Vorwärts – und nicht vergessen! - Nr. 1 - Politische Analyse Deutschlands der vergangenen sechs Monate

 Vorwärts – und nicht vergessen! - Nr. 1 - Politische Analyse Deutschlands der vergangenen sechs Monate

Imperialistische Aggressionen Deutschlands
Nach wie vor bestimmt das Thema der Euro- bzw. EU-Krise die europäische Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. In den letzten Monaten hat sich dabei der Druck auf die Länder innerhalb der EU, welche besonders stark von der letzten kapitalistischen Überproduktionskrise und ihren Folgen getroffen sind deutlich verschärft. Diese Länder, allen voran Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Zypern, werden durch die führenden imperialistischen Länder innerhalb der EU (Frankreich und an erster Stelle Deutschland) und ihrer Instrumente wie der Troika zu massiven Spar- und Neoliberalisierungsprogrammen gezwungen. Bis 2015 muss Griechenland durch den Verkauf von Staatsbetrieben und Immobilien 50 Milliarden Euro erwirtschaften. Viele deutsche Unternehmen haben sich so zu Spottpreisen in ehemalige griechische Staatsunternehmen eingekauft. Die griechische Hellenic Telekom wird so bereits aus Deutschland geleitet. Wir müssen davon ausgehen, dass der Druck durch die EU unter deutscher Führung auf diese Länder noch stärker werden wird, aktuell sehen wir dies bereits bei den von Deutschland erzwungenen Enteignungen in Zypern. Der deutsche Finanzminister Schäuble hat diese Maßnahmen bereits als vorbildlich bewertet und möchte sie als Modell gerne auch in anderen „Krisenländern“ einsetzen.

Unsere Aufgabe ist es, in Solidarität mit den Arbeiterklassen der vom deutschen und französischen Imperialismus unterdrückten Länder, hier im Zentrum des EU-Imperialismus, gegen diesen zu Kämpfen und ihn hier zu schwächen. Wir müssen dem von Politik und Medien verbreiteten Chauvinismus (Faule Griechen etc.) entgegentreten und dagegen ankämpfen. Besonders bieten sich dafür die Treffen der verschiedenen EU Organe, der Sitz der EZB (Blockupy), das Weltwirtschaftsforum in Davos und die G7/G8/G20 Gipfel an.

Neben seinen imperialistischen Interessen in der EU mischt Deutschland natürlich auch bei anderen internationalen Konflikten mit. Auch wenn sich Deutschland nicht mit einem offiziellen Mandat und einem großen Truppenkontingent am Krieg in Mali beteiligt, mischt Deutschland doch ordentlich mit. Allein rund 180 deutsche Soldaten sind, im Rahmen einer von der EU beschlossenen Mission, nach Mali entsandt worden, um die dortige Armee auszubilden und gegen die als „Terroristen“ ausgemachten Tuareg in den Kampf zu schicken. Hinzu kommen mehrere riesige Transportflugzeuge zum Truppen- und Materialtransport und Flugzeuge zur Luftbetankung von Kampfjets mit zusätzlichen 150 Soldaten als Personal. Zudem ist Deutschland bereits seit 2005 dauerhaft mit einem Berater- und Ausbildungsteam in Mali aktiv. Dabei wurden für diese Aktivitäten in den Jahren 2005 – 2012 rund 37 Millionen Euro ausgegeben. Auch wenn in Mali, als ehemalige französische Kolonie, der Einfluss des französischen Imperialismus entsprechend groß ist, versucht Deutschland auch hier und in den umliegenden afrikanischen Ländern Einfluss zu gewinnen.

