Bericht zu den
ersten Prozesstagen
Am 18. Februar begann der Prozess gegen neun Neonazis aus dem Schönebecker Kameradsschaftsumfeld. Die Angeklagten sind: Patrick Smulla, Marco Lange, Maik Ruchhöft, Marcel Falke, Frank Steinbach, Michel Matthias, Patrick Fillinger, Francesco Lenz (alle Schönebeck) und Ronny Beyer (Drohna).
Es gibt vor Prozessbeginn Durchsuchungen, ausserdem werden die Ausweise der Prozessbeobachter_innen kopiert.
Der erste Prozesstag belief sich darauf, die freiwilligen psychologischen Gutachten von Francesco Lenz, Ronny Beyer und Maik Ruchhöft, sowie die Vorstrafenregister aller weiteren Angeklagten zu verlesen. Aus Ruchhöfts Gutachten war zu erfahren, daß die Gruppe nach der Ingewahrsamnahme am 21.9. ihren Kasten Bier mitnehmen und weitertrinken konnte.
Keiner der Angeklagten machte Aussagen vor Gericht.
Am zweiten Prozesstag beobachteten ca. 15 Nazis aus der Kameradschaft Schönebeck gemeinsam mit Magdeburger Nazis den Prozess. Zu erwähnen sei hier „Neonazi Kurt aus Reform“. Sehr sehenswert Kurti`s großer Moment bei „Teenager außer Kontrolle“ von RTL.1 Zweiter und dritter Prozesstag wurden genutzt, um einige Polizist_innen zu den damaligen Aussagen der Angeklagten zu befragen. Im Großen und Ganzen stimmten sie den ihnen vorgehaltenen Protokollen zu. Die Bierkasten- Geschichte wurde „hinterfragt“.
Richter: „Ist es nicht unüblich das Verdächtige Gegenstände mit sich führen können?“
Polizist: „Ja, eigentlich werden sie weggenommen.“ Aber da zuwenig Beamte auf dem Revier gewesen wären, um den Kasten wegzunehmen, wartete man lieber auf die Bereitschaftspolizei.
In den Aussagen vom Tatabend schwadronierten manche Faschos von Macheten oder Schwertern , mit denen sie angeblich angegriffen wurden, andere sahen überhaupt nichts.
Der Richter des Amtsgerichts Bernburg wurde am dritten Verhandlungstag ebenfalls vernommen. Er hatte nach dem Tatabend die Aufgabe, die Haft zu prüfen. Smulla machte aus Sicht des Richters „keinen Hehl aus seiner politischen Gesinnung.“ Smulla sagte, er sei rechter Gesinnung, wähle NPD und ginge stets auf die Trauermärsche in Magdeburg und Dresden. Die anderen aus der Gruppe hätten die selbe Orientierung. Einige waren schon Freunde zu Schulzeiten, allerdings seien sie nicht organisiert. „Ich würde mich rechts einordnen, schlage aber niemanden zusammen.“
Die Biographien der Neonazis, die Steinar-Mütze eines Angeklagten und diverse Sprüche lassen tief blicken und erneuern das Unverständnis und die Wut darüber, daß in der Anklageschrift ein rassistisches Tatmotiv ausgeblendet wurde.
Umso mehr, als dass es wöchentlich zu rassistischen Beleidigungen und Angriffen in Sachsen- Anhalt kommt. In Merseburg allein sind innerhalb einer Woche dreimal Menschen mit einem Flucht- und/oder Migrationshintergrund angegriffen worden. Wir sehen auch immer wieder, dass rassistische Motivationen hinter Angriffen verschwiegen oder nicht gewürdigt werden. So sprach das Amtsgericht Merseburg Ende November vergangenen Jahres den Hauptangeklagten im Prozess um einen Überfall auf einen Imbiss in Mücheln frei. In diesem Fall sah selbst die Staatsanwaltschaft ein rassistisches Tatmotiv.2
Es ist notwendig, rassistische Angriffe wie in Merseburg und Bernburg als solche zu erkennen und benennen. Selten genug wird eine solche Auseinandersetzung im Gerichtssaal geführt, vielmehr muss sie auf der Strasse und im Alltag geführt werden.
Wir rufen weiterhin zur Prozessbeobachtung auf- lasst die Betroffenen nicht allein!
Nächste Prozesstage: 07.03., 10.03., 13.03., 14.03., 17.03., 21.03, evtl. 24.03., 26.03., 28.03.