Seit über einem Jahr hetzen rechtsradikale und rassistische Organisationen und Parteien in Italien in einer immer massiver werdenden Form gegen MigrantInnen und Flüchtlinge. Vor allem die Lega Nord und CasaPound Italia tun sich dabei stark hervor. Dies nicht nur im allgemeinen politischen Sinn, sondern auch ganz konkret vor Ort in den Kommunen wenn Lager und Sammelunterkünfte für MigrantInnen und Flüchtlinge errichtet werden sollen oder es gegen Wohnsiedlungen (besser gesagt Armensiedlungen) von Roma geht. Jetzt kam es in der letzten Woche zu mehreren massiven Gewalttätigkeiten, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte richteten.
Treviso – sweet home Alabama
In Quinto, einem Stadtteil der venetianischen Stadt Treviso sollten in dieser Woche rund 100 Afrikaner in seit Jahren leerstehende Appartements eines Wohnblocks einziehen. Auf diese Ankündigung hin verließen einige italienisch-stämmige BewohnerInnen ihre Wohnungen und campierten vor dem Haus. Sie würden nicht in einem Flüchtlingswohnheim wohnen wollen, so eine ihrer Aussagen. In der Nacht verhalfen sie Rechtsradikalen der „Forza Nuova“ in eine Wohnung einzudringen, wo Mobiliar, Matratzen, Fernseher und dergleichen für die Wohnungen der zu erwartenden Flüchtlinge aufbewahrt wurden. Die Faschisten entwendeten die Gegenstände und zündeten einen Teil vor dem Haus an. Die Stadt Treviso quartierte kurzzeitig ca. 50 Flüchtlinge in dem Wohnblock ein, verlegte sie aber schon am 17. Juli in die auswärts gelegene Ex-Kaserne Serena zwischen Casier und Treviso. Die rassistischen AnwohnerInnen und „Forza Nuova“ feierten ihre gewalttätige und rassistische Aktion als großen Sieg. Der Chef der Lega Nord äußerte sein Verständnis für die Aktion und rechtfertigte sie als Resultat der verrückten Politik der Linken, die für eine Invasion sei - „politica pro-invasione della sinistra“. Der Gouverneur der Region Venetien, der Legist Luca Zaia, sprach von einer „africanizzando il Veneto“ - einer „Afrikanisierung des Veneto“ und dass er auf Seiten der protestierenden AnwohnerInnen stehe.
Das zweite Ereignis dieser Woche fand in Rom im Stadtteil La Storta unter der Ägide von CasaPound Italia statt.
La Sovranita italiana
Für die Lega Nord gilt, dass sie sich unter ihrem neuen Parteisekretär Matteo Salvini zu einer Partei nach dem Vorbild der französischen „Front National“ umbauen will, ihre ideologische und praktische Ausrichtung stark der radikalen Rechten annähert und sich mittlerweile am äußersten rechten Rand der politischen Landschaft Italiens befindet. Dabei strebt sie es als (ex-) regionalistische Partei nicht nur an in Nord-Italien, sondern in ganz Italien Fuß zu fassen. Um Letzteres umzusetzen hat sie sich 2014 mit der faschistischen Partei CasaPound Italia unter dem Namen „Sovranita“ - „Souveränität“ zusammengeschlossen, agiert zusammen in Kampagnen und kandidiert gemeinsam bei Wahlen. Dabei nutzen sie den alten Slogan des „Eigen volk eerst“ - „Das eigene Volk zuerst“ des rechtsradikalen belgischen „Vlaams Belang“. Mit der Parole „Prima gli Italiani“ - „Italiener zuerst“ und dem Logo „Sovranita“ treten Lega Nord und CasaPound gemeinschaftlich gegen die Immigration nach Italien an, die sie als quasi militärische Invasion ansehen.
Je nach kommunaler Stärke inszenieren sie seit Mitte letzten Jahres getrennt oder gemeinsam Proteste gegen Neueröffnungen von Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge oder mischen sich mit anderen rechten Gruppierungen unter die italienische Bevölkerung, die aus eigenen rassistischen Antrieb Proteste inszeniert. So waren Lega Nord und CasaPound vor Ort als es im November 2014 im römischen Stadtteil Tor Sapienza zu pogromartigen Ausschreitungen gegen eine Unterkunft von MigrantInnen kam. Mario Borghezio, der mit Unterstützung von CasaPound 2014 für die Lega Nord wieder in das Europa-Parlament einziehen konnte, zeigte sich in den dem Pogrom folgenden Tagen mit Simone di Stefano, einen der beiden Vize-Präsidenten CasaPounds, in einer nahe gelegenen Bar und goutierte die rassistischen Gewalttaten der StadtteilbewohnerInnen gegen die MigrantInnen.