Durch die Entsendung von mehreren Staffeln PATRIOT-Raketensystemen und 400 Bundeswehrsoldaten an die türkisch/syrische Grenze beteiligt sich Deutschland an den imperialistischen Aggressionen gegen Syrien und unterstützt damit die Pläne für einen möglichen offiziellen Eroberungs- und Besatzungskrieg der NATO. Zudem ist der deutsche Auslandsgeheimdienst BND mit Überwachungstechnik vor Ort im Einsatz um die Kommunikation der syrischen Armee und Regierung abzuhören und die daraus gewonnenen Erkenntnisse an die syrischen „Rebellen“ weiter zu leiten. Deutschland lässt den syrischen „Rebellen“ mittelbar durch seine engsten Verbündeten in der arabischen Welt Saudi-Arabien und Qatar Unterstützung zukommen. So hat sich allein im Jahr 2012 der Export von Waffen an Saudi-Arabien, Qatar und weitere Golf-Staaten auf 1,42 Milliarden Euro verdoppelt. Hinzu kommen allein nach Qatar weitere Exporte im Wert von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Diese beiden Staaten wiederum beliefern die syrischen „Rebellen“ seit rund einem Jahr ganz offen mit tausenden Waffen und Munition.

Aus einer antimilitaristischen und antiimperialistischen Position müssen wir mobil machen, gegen diese und weitere imperialistische Kriege und Kriegsvorbereitungen. Dazu zählen auch das Auftreten der Bundeswehr auf Messen, in Jobcentern, bei Gelöbnissen, der Ausbau des GÜZ Altmark und die unmittelbar bevorstehende Militärintervention in Syrien, mit noch unklarer deutscher Beteiligung. Für uns zählt das Selbstbestimmungsrecht der Völker, nachdem jede Nation selbst und frei von imperialistischen Einflüssen ihre Zukunft bestimmt. Wir müssen hier in der Bevölkerung Aufklärungsarbeit leisten und eine Stimmung schaffen, die es den Herrschenden unmöglich macht tausende deutsche Soldaten weltweit in Kriegseinsätze zu entsenden. Imperialistische Kriege bringen weder Freiheit noch „Demokratie“!

Hetze und Repression gegen Flüchtlinge und Migranten

Ganz im Gegenteil schaffen imperialistische Kriege Armut, Hunger und Zerstörung. Millionen Menschen sind auf der Flucht auch vor den von Deutschland unterstützten und getragenen Kriegen. Dabei versucht Deutschland das Erreichen dieser Flüchtlinge von Europa durch militärische Abschottung der europäischen Grenzen zu verhindern. Den Flüchtlingen die es dennoch nach Europa bzw. bis nach Deutschland schaffen, wird das Leben hier so schwer und menschenunwürdig wie möglich gemacht. Der bewaffnete Konflikt in Syrien hat zu einem enormen Anstieg von Flüchtlingen an der Nord-Östlichen Grenze der EU geführt (vor allem in die Türkei, soweit diese Flüchtlinge auf ihr Territorium lässt).

Besonders kämpft der deutsche Staat gegen die gemeinsame politische Organisation von Einheimischen und Flüchtlingen, sowie gegen die Selbstorganisation von Flüchtlingen. Seit Anfang des Jahres 2012 gibt es eine neue Welle von Flüchtlingsprotesten gegen ihre unmenschlichen Lebensbedingungen und Unterbringungen in Deutschland (Bustour, Hungerstreik, Flüchtlingstribunal etc.). Schnell entwickelten sich bundesweit gemeinsame Proteste von Flüchtlingen und Einheimischen. Polizei, Justiz, Politik und Medien gingen mit allem was sie halbwegs legal Aufbieten konnten, gegen diese neu aufkeimende Bewegung vor, um diese im Keim zu ersticken. Da dies nicht den gewünschten Erfolg erzielte, wird seit Anfang des Jahres nahezu jede politische Aktion von Flüchtlingen und deren Unterstützern in Deutschland von der Polizei grundlos mit brutaler Gewalt (Schlagstöcken, Hunden, Pfefferspray usw.) angegriffen, um deren Widerstand zu brechen. So ereigneten sich auch zahlreiche weitere Angriffe, wie eine Messerattacke auf das Flüchtlingscamp in Berlin, rassistische Beschimpfungen von Flüchtlingen durch Bundeswehrsoldaten und der Mord eines Menschen aus Kasachstan am 18. Juli durch einen Faschisten in Kaufbeuren.

