Jobcenter und SPD attackiert

Erstveröffentlicht: 
03.05.2013

Unbekannte schmeißen in konzertierter Aktion berlinweit Scheiben ein

 

Im Zentrum der nächtlichen Attacken standen sieben Jobcenter. Berlinweit griffen in der Nacht zu Freitag vermummte Personen Büro-, Verlags- sowie Verwaltungsgebäude mit Steinen und Farbbeuteln an. Allein am Tempelhofer Jobcenter wurden 80 zerstörte Scheiben gezählt. Zum Ziel eines Angriffs wurde auch die Parteizentrale der SPD in der Müllerstraße in Wedding – auch an dieser Stelle wurden Scheiben eingeworfen und Farbe versprüht.

 

Die Attacken wurden teilweise von Passanten und Sicherheitsunternehmen beobachtet. In der Charlottenburger Königin-Elisabeth-Straße konnten ein Wachschutzmitarbeiter und ein Polizist eine 24-Jährige festhalten, die sie nach Sachbeschädigungen bemerkt hatten. Die Frau habe sich zuvor eines Stoffbeutels entledigt, der etliche Pflastersteine enthalten haben soll, erklärte die Polizei gestern in einer Erklärung zu den Anschlägen.

 

Politiker verschiedener Parteien von Grünen, CDU und SPD verurteilten die Angriffe unterdessen scharf. SPD-Landeschef Jan Stöß sprach von einem »feigen Anschlag« auf das »Kurt-Schumacher-Haus«, das Bürgerbüro der Bundestagsabgeordneten Eva Högl und das August-Bebel-Institut. »Im 150. Jahr der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und 80 Jahre nach der Zerschlagung der Gewerkschaften müssen wir auch im Jahr 2013 noch Anschläge auf demokratische Institutionen erdulden«, erklärte Stöß. Die SPD werde sich jedoch »von niemanden einschüchtern lassen«. »Wir werden unsere Stimme auch in den nächsten Jahren 150 Jahren lautstark gegen Intoleranz, Gewalt und Rassismus erheben.«

 

Auch der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, erklärte, Anschläge auf öffentliche Einrichtungen seien »kriminell und kein Ausdruck politischen Handelns«. Saleh äußerte überdies die Hoffnung, dass die »Polizei alle Täter schnell fassen kann«. Innensenator Frank Henkel (CDU) informierte die SPD-Spitze über den Stand der polizeilichen Ermittlungen. Er vermutete als Hintergrund der Anschläge, dass es offenbar einigen darum gehe, »ein Klima der Angst und der Verunsicherung« zu schaffen. »Es gibt in unserer Stadt weder für linke noch für rechte Militante einen Freibrief«, betonte Henkel.

 

Die Angriffe erfolgten zu einem Zeitpunkt, an dem sich Politik, Medien und Stadtgesellschaft in Berlin gerade über den vergleichsweise friedlichen Verlauf des 1. Mai in diesem Jahr erfreut zeigten. Nachdem bereits in der Nacht zum 2. Mai ein offenbar politisch motivierter Brandanschlag auf die Bahnstrecke Berlin-Potsdam verübt worden war, gab es jetzt in der zweiten Nacht in Folge militante Anschläge zu verzeichnen. Wie am Donnerstag tauchte auch gestern auf einer linksradikalen Internetpräsenz ein Bekennerschreiben auf, dessen Authentizität allerdings schwer einzuschätzen ist. In dem dreiseitigen Papier begründet eine nicht näher namentlich genannte Gruppe die Attacken auf Jobcenter und Arbeitsämter in Berlin mit deren Funktion zur »Durchsetzung des Zwangs zur Arbeit« und der Verantwortlichkeit »für die meisten der in der nächsten Zeit drohenden Zwangsräumungen«. Man habe bewusst den 2. Mai, den »Tag des Kampfes der Arbeitslosen« als Datum ausgewählt, heißt es in dem Selbstbezichtigungsschreiben.

 

Da auch die Polizei für alle Attacken ein politisches Motiv vermutet, hat der polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt die Ermittlungen übernommen.