Neue Bundeswehrstudie: Soldaten halten Frauen bei der Truppe für untauglich

Erstveröffentlicht: 
24.01.2014

Frauen werden bevorzugt, obwohl sie für Kampfeinsätze nicht geeignet sind - das denken Bundeswehrsoldaten laut einer Studie über ihre Kameradinnen. Neben Vorurteilen ist auch sexuelle Belästigung ein großes Problem in der Truppe. Von Lisa Schnell.

 

Berlin - Katja Busche, 29, war acht Jahre Soldatin bei der Bundeswehr. Als sie befördert wurde hieß es, sie habe sich hochgeschlafen. Als sie ein Lob bekam, hörte sie: "Ihr Frauen werdet immer bevorzugt." Sie war eine von vier Frauen zwischen 400 Männern in ihrer Einheit, schleppte sich auf endlosen Märschen mit Waffen durchs Gelände, machte ihre Liegestützen und biss die Zähne zusammen. "Ich hatte immer das Gefühl, besser sein zu müssen", sagt sie. Ihren richtigen Namen will sie nicht nennen.

 

Den meisten der 18.500 Soldatinnen bei der Bundeswehr geht es offenbar wie ihr. Frauen beim Bund leiden unter den Vorurteilen ihrer männlichen Kameraden wie eine Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zeigt, die an diesem Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Für sie wurden 8500 Soldatinnen und 6000 Soldaten befragt. Fast ein Drittel der Soldaten glaubt, dass ihre weiblichen Kameradinnen einen schlechteren Job machen. 32 Prozent sind überzeugt, Frauen werden von ihren Vorgesetzten bevorzugt.

 

Auch sexuelle Belästigung ist ein großes Problem für Frauen in der Truppe. Mehr als die Hälfte der Frauen berichtet, verschiedenen Formen von Belästigung ausgesetzt gewesen zu sein - zum Beispiel mussten sie sich anzügliche Witze anhören, jeder vierten wurden pornografische Bilder gezeigt. Sexuellen Missbrauch erlebten drei Prozent der befragten Soldatinnen, in einer vergleichbaren Studie von 2005/2008 waren es noch knapp fünf Prozent. Jetzt verglichen die Forscher den Bund mit anderen Arbeitgebern. Das Ergebnis: Sexuelle Belästigung stellt bei der Bundeswehr "kein überdramatisches Problem" dar, meint der Leiter der Studie, Gerhard Kümmel.

 

"Was willst du denn da?"


In anderen Bereichen ist die Bundeswehr für Frauen aber immer noch ein ganz besonderer Arbeitgeber. Die ehemalige Soldatin Busche wurde von ihren Kameraden immer ungläubig angeschaut, wenn sie von Auslandseinsätzen sprach. "Was willst du denn da?", hieß es. Jeder zweite Soldat denkt, dass Frauen ungeeignet sind, wenn es darum geht, eine schwere Panzerfaust zu tragen. Über 40 Prozent meinen, Frauen sollten nicht im Kampf eingesetzt werden. Busche hörte immer das Argument: "Männer wollen immer die Frauen in der Gruppe beschützen und können sich deshalb nicht auf den Einsatz konzentrieren." Das traditionelle Rollenverständnis von der schutzbedürftigen Frau teilen heute immerhin noch 22 Prozent der Soldaten.

 

Die Studie zeigt: Im Vergleich zur Studie von 2005/2008 sind die Vorurteile gegenüber Frauen gestiegen, nicht gefallen. Eine "Eintrübung des Integrationsklimas" nennt das Wissenschaftler Kümmel, "eine Zumutung" nennt es die ehemalige Soldatin Busche. Sie lernte, ihre Schmerzen nie zu zeigen, immer härter zu sein als die Männer. "Die Frauen wollen sich integrieren, deshalb passen sie sich an", sagt Kümmel. Bessere Karrierechancen, wie es über die Hälfte der befragten Soldaten glaubt, scheinen sie deshalb nicht zu haben.

 

Ein weiblicher General bei der Truppe

 

Es gibt genau einen weiblichen General bei der Bundeswehr - und das im klassischen Frauenbereich, dem Sanitätsdienst. Ansonsten sind Frauen in Führungspositionen immer noch die Ausnahme. Das liegt auch daran, dass die Bundeswehr mit einem Frauenanteil unter den Soldaten von 10 Prozent noch weit hinter ihrer selbstgesetzten Frauenquote von 15 Prozent zurückliegt.

 

Doch die Bundeswehr hat ein Imageproblem, nicht nur unter Frauen. Fast die Hälfte aller Befragten würde sich nicht noch einmal dafür entscheiden, zur Bundeswehr zu gehen. 2005/2008 waren es noch zehn Prozent weniger. Die neue Befragung wurde 2011 durchgeführt, mitten in den Wirren um die Neuausrichtung der Bundeswehr als Freiwilligenarmee. Die Auswertung dauerte gut drei Jahre. Wo die Ursachen für die besorgniserregenden Ergebnisse liegen, das wolle die Bundeswehr jetzt in einer "Analyse auf breiter Basis" herausfinden, so der Auftraggeber der Studie, Vizeadmiral Heinrich Lange. Es ist ein Symposium zum Thema geplant, denn dass "dringender Handlungsbedarf" besteht, sei klar.

 

Dass die Studie, die diesen Mittwoch fertig geworden ist, schon drei Tage später der Presse präsentiert wird, sei auch ein Verdienst der neuen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), heißt es bei der Truppe. Um die Bundeswehr für Frauen attraktiver zu machen, will sie nach eigenen Angaben "die Karrierepfade für Frauen gangbarer machen, die Vereinbarkeit von Dienst und Familie vorantreiben und besser sichtbar machen, wie sehr die Bundeswehr von der wachsenden Zahl Frauen in der Truppe profitiert".

 

Auch der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus forderte in seinem letzten Bericht, die Werbung von neuen Soldaten mehr auf Frauen zuzuschneiden. Noch gibt es im Imagefilm der Bundeswehr zwischen vielen Panzern, Hubschraubern und Gewehren nur eine Frau: Sie liegt in den Armen eines Marinesoldaten, der sich gerade von ihr verabschiedet.