Ebenfalls massiv zugenommen hat die rassistische Hetze gegen Sinti und Roma in Deutschland. Politik und Medien sind seit Monaten voll mit rassistischen Debatten und Artikeln die Angst und Hass gegen Sinti und Roma schüren sollen. Immer wieder wird eine „Überschwemmung“ Deutschlands und Europas durch Roma aus Bulgarien und Rumänien propagiert, die in Folge der entfallenen Visapflicht entstehen würde. Dabei beteiligen sich auch rassistische Parteien wie Pro NRW und die NPD mit Kundgebungen vor Notunterkünften an der rassistischen Hetze. Durch diese Hetze wird aktuell in Berlin-Hellersdorf und Duisburg-Rheinhausen eine Pogromstimmung gegen die dort untergebrachten Flüchtlinge geschaffen. Um Übergriffe zu verhindern werden von antifaschistischen Gruppen Nachtwachen vor den Unterkünften der Flüchtlinge organisiert.

Für uns, müssen die Proteste und Aktionen gegen rassistische Hetze und die (Selbst-)Organisierung von Flüchtlingen und Migranten einen hohen Stellenwert in der politischen Arbeit einnehmen. Viele Aktivisten in Deutschland waren selbst einmal politische Flüchtlinge oder haben einen Migrationshintergrund und sind ebenfalls rassistischen / chauvinistischen Vorurteilen und Angriffen ausgesetzt. Unterstützen wir diese neu aufkeimende Bewegung, damit sie nicht wieder so schnell verschwindet wie sie entstanden ist. Ein besonderes Arbeitsfeld dabei ist die Arbeit mit den Flüchtlingsfrauen. Hier gründet sich gerade auf Initiative der ersten Flüchtlingsfrauenkonferenz (die im April 2013 in Hamburg stattfand) eine selbstständige Organisation für Flüchtlingsfrauen.

NSU Terror und Repression

Seit einigen Monaten läuft nun der Prozess gegen die NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier weitere Unterstützer. Während, seit dem offiziellen Auffliegen des NSU Ende 2011, fast wöchentlich neue Erkenntnisse über die Zusammenarbeit von Neonazis und Polizei bzw. Geheimdiensten ans Tageslicht kommen, gibt es auch immer mehr Hinweise auf mögliche weitere Anschläge der Naziorganisation. Zudem gibt es aktuell Berichte über die Planung und Mittäterschaft des BND beim Anschlag auf das Münchener Oktoberfest 1980. Seit Monaten ist das Thema NSU in Medien und Politik im Fokus. Auch während des laufenden Prozesses (die Dauer ist auf die nächsten 2 Jahre angesetzt) gilt es für uns noch stärker die aktive Rolle des deutschen Staates und seiner Organe in der Naziorganisation NSU und ihre Taten zu propagieren. Diese wird weder im Prozess, noch im neulich vorgestellten Bericht des NSU-Untersuchungsausschuss benannt.

Parallel dazu werden bundesweit zahlreiche AntifaschistInnen wegen ihrer Teilnahme an Aktionen gegen Neonaziaufmärsche wegen versuchtem Totschlag angeklagt und umfangreiche Ermittlungen eingeleitet. So gab es in den vergangenen Monaten unter anderem laufende Verfahren in Frankfurt, Magdeburg, Dortmund, Stuttgart und Berlin. Begleitet wurden diese Verfahren stets von zahlreichen Vorladungen von Staatsschutz und LKA, sowie Hausdurchsuchungen und Durchleuchtung des politischen und sozialen Umfeldes der Beschuldigten. Ebenso reihen sich in diese Verfahren die Ermittlungen und Repressionen gegen die Revolutionären Aktionszellen (RAZ) / Revolutionäre Linke (RL) und türkische/kurdische Organisationen ein. Dazu kommen die zunehmenden Anquatschversuche der Verfassungsschutzämter.

Spätestens seit den Veröffentlichungen über die amerikanischen und britischen Abhörprogramme sollte nun auch jedem klar sein, dass eine dauernde verdachtsunabhängige Überwachung jeglicher technischer Kommunikation stattfindet. Hinzu kommen natürlich weitere zielgerichtete Überwachungsmaßnahmen, so wurden allein im Juni Peilsender an drei Autos von linken Aktivisten gefunden und konnten unschädlich gemacht werden.

