demonstranten entschuldigt. Durch ein solches Vorgehen wird der zivilgesellschaftliche und antirassistische Protest diskreditiert. Menschen werden abgeschreckt, ihre Grundrechte wahrzunehmen", kritisiert Nagel das harte Vorgehen der Bereitschaftspolizisten und den Einsatz der gesundheitsgefährdenden Substanz.

Leipzigs Polizeipräsident Merbitz reagiert umgehend: „Es tut mir aufrichtig leid, dass Menschen zu Schaden gekommen sind. Als Polizeipräsident hatte ich von dem FireAde-Einsatz keinerlei Kenntnis." Das Innenministerium rechtfertigt dagegen den Einsatz weiterhin als „Gefahrenabwehr". Mittlerweile liegt bereits die Anzeige eines Demonstranten gegen die Polizei vor. Insgesamt waren am 3. Februar vor dem Asylbewerberheim Leipzig-Schönefeld 58 Beamte der PD Leipzig und 93 Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei anwesend.