Ein Lorbeerkranz für SS-Siggi

Erschien nicht auf seiner eigenen Ehrenfeier: Nazihooligan Siegfried Borchardt.
Erstveröffentlicht: 
18.11.2013

SÖLLINGEN taz | Wer von Karlsruhe aus Richtung Straßburg fährt, muss sich abends schon konzentrieren, um wach zu bleiben. Rechts und links der Bundesstraße 36 ist es meist stockdunkel – das Gebiet ist dünn besiedelt. Irgendwann, ein paar Kilometer südlich von Rastatt, geht es dann rechts ab, die Kirchstraße liegt nach wenigen Metern linker Hand – ein ungewohnter Weg für all die Autos mit Kennzeichen aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Hessen, die am Samstagabend das Rössle angesteuert haben.

 

Zumal die Neonazis erst wenige Stunden zuvor per Telefon erfahren hatten, dass das Nazikonzert, das die Dortmunder Polizei am Freitagabend verboten hatte, nun in Rheinmünster-Söllingen stattfinden würde. In einem großen Dorfgasthof, der der lokalen Antifa seit Jahren als Basis der lokalen Naziszene bekannt ist, hing dann das Transparent, das einen Jubilar ehrte: eine Zeichnung von Siegfried Borchardt, besser bekannt als „SS Siggi“ – mit Lorbeerkranz und dem Schriftzug „Alles für Dortmund“.

Borchardt ist Deutschlands wohl bekanntester Nazihooligan, der als Gründer der Dortmunder „Borussenfront“ schon in den Achtzigern traurige Berühmtheit erlangte. Im Moment ist er Dortmunder Kreisvorsitzender der Partei „Die Rechte“, einem Auffangbecken für Mitglieder verbotener Kameradschaften.

Zu Ehren der Nazi-Ikone aus dem Ruhrpott waren die Nazibands Sachsonia, Words of Anger und Klänge des Blutes angekündigt, ehe kurz vor halb eins am Morgen der Star des Abends die Bühne betrat: Michael „Luni“ Regener, Exsänger der als „kriminellen Vereinigung“ verbotenen Band Landser.
Nationales Ereignis mit Anwesenheitspflicht

Zwei Tage zuvor, am 14. November, hatte Borchardt Geburtstag. „SS Siggi“ ist eine Ikone der deutschen Naziszene, schon in der Vergangenheit waren seine Geburtstage ein nationales Ereignis mit Anwesenheitspflicht für alle, die in der Szene etwas auf sich halten. Da wundert es auch nicht, dass zur diesjährigen Geburtstagsfeier ein Barde aufspielt, der überall, wo er auftritt, die Hallen füllt.

„Luni“ gilt bei der deutschen Naziszene als „Märtyrer“, weil er – im Gegensatz zu seinen Bandkollegen – 2005 lieber für fast drei Jahre ins Gefängnis ging, als gegenüber der Staatsanwaltschaft auszusagen. Die „Terroristen mit E-Gitarre“ hatten „Bomben auf Israel“ gefordert und Afrikaner als „Affen“ bezeichnet.
Teilnehmer aus dem Westen angereist

Die Landser-Nachfolgeband Lunikoff-Verschwörung ist kaum weniger radikal. Regener selbst wirbt auf seiner Homepage für die NPD, nennt die Bundesregierung „ZOG“ („zionist occupied governement“ – zionistisch besetzte Regierung“) und trifft damit den Ton, der seinen Fans gefällt. Zum ersten Konzert nach seiner Haftentlassung strömten im Jahr 2009 etwa 4.000 Nazis nach Gera.

Viele sind am Samstag nicht nach Söllingen gekommen – die Polizei zählte 120 Teilnehmer. Die Mobilisierung war wohl doch zu kurzfristig. Doch auffallend ist, wie viele Kennzeichen aus dem Westen der Republik auszumachen sind, besonders aus Dortmund. Borchardt selbst war indes offenbar nicht vor Ort, zumindest beklagen das einige seiner Fans im Internet. Doch auch in Abwesenheit ihres Kreischefs hatte „Die Rechte“ einen Infostand im Rössle aufgebaut.
Rössle ein Treffpunkt der rechten Szene

Das Konzert am Samstagabend war das fünfte Nazikonzert, das seit Juni im Rössle stattfindet. Wirt Günter S. hat gegenüber Gewerkschaftern mehrfach betont, er überlasse den Rechten seine Wirtschaft nicht aus Sympathie, ihm sei vielmehr „egal, woher das Geld komme“.

Das kann man wohl sagen: Mitglieder der Nazikameradschaften in Rastatt und Karlsruhe nutzen das Rössle als Treffpunkt, nach Informationen der Antifa wurde das Konzert von „Division Germania“ und „Kommando Skin“ am 22. Juni von einem pfälzischen Hammerskin organisiert, einer ultrarassistischen, konspirativen Neonazigruppe. Seither fanden vier weitere Konzerte mit bis zu 350 Besuchern statt. S. hat die Konzession für zwölf Gigs im Jahr – gut möglich also, dass Söllingen an den verbleibenden sechs Wochenenden des Jahres wieder Besuch bekommt.