Bereits im vergangen Jahr wurde der Antifaschist Deniz K. in einem politischen Schauprozess, ohne Beweise und unter andauernden Rechtsverstößen zu zweieinhalb Jahren Knast ohne Bewährung verurteilt. Dabei konnte der Vorwurf des fünffachen versuchten Totschlags nicht Aufrechterhalten werden, so dass Deniz „nur“ wegen versuchter Körperverletzung (sowie begleitenden Straftatbeständen) verurteilt wurde. In dem anstehenden Revisionsverfahren möchte die Staatsanwaltschaft das Strafmaß noch einmal erhöht sehen.

Auf diesen Prozess folgte Anfang des Jahres ein ebenso abenteuerlicher Prozess gegen den Antifaschisten Tim. Tim wurde im Januar in erster Instanz zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Ihm wird vorgeworfen 2011 in Dresden, während eines großen Naziaufmarsch, mit einem Megaphon Menschen „angestachelt“ zu haben eine Polizeikette zu durchbrechen. Auch in diesem Prozess geschah die Verurteilung ohne hinreichende Beweise.

Wir können feststellen, dass Polizei und Justiz in den vergangenen Jahren die Repression gegen aktive Antifaschistinnen und Revolutionäre deutlich verschärfen. Immer häufiger werden GenossInnen aufgrund von abgesprochenen Polizeiaussagen und Indizien zu (selbst nach bürgerlichem Recht) überzogenen Gefängnisstrafen verurteilt.

Für uns gilt es dieser Repression eine aktive Solidaritäts- und Antirepressionsarbeit entgegenzusetzen, welche die Betroffenen unterstützt und den Charakter der Klassenjustiz enttarnt. Dabei verteidigen wir unsere revolutionäre Praxis und führen den Kampf sowohl innerhalb, als auch außerhalb von Gerichtssaal und Knast. Eine Schulung von Aktivisten im Verhalten mit Polizei und Justiz ist dringend notwendig für die politische Praxis. Ebenso müssen wir Strategien für die Führung von politischen Gerichtsprozessen entwickeln und eine kontinuierliche Antirepressionsarbeit ausbauen. Dabei gilt es nicht nur eigene Strategien und Arbeiten zu entwickeln, sondern auch eine aktive Bündnisarbeit auf- und auszubauen. Bestehende Antirepressionsgruppen und Netzwerke sollten dabei ebenso Bündnispartner sein, wie fortschrittliche und revolutionäre Organisationen.

Angriffe gegen die Arbeiterklasse

Für das Jahr 2013 haben zahlreiche Konzerne Massenentlassungen in Deutschland angekündigt. Hier eine kleine Auswahl von Entlassungen für das laufende Jahr in Deutschland: Vattenfall 1.500, Nokia 730, ThyssenKrupp 2000-3000, Bundesagentur für Arbeit 17.000, Ergo 2000, HP 800, Air Berlin 1000, Lufthansa 1500.

Dabei überstieg die offizielle Arbeitslosenstatistik der Bundesregierung im Januar 2013 das erste Mal seit zwei Jahren die 3 Millionen Marke, ebenso wurden deutlich weniger freie Arbeitsstellen gemeldet. Die offizielle Arbeitslosenzahl im Februar 2013 betrug 3.156.242, rechnet man die von der Bundesagentur für Arbeit weggelassenen Arbeitslosen (Älter als 58, in Maßnahmen beschäftigt etc.) hinzu, kommt man auf knapp 4 Millionen gemeldete Arbeitslose (plus rund 567.000 Arbeitslose welche nicht bei den Arbeitsagenturen als Arbeitssuchend gemeldet sind).

Deutschland hat darüber hinaus den zweitgrößten „Niedriglohnsektor“ Europas. So arbeiten in Deutschland rund 24 % der Beschäftigten für einen Lohn unter 9,54 € pro Stunde. Auch nimmt die Anwendung der unterbezahlten Leiharbeit anstatt Festanstellung immer mehr zu. Im Juni 2012 wurde so der Rekordwert von 908.000 Leiharbeitern in Deutschland erreicht. Millionen Arbeiter sind so neben ihrer Arbeit auf zusätzliche staatliche Leistungen zum Leben angewiesen.

