Burschenschaften verlieren an Boden

Erstveröffentlicht: 
03.05.2013

Inland // Allparteienbündnis in Marburg fasst »historischen Beschluss«

 

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Rechtsdralls im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) hat sich kürzlich erstmals eine wichtige Kommune einstimmig politisch von den DB und ihrer rechtsextremen Ausrichtung distanziert.

 

Von Hans-Gerd Öfinger

 

Es war ein einstimmiger Beschluss: Die Stadtverordnetenversammlung der mittelhessischen Universitätsstadt Marburg entschied in einer Resolution auf Antrag der Fraktion »Marburger Linke« ohne Gegenstimmen, dass »politische und öffentliche Aktivitäten rechtsextremer Verbindungen und ihrer Mitglieder, die der Deutschen Burschenschaft angehören, in Marburg nicht erwünscht« seien. Dies sei ein »historischer Beschluss«, wie er ihn in dieser Einmütigkeit im Stadtparlament noch nicht erlebt habe, freute sich auch Marburgs Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD).

Hintergrund des Beschlusses ist die Auseinandersetzung um den Marktfrühschoppen, ein Traditionsfest in der Marburger Oberstadt mitten im Hochsommer mit Wurzeln in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und somit in einer Zeit, da die Burschenschaften wesentlich stärker waren. Nicht nur linke, sondern auch liberale Kreise in Marburg kritisieren, dass das Fest zunehmend zum Sammel- und Aufmarschpunkt rechter Kräfte innerhalb der schlagenden Verbindungen geworden ist. Ob das Fest unter solchen Umständen stattfinden wird, ist derzeit unklar.

Vom stramm rechten, völkisch-nationalistischen Dachverband DB losgelöst hat sich inzwischen auch die Münchner Burschenschaft Franco-Bavaria. Deren prominentestes Mitglied, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), beklagte in einem Zeitungsinterview »immer dreister werdende rechtslastige Provokationen« in den DB. Er wolle nicht mehr in einschlägigen Blättern neben dem Emblem der NPD und sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten abgebildet werden und könne sich »guten Gewissens nicht mehr zur Deutschen Burschenschaft bekennen«, so der CSU-Mann. Neben dem Minister hat der Dachverband mit dem innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), ein weiteres »politisch-psychologisches Schutzschild« verloren, kommentieren Insider den jüngsten Austritt von Uhls Münchner Burschenschaft Arminia-Rhenania aus den Burschenschaften. Vom Verband losgelöst hat sich auch die Marburger Burschenschaft Arminia; sie kritisierte öffentlich dessen »rechtsextreme Tendenzen« und die Aktivitäten des Gesamtverbandes.

Großes Aufsehen erregt hatte ein Antrag der Bonner Verbindung Alte Breslauer, die Mannheimer Burschenschaft Hansea aus dem Dachverband auszuschließen, weil in ihr auch ein chinesischstämmiger Student organisiert ist. »Zur geschichtlichen Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes könne nur derjenige gehören, dem diese Eigenschaft durch seine Abstammung zuteil wurde«, so die Argumentation in der Tradition einer strikten Blut-und-BodenIdeologie. Stein des Anstoßes sind für die etwas liberaleren Burschenschaftler neben der Nähe zur NPD auch Äußerungen des ehemaligen Chefredakteurs der Verbandszeitung »Burschenschaftliche Blätter«, Norbert Weidner, der das Todesurteil gegen den evangelischen Pfarrer und Nazigegner Dietrich Bonhoeffer »rein juristisch« als »gerechtfertigt« bezeichnet hatte.

Kein Problem mit dem entscheidenden Antragspassus der Marburger Linksfraktion hatten auch die Vertreter der Marburger CDU-Rathausfraktion. Deren Fraktionschef Philipp Stompfe versucht sich nach Angaben von Beobachtern seit einiger Zeit vom stramm rechten Kurs der Landespartei und des aus Marburg stammenden Vorsitzenden der Landtagsfraktion, Christean Wagner, abzusetzen.

Auch Stompfe kritisierte im vergangenen Jahr die Folgen der von der CDU im Lande durchgesetzten Privatisierung des Universitätsklinikums Marburg-Gießen, während Wagner darin immer noch ein »Leuchtturmprojekt« erkennt. Einen Antrag, den Marburger Marktfrühschoppen in diesem Sommer überhaupt nicht stattfinden zu lassen, lehnte die Rathaus CDU allerdings ab.