Proteste gegen MigrantInnen und Flüchtlinge lanciert CasaPound quer über die Apenninische Halbinsel. Vor allem aber in Rom ist CasaPound sehr umtriebig und gründet eigene Stadtteilorganisationen, die gezielt die rassistischen Vorurteile vorantreiben und die Bevölkerung an ihre faschistische Organisation binden soll. So z.B. das „Comitato Fenix 13“ im Municipio 13, das die Schließung des „Centro ENEA“ in der via Boccea und die Vertreibung der Menschen aus zwei Roma-Siedlungen durchzusetzen versucht. Präsident des „Comitato Fenix 13“ ist niemand anderes als Simone Montagna, der Sänger der faschistischen CasaPound - Band „Bronson“.
una nera estate romana - ein schwarzer Sommer in Rom
Seit drei Monaten hetzt CasaPound nun auch im Stadtteil La Storta gegen die Unterbringung von ca. 100 Flüchtlingen in der ehemaligen Privatschule Sokrates in der via del Casale di San Nicola. Mit Spruchbändern wie „Nessuno tocchi il mio popolo“ - „Niemand macht mein Volk an“, einer temporären Besetzung der Schule und anderen Aktionen heizte sie die Stimmung im nördlichen Stadtteil Roms an. In diesem Stadtteil wohnen rund 20.000 EinwohnerInnen auf ca. 46 Quadratkilometer – davon sollen angeblich 250 Familien in unmittelbarer Nähe dieser weit abgelegenen Schule wohnen. Vor allem diese AnwohnerInnen halten als Argument her, dass eine Unterbringung von 100 Flüchtlingen nicht möglich sei. Die Sicherheit, der Besitz, die Ruhe, die Ordnung, eigentlich Alles stehe auf dem Spiel und sei gefährdet – von einer Invasion und einem Krieg ist die Rede. So die Interviews, die einige aufgebrachte AnwohnerInnen und Faschisten den großen Zeitungen und Sendern geben und die in den Sozialen Medien kolportiert werden.
Das Schulgebäude im Stadtteil La Storta wurde in der letzten Zeit für die Unterbringung der Flüchtlinge präpariert. Am 17. Juli sollten die ersten 19 Flüchtlinge in die Schule einziehen und CasaPound kündigte an zusammen mit StadtteilbewohnerInnen dagegen Widerstand zu leisten. Am 8. Juli schon hatten Mitglieder des Comitato „Presidio San Nicola“ die Straße für den Präfekten Franco Gabrielli blockiert. Am 17. Juli aber blockierten – bei ca. 40 Grad - ungefähr 100 Personen des Comitato, AnwohnerInnen und Faschisten den Bus, der die 19 Flüchtlinge zu ihrer neuen Unterkunft bringen sollte. Anwesend waren ca. 30 Faschisten von CasaPound. Darunter die beiden Vize-Präsidenten Simone di Stefano und Andrea Antonini. Sowie ihre Brüder Mauro Antonini und Davide di Stefano, die beide als Assistenten des Lega Nord Europaabgeordneten Mario Borghezio fungieren.