Parallel dazu nehmen auch die Sanktionen (Mittelkürzungen) gegen Bezieher von Hartz 4 drastisch zu. So wurden im Jahr 2012 über 1,025 Millionen Sanktionen verhängt, so viele wie noch nie seit der Einführung der Hartz-Gesetze. Für das laufende Jahr 2013 ist mit einem weiteren Anstieg der Sanktionen zu rechnen.

So nimmt auch die Zahl der Wohnungslosen deutlich zu. Aktuell schätzt (Statistiken dazu werden in Deutschland nicht erhoben) die Bundesgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland auf 248.000. Laut BAGW ist die Zahl der Wohnungslosen von 2008 bis 2010 um 10% gestiegen. Bis 2015 prognostiziert die BAGW einen weiteren drastischen Anstieg der Wohnungslosigkeit um 10 bis 15%. Ein Grund für diese Entwicklung ist die steigende Zahl und konsequentere Durchsetzung von Zwangsräumungen in Deutschland, da viele Menschen die steigenden Mieten nicht mehr bezahlen können. Vor allem in vielen deutschen Großstädten werden seit einigen Jahren systematisch „finanzschwache“ Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt und so ehemalige Arbeiterviertel zu Luxusvierteln umgestaltet oder Wohnsiedlungen für Großbauprojekte platt gemacht. In Städten wie Berlin, Hamburg, Duisburg, Düsseldorf und Nürnberg gibt es bereits kontinuierliche Kämpfe dagegen. In vielen Großstädten gibt es bereits Bündnisse und Netzwerke welche gemeinsam den Kampf gegen Zwangsräumungen und Mieterhöhungen in Angriff genommen haben. Hier gilt es sich an bestehenden Projekten mit einzubringen oder wo es noch keine gibt eigene Initiativen zu starten. Auch hier darf unser Abwehrkampf nicht losgelöst von unserer restlichen politischen Arbeit stattfinden. Wir sehen, dass es momentan noch schwer ist Menschen aus diesen Kämpfen zu organisieren und sie über diesen, sie persönlich betreffenden Kampf hinaus zu politisieren. Hier müssen entsprechende Organisationsformen gefunden werden um diese Menschen in die allgemeinen politischen Tageskämpfe mit einzubeziehen und dauerhaft zu organisieren.

In diesem Jahr laufen für über 12,5 Millionen Arbeitnehmer die Tarifverträge aus. Das entspricht rund 30 % der erwerbstätigen Menschen in Deutschland, für die die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern neue Verträge aushandeln werden und bei denen es zu Arbeitskampfmaßnahmen kommen kann. Bereits im vergangenen Jahr hat sich die Beteiligung an Streiks im Vergleich zu den Vorjahren mehr als versechsfacht und die Anzahl der dadurch ausgefallenen Arbeitstage verdoppelt. Auch für dieses Jahr rechnen die Gewerkschaften mit einem für Deutschland relativ hohen Streikniveau. Bei den bereits abgeschlossenen Verhandlungen etwa in der Eisen- und Stahlindustrie, im Bauhauptgewerbe, bei E.On und der Deutschen Bahn, sowie den Angestellten im Öffentlichen Dienst wurde ein Anstieg der Löhne und Gehälter um 2 – 3 % vereinbart. Rechnet man davon allein die durchschnittliche Preissteigerung (Inflation) von rund 2 % (im vergangenen Jahr) ab, so bleibt bei den von den Gewerkschaften für die Arbeitnehmer ausgehandelten Gehaltserhöhungen fast nichts bis nichts über.

Hier gilt es die Rolle und den Charakter der DGB-Gewerkschaften genau zu analysieren (In wie weit sind sie noch Arbeiterkampforganisationen? Stehen sie auf der Seite des Kapitals? Sind sie noch reformistisch?), zu entlarven und dort wo es möglich ist Arbeits- und Klassenkämpfe zu zuspitzen und zu vertiefen.

In Betrieben in denen sich die Gewerkschaften zu offen auf die Seite der Kapitalisten stellen kommt es immer häufiger zu selbstständigen Aktionen der Belegschaften, die meist auch deutlich langfristiger und radikaler sind, als solche zu denen die Gewerkschaften zugestimmt haben und aufrufen. Solche selbstständigen oder durch den Druck der Belegschaften erzwungenen Arbeitskämpfe fanden in diesem Jahr zum Beispiel bei TSTG in Duisburg und den Betriebsstätten von Neupack (Hamburg und Rotenburg) statt. So kam es bei TSTG zu spontanen Besetzungen und Streiks gegen die Schließung des Werkes. Bei Neupack kämpften die Angestellten vom 1. November 2012 bis vor wenigen Wochen mit Streiks für einen Tarifvertrag (dieser Arbeitskampf ist der längste Streik in der Geschichte der BRD für einen Haustarifvertrag). Während die Gewerkschaft (IG-BCE) sehr schnell ihre Forderungen reduzierte wurde sie immer wieder von der Belegschaft vom Verhandlungstisch zurück auf die Straße gedrängt. Initiativen der Belegschaft den Kampf ohne die Gewerkschaft in die Hand zu nehmen wurden von dieser versucht zu unterbinden. Sowohl die Kämpfe bei TSTG, als auch der bei Neupack werden von regionalen politischen Solidaritätskomitees begleitet und die Arbeiter so bei ihrem Kampf gegen die Firmenbosse und die Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften sowohl moralisch als auch ganz praktisch durch Solidaritätsaktionen und Beteiligung an Streiks und anderen Aktionen unterstützt.

Auch beim Internetversandhandel Amazon stehen die Zeichen in den Deutschen Versandstandorten auf Streik. Nachdem es vor einigen Monaten zahlreiche Medienberichte über die besonders unmenschliche Behandlung von tausenden von Leiharbeitern (welche vor allem aus Ostdeutschland stammen und dort extra angeworben werden) gab, gibt es als Reaktion darauf momentan eine große Organisierungswelle. In den beiden Amazon Verteilzentren in Leipzig und Bad Hersfeld haben über 95 % der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter für Streiks gestimmt und erste Streikwellen haben bereits stattgefunden.

Wir müssen die Kämpfe der Arbeiterklasse in den Betrieben deutlich ernster nehmen und in diese eingreifen. Dort wo wir selbst in den Betrieben, in der Belegschaft vertreten sind, gilt es zusammen mit unorganisierten Kollegen starke und offensive Arbeitskämpfe, je nach Situation auch ohne oder gegen den Willen der Gewerkschaften zu organisieren. In Betrieben in denen wir nicht vertreten sind, gilt es Solidaritätskomitees zu bilden und die Kämpfe der Belegschaft nach den Möglichkeiten von außerhalb des Betriebes zu unterstützen.

Die Kämpfe die wir in den Betrieben führen, dürfen dabei nicht bei ökonomischen Forderungen stehen bleiben und dürfen kein Selbstzweck sein. Uns geht es bei Betriebskämpfen nicht allein um Abwehrkämpfe gegen die Angriffe des Kapitals und um minimale Lohnerhöhungen, sondern vor allem auch darum, diese als Mittel zur Politisierung der Arbeiterklasse, als Mittel zur Entwicklung von Klassenbewusstsein zu nutzen. Auch sollten sie uns gute Möglichkeiten bieten Arbeiter langfristig zu organisieren. Wir dürfen nach Abschluss der Arbeitskämpfe die Arbeiter nicht wieder alleine lassen, sondern müssen Perspektiven schaffen und sie langfristig organisieren. Auch hier müssen geeignete Organisierungsmethoden je nach Situation und Lage gefunden werden (z.B. politische Stammtische, Bildungszirkel, Betriebszellen).

Frauenbefreiungsfrage

In Deutschland gibt es zur Zeit keine nennenswerte werktätige Frauenbewegung, so dass die meisten Diskussionen zu diesem Thema von bürgerlichen Frauengruppen und Organisationen dominiert werden.