Von der Ereignissen gibt es mittlerweile verschiedene Zusammenschnitte diverser Fernsehsender und -kanäle. Zur Zeit erscheint der Ablauf der Ereignisse so:
Als der Bus mit den Flüchtlingen unter Polizeibegleitung erschien standen ca. 100 Personen auf der Fahrbahn, um diesen an der Weiterfahrt zu hindern. Als die Polizei die Menschen anwies, die Straße zu räumen fordert Andrea Antonini die Anwesenden zu einer Sitzblockade auf. Antonini war mit einem Megaphon und einem extra gestalteten T-Shirt ausgestattet. Auf der Vorderseite stand der Namen der CasaPound Haus- und Hofband „ZetaZeroAlfa“. Und auf der Rückseite quasi das CasaPound Motto der Saison: „una nera estate romana“ - „ein schwarzer Sommer in Rom“. Als sich die erste Reihe, ca. 20 Frauen, in einer Kette setzten begann die Polizei die Blockade zu räumen. Dies verlief - wie auf diversen Filmaufnahmen zu sehen ist – ohne große Gewaltanwendung. Was wiederum den anwesenden Rechtsradikalen nicht in das anvisierte Eskalations-Konzept zu passen schien - sie intervenierten. Der Teil der Faschisten, der hinter den sitzenden Frauen stand, verwickelte die Beamten immer mehr und massiver in Rangeleien. Der andere Teil der Faschisten, der vermummt und mit Helmen und Stühlen ausgestattet, hinter einem Maschendrahtzaun stand, bewarf kurz darauf die Beamten mit Steinen und den Stühlen – ungeachtet der AnwohnerInnen. An dieser Stelle eskalierte die Situation und die Polizisten taten das, was Polizeibeamte anscheinend am Besten können – sie schlugen zu. Ebenso die Faschisten von CasaPound. Es entstand eine wüste Prügelei zwischen den Faschisten und der Polizei. Angefeuert wurden die Kameraden die ganze Zeit von Davide di Stefano mittels eines Megaphon. Als dem Nationalen Koordinator von „Sovranita“ die akustische Leitung der Aktion anscheinend nicht mehr ausreichte schlug er selbst mit einem Schirm auf die Beamten ein. (Ganz Held aus der letzten Reihe kommend, wohl gemerkt). Während der Schlägerei wurde der die Anreise koordinierende und weisungsbefugte Beamte mehrmals im Gesicht getroffen. Sichtlich wütend ordnete er ein explizites Vorgehen gegen die Squadristen an. Die Polizei prügelte die Faschisten die Landstraße hinunter. Diese wiederrum steckten bei ihrem Rückzug noch mehrere Strohballen an. Quintessenz dieses „heißen“ Tages in La Storta waren - offiziellen Angaben zu Folge - 14 verletzte Beamte, zwei Verhaftungen, eine Anzeige, 15 Personen gegen die die Questura der Polizei ermittelt und - jede Menge Pressemitteilungen.
Bei den beiden Verhafteten stellte sich heraus, dass sie Mitglieder von „Fratelli d`Italia“ und „Militia“, zwei rechtsradikalen Organisationen, sind. Fabrizio Mori ist Mitglied der Partei „Fratelli d`Italia“, die sich quasi als die Nachfolgepartei der „Alleanza Nazionale“, bzw. deren Vorläufers der faschistischen „Movimento Soziale Italiana“ (MSI) versteht. Mori erhielt umgehend Rückendeckung durch seine Partei. Und Stefano Caradonio stammt aus der „Militia“ und hat eine lange Erfahrung bei den rechten rot-gelben Ultras „Opposta Fazione“. Die Führer der neonazistischen und antisemitischen „Militia“ Stefano Schiavulli und Maurizio Boccacci, stellten sich sofort bedingungslos hinter ihm.
CasaPound konnte also noch andere Bereiche der römischen „famiglia fascista“ für ihr Vorgehen gewinnen und wird für ihre Aktion in der rechten Presse gelobt.
Weitere Proteste und eine Straßenbesetzung der „Braccianese“ wurden für den kommenden Montag angekündigt. Der „schwarze Sommer“ findet seine Fortsetzung.
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Videos:
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https://www.youtube.com/watch?v=uZLX5q1MjNI
Migranti, la rivolta di Casale San Nicola a Roma: il sit-in poi le cariche
https://www.youtube.com/watch?v=iophkB5O_AE
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https://www.youtube.com/watch?v=DGRsnrmMLw0
Migranti, cariche della polizia a Casale San Nicola a Roma
https://www.youtube.com/watch?v=J2klmONiMbY
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https://www.youtube.com/watch?v=bbgMtMimQpg
Italy: fascists at heart of protests that have forced out refugees (17.07.2015)
Italy: fascism on the rise as Lega Nord and Casa Pound join forces (01.06.2015)
Radiobeitrag auf Radio Corax
Casa Pound und Lega Nord schüren rassistische Stimmungen in Italien
Casa Pound eine rechtsradikale Bewegung und Partei, die sich selbst als "Mussolinis Erben" bezeichnet ist seit gut einem Jahr ein Bündnis mit der Lega Nord eingegangen. Gemeinsam hetzen die beiden vorwiegend gegen Flüchtlinge und versuchen die latente rassistische Grundstimmung im Land in gewalttätige Proteste zu kanalisieren. Letzte Woche ist ihnen das gelungen und es kam zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Rom und Treviso. Wir haben mit dem Journalisten und Buchautor Heiko Koch gesprochen der sich seit ihrer Gründung mit der Casa Pound Bewegung auseinandersetzt.