In den bürgerlichen Medien und Politik wurde seit Monaten um eine mögliche Frauenquote in den Aufsichtsräten großer Unternehmen berichtet und gestritten, vor kurzem hat nun die Regierungskoalition (aus deren eigenen Reihen dieser Vorstoß eigentlich auch kam) ein entsprechendes Gesetz dazu verhindert. Für den ganz überwiegenden Teil der Frauen in Deutschland ist diese Diskussion jedoch vollkommen irrelevant, da diese Quote nie ihr Leben berühren wird, für die proletarischen Frauen sowieso.

Viel interessanter sind für uns die Aktivitäten zum Thema Frauenbefreiung auf den Straßen. So gab es neben dem 8. März, als internationalen Frauenkampftag und dem 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, einen weiteren internationalen Aktionstag, den so genannten V-Day am 14. Februar, an dem sich Millionen Frauen in fast allen Ländern der Welt beteiligten und Demonstrationen, Flashmobs und Straßenaktionen gegen Gewalt an Frauen organisierten und durchführten. Während in vielen Ländern revolutionäre und fortschrittliche Gruppen, Organisationen und Parteien diesen Tag nutzten und Aktionen mit ihren eigenen Forderungen durchführten, waren die Aktionen in Deutschland fast überall von bürgerlichen (teils feministischen) Frauengruppen und den bürgerlichen Parteien dominiert. Nur in sehr wenigen Städten wurden eigene oder von fortschrittlichen Kräften dominierte Aktionen durchgeführt. So wurde ein Aktionstag auf dem eine immense mediale Aufmerksamkeit lastete den bürgerlichen Kräften und ihren Forderungen überlassen. In Zukunft sollten auch solche von bürgerlichen Kräften entwickelte Initiativen genutzt werden um fortschrittliche und revolutionäre Forderungen unter den Massen zu verbreiten.

Politischer Zirkus zur Bundestagswahl im September

Seit Monaten tobt bereits der Kampf der Parteien der Herrschenden um die „Gunst“ der wahlberechtigten Bevölkerung in Deutschland. Viele größere Gesetzesinitiativen, egal welchen Lagers, wurden vor der Sommerpause gar nicht erst mehr behandelt, da sie keine Sympathien in der Bevölkerung schaffen würden, andere Gesetze werden im vermeintlichen Trubel um Spitzenkandidaten, Wahlprogramme, Sonderparteitage und Diskussionen über das Kanzlergehalt recht unbeachtet von der Regierungskoalition durch gewunken.

So zum Beispiel das Änderungsgesetz zum Telekommunikationsgesetz. Dabei ist diese Gesetzesänderung keineswegs unbeträchtlich, denn in dieser Änderung werden den Repressionsbehörden massive Einblicke und Eingriffe in unsere persönlichen Daten gewährt und das schon bei dem Verdacht auf vermeintlich begangene Ordnungswidrigkeiten (falsch Parken, über rote Ampeln gehen oder Ruhestörung). Diese so genannte Bestandsdatenauskunft erlaubt es den Repressionsbehörden Passwörter, Pin Codes, und Namen zu IP-Adressen bei den Telekommunikationsanbietern abzufragen. Ein Richtervorbehalt kann durch den Vermerk „Gefahr im Verzug“ einfach umgangen werden. Einer hier eingebrachten Benachrichtigungspflicht der Betroffenen werden die Behörden wohl ebenso wenig nach kommen, wie sie es jetzt in anderen Fällen auch schon tun.

In den noch vor uns liegenden Wochen bis zur Bundestagswahl wird der politische Schlagabtausch um die Wählerstimmen der Bürger noch deutlich zunehmen. Nutzen wir diese Zeit der besonderen Sensibilisierung der Massen für politische Themen, für unsere Propaganda und zeigen den Massen so eine Alternative zu den herrschenden Parteien und dem kapitalistischen System auf. Entlarven wir die Wahllügen der bürgerlichen Parteien und ihren Charakter als Marionetten der Kapitalisten.

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