http://www.freie-radios.net/71753
Rassismus in den Suburbs von Rom
Piazzapulita - Corcolle. L'odio nelle nostre periferie
https://www.youtube.com/watch?v=L6yqd3NH-hY
Nachwort zum Artikel vom Juli 2015
Im Februar 2016, ein halbes Jahr nach den gewalttätigen Ausschreitungen, wurde verkündet, dass das Aufnahmelager für Flüchtlinge in der ehemaligen Schule Sokrates in Casale San Nicola geschlossen wird. Dies aus den verschiedensten Gründen heraus. CasaPound Italia feiert dies als den Sieg des Stadtteils und ihrer rassistischen Mobilisierung vor Ort.
http://www.vignaclarablog.it/2016022036343/casale-san-nicola-chiude-centro-accoglienza-profughi
Casale San Nicola, chiude il centro accoglienza profughi
Redazione | 20-Febbraio-2016
La cooperativa “Isolaverde”, alla quale era stato affidata la gestione del Centro di accoglienza profughi realizzato nell’ex scuola Socrate a Casale San Nicola, zona La Storta, dovrà lasciare la struttura e trasferire il centro in un altro stabile. L’ingiunzione è in una lettera a firma del Prefetto di Roma, Franco Gabrielli consegnata nelle ultime ore alla cooperativa.
Ne ha dato notizia il quotidiano La Repubblica che, nell’edizione romana di sabato 20 febbraio, spiega che lo “sfratto” è motivato dal problema di dover dispiegare quotidianamente un elevato numero di agenti delle forze dell’ordine nel servizio di presidio della struttura.
“Emergono” scrive Gabrielli “criticità relative all’ubicazione della struttura. In particolare si è preso atto, nel corso del 2015, delle proteste dei cittadini residenti nella zona che hanno dato luogo all’adozione di misure di vigilanza da parte della questura”.
E poi, riporta ancora La Repubblica, nella lettera il Prefetto afferma che “non si ritiene più sostenibile la prosecuzione di tali misure, né può considerarsi ammissibile un dispiegamento continuativo di forze dell’ordine al fine di garantire il pacifico espletamento del servizio di accoglienza. Ne consegue la valutazione di inidonietà della struttura per motivi logistici e ambientali. Si chiede a codesto ente gestore - si chiude così la lettera - di voler proporre entro 30 giorno l’utilizzo di ulteriori stabili”.
La decisione era nell’aria da qualche mese. Già lo scorso novembre il prefetto Grabrielli aveva dichiarato pubblicamente di non voler rinnovare la convenzione con la Cooperativa Isolaverde per il 2016. centro di accoglienza per richiedenti protezione internazionale”.
Decisione presa dopo un lungo periodo di silenzio seguito alla violenta reazione con la quale i residenti di Casale San Nicola avevano accolto l’arrivo dei profughi avvenuto venerdì 17 luglio, una giornata che fu funestata da scontri fra le forze dell’ordine e i manifestanti con un bilancio finale di quattordici feriti e due arresti.
Tutte le tappe della vicenda nei nostri precedenti articoli: clicca qui
(http://www.vignaclarablog.it/?s=%22casale+san+nicola%22)
Republica: Roma, casale San Nicola ordine di sgombero: "Pochi gli agenti via gli 80 immigrati"
http://roma.repubblica.it/cronaca/2016/02/20/news/roma_casale_san_nicola_ordine_di_sgombero_pochi_gli_agenti_via_gli_80_immigrati_-133846476
Rechte Meldungen:
Casale San Nicola, hanno vinto i residenti e Casapound: cacciati i profughi, troppo pericolosi
xxx.riscattonazionale.it/2016/02/20/casale-san-nicola-hanno-scritto-i-presidenti-e-casapound-i-profughi-cacciati
Casale San Nicola, la protesta vince sul prefetto: via gli immigrati
xxx.ilprimatonazionale.it/politica/casale-san-nicola-40356
casaPound Italia: "Difendere Roma... Verteidigt Rom,
Schluß mit der Immigration, Schluß mit dem "Empfang" "
Kommentar von Simone di Stefano,
Vizepräsident von CasaPound Italia